Das Leistungsschutzrecht killt das Internet
Schweizer Verleger wollen Big Tech zur Kasse bitten. Sie zeigen damit erneut, das Internet nicht verstanden zu haben. Das Schlimme daran: Der Bundesrat macht mit.
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Schweizer Verleger wollen Big Tech zur Kasse bitten. Sie zeigen damit erneut, das Internet nicht verstanden zu haben. Das Schlimme daran: Der Bundesrat macht mit.
In vielen Medien geht der Trend zu Bezahlschranken für exklusive Inhalte. Künftig müssten Google und andere Internetdienste wegen des Leistungsschutzrechts auch für Links auf geschützte Artikel zahlen. Google signalisiert dabei eine merkwürdige Art von Zahlungsbereitschaft.
Journalistische Inhalte sind teuer, in der digitalen Welt aber bisher weitgehend schutzlos. Im Einklang mit der EU fordern die Schweizer Verleger ein analoges Leistungsschutzrecht.
In Brüssel planen EU-Verhandler eine europaweite Abgabe selbst auf kurze Textschnipsel. Google passt das nicht in den Kram. Top-Manager Richard Gingras stellt deshalb ein Aus für seinen Aggregatorendienst Google News in Aussicht.
Die Europäische Union möchte ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage einführen: Wenn Social Media-Plattformen, Suchmaschinen und sonstige Websites jenseits von einzelnen Wörtern auf die Online-Inhalte von Presseverlagen verlinken, sollen sie eine «Link-Steuer» bezahlen müssen. Nun schliesst sich der Verband Schweizer Medien mit markigen Worten dieser Forderung an
Kehrtwende um 180 Grad beim schweizerischen Verlegerverband. Vor fünf Jahren hielt die Branchenorganisation gegenüber der MEDIENWOCHE fest: «Ein Leistungsschutzrecht ist für den Verband kein Thema mehr.» Heute heisst es: «Es ist angebracht, ein entsprechendes Recht auch im eidgenössischen Urheberrecht einzufügen.» Damit fordern die Verleger ein rechtliches Instrument, das es ihnen ermöglicht, Suchmaschinenbetreiber und andere Dritte, die ihre Inhalte im Web verbreiten, zur Kasse zu bitten. In der aktuellen Mitteilung schreibt der Verband dazu: «Die Newsaggregatoren schaffen mit dem Zusammentragen von News ein attraktives Gesamtangebot, durch das sie eigene Werbeeinnahmen für fremdproduzierte Inhalte generieren können. Die Verlage dagegen haben einen grossen Aufwand für die Produktion dieser Inhalte geleistet. Ihnen entgehen durch die Aggregatoren erhebliche Werbeeinnahmen, die ihnen für das fortwährende Informieren der Gesellschaft eigentlich zustehen müssten.»
Genau gleich klang es vonseiten der Verleger bereits vor acht Jahren. Doch dann rückten sie von der Forderung ab, mit dem Hinweis auf die schweizerische Rechtssystematik: Ein Leistungsschutzrecht nach deutschem Vorbild vertrage sich schlecht mit dem hiesigen Urheberrecht. Das war ein weiser Entscheid. Denn in der Praxis erweist sich die Regelung in Deutschland als «realitätsfernes Quatschgesetz».
Inzwischen gibt es ein europäisches Leistungsschutzrecht. Aufgrund dieser Entwicklung und weil die Schweizer Verleger nicht abseits stehen möchten, kramten sie ihre alte Forderung aus der Mottenkiste. «Der Verband Schweizer Medien trägt die neue europäische Lösung des Leistungsschutzrechts mit und ist zuversichtlich, dass sich dieses auch wirkungsvoll umsetzen lässt», teilt Andreas Häuptli, Geschäftsführer des Verlegerverbands, auf Anfrage mit.
Die globale Rechteverwertungsindustrie hat es einmal mehr geschafft, die Urheberrechtsgesetzgebung zu ihren Gunsten zu verschärfen. Ohne Rücksicht auf Verluste, haben die Unterhaltungs- und Medienkonzerne erreicht, dass in der EU das Internet zukünftig, zumindest für eine gewisse Zeit, ärmer an ihren Inhalten und reicher an Oligopolen sein wird. Auch die Schweiz wird sich dieser Entwicklung nicht Weiterlesen …
Das Internet verloren, die Kulturindustrie gerettet – die geplante EU-Urheberrechtsnovelle lässt viele Deutungen zu. Wir klären, was Sache ist.