von Miriam Suter

The Good, The Bad & The Ugly LXXVI

Soforthilfe, Geldsegen, Sandkasten

The Good – Spenden für Kolleg:innen in der Ukraine

Vor zwei Tagen mussten die beiden AP-Reporter Mstyslav Chernov und Evgeniy Maloletka unter dem Schutz von ukrainischen Soldaten aus Mariupol fliehen. Die Stadt steht aktuell im Zentrum des Ukraine-Kriegs, Chernov und Maloletka gehörten zu den letzten verbleibenden Journalist:innen, die vor Ort berichteten.

Offenbar machte die russische Armee gezielt Jagd auf Medienschaffende. Nicht nur für Chernov und Maloletka wird ihr Job zur täglichen Hölle: Journalist:innen in der Ukraine berichten aktuell über den Untergang ihrer eigenen Heimat, viele von ihnen haben Angehörige oder Kolleg:innen verloren oder wurden verletzt. Und trotzdem gilt: Weiterarbeiten. «Von ukrainischen KollegInnen wird scheinbar Übermenschliches verlangt. Sie können alle unsere Unterstützung gebrauchen», schreibt die SRF-Journalistin Luzia Tschirky (Bild) in ihrem Spendenaufruf mit dem Berufsverband impressum.

Sie unterstützt die Sammelaktion, das Geld wird vom Safety Fund der European Federation of Journalists und der International Federation of Journalists zusammen mit der National Union of Journalists of Ukraine (NUJU) und der Independent Media Trade Union of Ukraine (IMTUU) direkt eingesetzt. Etwa für Sicherheitsausrüstungen, humanitäre Soforthilfe, medizinische Güter oder allenfalls Notfallmassnahmen wie Rückreisen aus der Ukraine.

Aktuell sind bereits 6830 Franken zusammengekommen, der Berufsverband selbst hat 5550 Franken gespendet. Der Betrag geht schrittweise hoch und die Spenden kommen vornehmlich von impressum-Mitgliedern, schreibt Geschäftsführer Urs Thalmann auf Anfrage der MEDIENWOCHE.

The Bad – Eat the rich

Gut eineinhalb Monate nachdem eine Ausweitung der Medienförderung in der Abstimmung abgelehnt wurde, verzeichnen die grössten Unternehmen der Branche fette Gewinne für das Geschäftsjahr 2021: CH Media hat den Gewinn um die Hälfte gesteigert auf 23 Millionen Franken, die NZZ schrieb im letzten Jahr 24 Millionen und die TX Group weist gar (dank Sondereffekten) einen Riesengewinn von 833 Millionen Franken auf. Schön. Bloss: Es waren genau diese grossen Verlage, die beim Schnüren des Medienpakets 70 Millionen Franken Medienförderung für die eigenen Unternehmen dazulobbyiert hatten. Davon hätten mehrheitlich die reichen Verlage und ihre Eigentümer profitiert: Peter Wanner von CH Media, Pietro Supino von der TX Group, dessen Familie ein Vermögen von über einer Milliarde Franken besitzt, die Ringier-Familie mit einem geschätzten Vermögen von ebenfalls rund einer Milliarde. Sie befeuerten mit ihren Forderungen nach noch mehr Fördergeldern das zentrale Argument der Gegenkampagne «Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre», das die Stimmberechtigen letztlich zu überzeugen schien. Es muss schön weich und bequem sein, von derart gut gepolsterter Perspektive her weiterhin auf die Kleinen herabzublicken, denen die Medienförderung tatsächlich geholfen hätte und die nun leer ausgehen.

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The Ugly – Journalist:innen im Sandkasten

Alles fing damit an, dass Sandro Brotz den SVP-Politiker Thomas Aeschi in seine «Arena»-Sendung eingeladen hatte – und zwar schon bevor dieser in der Nationalratsdebatte davon sprach, dass Nigerianer oder Iraker mit ukrainischen Pässen Ukrainerinnen vergewaltigen.

Brotz konfrontierte den Politiker in seiner Sendung wortreich und entschieden damit, dass diese Aussage rassistisch sei. Woraufhin die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger in ihrer Kritik zur Sendung schrieb, Brotz habe mit seinem Auftritt «jedes Anti-SRG-Klischee bestätigt: dass SRF nämlich von linken, parteiischen und selbstverliebten und eitlen Gesellen bevölkert werde». Binswangers Redaktionskollege Sandro Benini konterte in seinem Kommentar, Brotz habe alles richtig gemacht.

Die SVP ist jetzt beleidigt und will fortan die «Arena» boykottieren, auf Twitter folgte zudem eine Schlammschlacht, in denen sich alle Beteiligten und die Zaungäste aus der restlichen Medienszene Saures gaben. Es war ein bisschen wie im Sandkasten früher auf dem Spielplatz. Bloss: Ausserhalb dieses Sandkastens tobt ein Krieg, wütet noch immer eine Pandemie, entwickelt sich das Leben also in derart chaotischen Bahnen wie schon lange nicht mehr.

Es wäre an der Zeit, die Plastikschaufeln beiseite zu legen und einfach wieder den Job als Journalist:in zu machen: Über den Sandkastenrand hinausschauen, berichten, einordnen.

Leserbeiträge

Jürg-Peter Lienhard 26. März 2022, 17:54

Michèle Binswanger übetreibt zwar ein Bisschen. Aber, in ihrer Kritik steckt gleichwohl ein Körnchen Wahrheit: Dass Brotz mit seinem Auftritt jedes Anti-SRG-Klischee bestätigt habe, indem die SRF «von linken, parteiischen und selbstverliebten und eitlen Gesellen bevölkert» werde. Wie gesagt, etwas übertrieben, aber gleichwohl «cum grano salis»… Nur: Die SRG sollte die Chance wahrnehmen und ihrerseits künftig auf die SVP-Scharfmacher verzichten. Zumal «der Alte» ja stets die Fäden vom Herrliberg herab zieht! Ob ich nun mit dieser Einschätzung auch zu den linken, parteiischen und selbstverliebten Gesellen gehöre, ist mir eigentich wurscht, zumal ich nicht bei der SRG arbeite – eben aus obgenanntem Grund… 😉