von Bettina Büsser

The Good, The Bad & The Ugly LXXIX

Fokusmonat, Publikumsbefragung, Auslegeordnung

The Good – Über den Journalismus reden

«Wir wollen die Debatte neu lancieren und zudem einem Publikum zugänglich machen, das sich nicht täglich mit den Medien rumschlägt. Sprich: Wir wollen aus der Branche raus und unsere Zielgruppe mitnehmen» – so beschreibt Chefredaktor und Geschäftsführer Simon Jacoby gegenüber der MEDIENWOCHE das Ziel des «Fokusmonats Journalismus» von «Tsüri.ch». Bis Anfang Mai finden noch mehrere öffentliche Veranstaltungen statt.

Natürlich bildet die Ablehnung des Medienpakets in der Volksabstimmung Mitte Februar den Hintergrund. Auch «Tsüri.ch» hätte als Onlinemedium mit Member-Modell von der zusätzlichen Medienförderung profitieren können. Doch es geht im «Fokusmonat» nicht um «Tsüri.ch», sondern um den Journalismus. Nächste Woche geht es um «Klimajournalismus und die Grenze zum Aktivismus», später dann um Gleichstellung beziehungsweise Integration im Journalismus.

Zum Auftakt fand letzten Dienstag eine «Pitch-Night» statt. Sieben Personen hatten je sieben Minuten Zeit, aus ihrer Sicht über den Journalismus und die Situation der Medien zu sprechen. Vertreten waren die Medienwissenschaft, «20 Minuten», Somedia, der Presserat, NetzCourage, Syndicom und Junge Journalist*innen Schweiz (JJS). Und JJS-Vertreter Simon Schaffer sagte es am markantesten: «Es ist nicht der Job, der Journalismus, der scheisse ist, es sind die Arbeitsbedingungen und die Aussichten.»

Die Referent*innen haben an diesem Abend den Journalismus weder neu erfunden noch gerettet – aber sie haben einen Einblick in die Situation geboten – verständlich, vielfältig, und erst noch in angenehmer Kürze. Vielleicht hätte die «Pitch-Night» vor der Abstimmung durch die Schweiz touren sollen.

The Bad – Unterhaltung statt Information

2020, am Anfang der Pandemie, stieg die Mediennutzung, mehr Leute informierten sich bei professionellen Medien. Es gab eine leise Hoffnung, dass Informationsmedien durch ihre Leistungen in dieser Zeit auch mittel- oder gar längerfristig mehr Aufmerksamkeit und Nutzung gewinnen könnten.

Leider kam es anders. Darauf weist die am 7. April erschienene Studie «Publikumsbefragung elektronische Medien 2021» hin. Diese Befragung gibt das BAKOM jährlich in Auftrag, um herauszufinden, was das Schweizer Medienpublikum von der Leistung der privaten und der öffentlichen Radio- und Fernsehprogramme hält.

Positiv am Fazit der Studie für 2021 ist, dass die Medienbewertungen «auf hohem Niveau stabil» und die Zufriedenheitswerte «hoch» sind. Aber: Nutzung und Nutzungsprioritäten von Informationsmedien haben verglichen mit dem Vorjahr abgenommen. Es sei, so die Studie, eine «gewisse Informationsmüdigkeit» festzustellen.

Das ist ein Stück weit verständlich. Doch die Veränderung reicht weiter: Nicht nur im Vergleich zu 2020 wurden viel häufiger «reine Unterhaltungsziele» als Grund für das Einschalten von Radio und Fernsehen angegeben, sondern auch im Vergleich zu 2019, also zur Vor-Pandemie-Zeit. Schlechte News für den Informationsjournalismus.

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The Ugly – Auf die lange Bank geschoben

Der Präsident entschied die Abstimmung mittels Stichentscheid: Mit dem «Nein» von Hans Wicki (Nidwalden/FDP) erteilte die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) des Ständerats am Dienstag ihrer nationalrätlichen Schwesterkommission äusserst knapp eine Abfuhr.

Diese wollte nach der Abstimmungs-Niederlage des Medienpakets die in der parlamentarischen Debatte unbestrittenen Teile rasch in Kraft setzen, etwa die Finanzierung von Aus- und Weiterbildung, Nachrichtenagenturen oder Presserat.

So kurz nach der Abstimmung sprächen «staatspolitische Gründe» dagegen, Teile des Medienpakets zu realisieren, fand jedoch die ständerätliche KVF. Und es solle der Bericht zu einem Postulat der grünliberalen Nationalrätin Katja Christ abgewartet werden – danach solle eine grössere «Auslegeordnung» stattfinden.

Christs Postulat fordert etwa, dass der Bundesrat in einem Bericht darlegt, welche Modelle der staatlichen Medienförderung die Schweizer Medien «nachhaltig in die Zukunft» führen, und dass dieser dabei «ganz unterschiedliche Modelle» prüft, dem aktuellen Modell gegenüberstellt sowie Vor- und Nachteile aufzeigt. Das kann dauern.

Während also etwa der Presserat abklärt, welche Dienstleistung dieser «angesichts der derzeitigen finanziellen Lage noch anzubieten vermag», wartet die Mehrheit der ständerätlichen Medienkommission auf eine gutschweizerische «Auslegeordnung». Nume nid gschprängt. Vielleicht sollte sie sich an einen Bach setzen, Tee trinken und schauen, was in der Zwischenzeit so alles bachab geht.