Black Box «Play Suisse»
Seit eineinhalb Jahren betreibt die SRG eine mehrsprachige Streaming-Plattform. Wie intensiv «Play Suisse» tatsächlich genutzt wird, gibt die SRG bis heute nicht bekannt. Auch lässt sie die Nutzung nicht von unabhängiger Seite messen, obwohl das ursprünglich so vorgesehen war.
Glaubt man den bisher veröffentlichten Zahlen, dann schreibt die SRG mit «Play Suisse» eine einzige Erfolgsgeschichte. Ob anlässlich des ersten Geburtstags im vergangenen November oder erst jüngst wieder im Geschäftsbericht der SRG: immer nur eindrückliche Zahlen. «Play Suisse» als Nummer zwei hinter dem Platzhirsch Netflix, mehr als 400’000 angemeldete Nutzer:innen, fast 700’000 Zuschauer:innen. Entsprechend bilanzierte die SRG nach einem Jahr: «Play Suisse» hat sein Publikum gefunden. Ja, mehr noch: «Das ehrgeizige Ziel, ‹die Schweiz in Originalversion› zu präsentieren, wurde erreicht».
Was die SRG hingegen nirgends mitteilt, sind konkrete Zahlen zur Nutzungsdauer; also wer wie lange welche Filme und Serien auf «Play Suisse» schaut. Die Anzahl angemeldeter Personen sagt darüber nichts aus. Wer ein Login erstellt, braucht danach die Plattform nicht zwingend regelmässig zu besuchen.
Die SRG selbst weiss natürlich auf die Sekunde genau, wie die Nutzung auf ihrer neuen Streaming-Plattform aussieht. Aber sie kommuniziert nur sehr selektiv. Den Vorwurf der «Black Box» will sie aber nicht stehen lassen. «Wir berichten – im Übrigen als einzige Anbieterin – detailliert über die Entwicklung und Nutzung der Plattform», betont SRG-Kommunikationschef Edi Estermann auf Anfrage der MEDIENWOCHE. Nur eben: Einen der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Wert, der es erst erlauben würde zu beurteilen, ob «Play Suisse» tatsächlich einem Publikumsbedürfnis entspricht, hält das Unternehmen bis heute unter Verschluss.
Per Ende 2021 lagen keine von Mediapulse erhobenen Nutzungszahlen für «Play Suisse» vor. Die SRG hatte sich gegen eine externe Messung entschieden.
Noch vor einem Jahr sah es anders aus. «‹Play Suisse› wird im Rahmen der neuen Online-Forschung ebenfalls erhoben werden, so wie alle Angebote der SRG. Diese Publikation sollte per Ende Jahr möglich sein.» Das teilte Mediapulse Ende April 2021 der MEDIENWOCHE mit. Die Firma sorgt mit einem gesetzlichen Auftrag «für die Erhebung wissenschaftlicher Daten zur Radio- und Fernsehnutzung in der Schweiz». Per Ende 2021 lagen aber keine von Mediapulse erhobenen Nutzungszahlen für «Play Suisse» vor. Die SRG hatte sich gegen eine externe Messung entschieden.
Damit Mediapulse die Nutzung eines Online-Angebots präzise messen kann, muss der Betreiber der Plattform zuerst einen sogenannten «Tag» in seine Infrastruktur einbauen. Dieser Code-Schnipsel hilft dabei, die Besucher:innen zu registrieren und zählen. Diesen Aufwand mag die SRG derzeit nicht leisten. Das würde «Ressourcen benötigen, die wir für andere Aufgaben nutzen möchten», teilt SRG-Medienchef Estermann mit.
Mediapulse bedauert diesen Verzicht, weist aber auf die Freiwilligkeit der Forschung hin. «Die SRG kooperiert sonst sehr breit mit uns und ist in vielen Belangen anderen Marktteilnehmern sogar voraus», weiss Christian-Kumar Meier, Marketingchef von Mediapulse im Gespräch mit der MEDIENWOCHE. Und ergänzt: «Mit der Messung von ‹Play Suisse› wäre die SRG bei uns jederzeit sehr willkommen.»
Gingen die Zahlen durch die Decke, würde die SRG damit noch so gerne die externe Kommunikation befeuern.
Doch vorerst bleiben die Nutzungszahlen der Streaming-Plattform eine Black Box. Man gehe mit den internen Zahlen «vorsichtig und verantwortungsbewusst» um, heisst es bei der SRG. «Wir wollen mit den Daten die Plattform für Nutzer:innen verbessern und nicht die externe Kommunikation befeuern», erklärt Kommunikationschef Edi Estermann. Nur, und darauf wäre Verlass: Gingen die Zahlen durch die Decke, würde die SRG damit noch so gerne die externe Kommunikation befeuern. Der naheliegende Grund, warum man sich nun nobel zurückhält: «Play Suisse» liefert bis jetzt nicht die Zahlen, die man sich gewünscht hatte.