von Nick Lüthi

The Good, The Bad & The Ugly LXXXV

SRF, NZZ, Tamedia

The Good – Wer fragt, erhält Antworten

Wie finden Sie unsere Berichterstattung zum Ukraine-Krieg? Das fragte SRF am letzten Dienstag auf seiner Website das Publikum. Und erhielt gegen 200 Antworten. Erwartungsgemäss fielen diese kontrovers aus. Neben Lob («gut und ausgewogen») und Kritik («zu einseitig»), die sich direkt an die Redaktion richten, entspinnt sich ein gesitteter Dialog unter den Diskussionsteilnehmenden (was auch an der Moderation liegt, die nicht jede unqualifizierte Wortmeldung durchlässt). Mit seinem Feedback-Aufruf hat SRF eine medienkritische Diskussion angestossen.

Nur: Was unternimmt SRF, damit aus diesem Forum etwas hervorgeht? Wenn es einzig einem Stimmungsbild dient, wäre das schade. Tristan Brenn (Bild), Chefredaktor SRF-Video, dämmt zu hohe Erwartungen ein. «Wir werden nie allen Bedürfnissen nachkommen können», so Brenn gegenüber der MEDIENWOCHE. Klar sei aber schon jetzt, dass man die Rückmeldungen zur Ukraine-Berichterstattung in Sendungen und Online-Formaten aufgreife. Dort können diese von neuem kommentiert werden: Feedback-Kultur und Medienkritik als permanenter Prozess.

The Bad – Gefühlte Wahrheiten

Wenn es darum ging, möglichst breite Resonanz auszulösen, dann haben die NZZ-Inlandredaktorinnen Christina Neuhaus und Katharina Fontana ganze Arbeit geleistet. Ihr Interview mit der Basler Geschichtsdozentin Andrea Franc sorgt seit der Veröffentlichung am vergangenen Mittwoch weitherum für Irritation, Kopfschütteln und Belustigung in den unterschiedlichsten Mischverhältnissen. Das Interview handelt von faulen Geisteswissenschafter:innen, die – auf Staatskosten ausgebildet – dann nur Teilzeit arbeiten und deshalb kaum Steuern zahlen. Frau Franc wirft dabei mit Polemik («Ist das überhaupt eine Ausbildung?») und Pauschalisierungen («Die Studenten vergeuden ihre Zeit») um sich, bleibt aber oft belegbare Fakten schuldig («Ich kann das nur intuitiv beantworten»).

Wenn Frau Franc als habilitierte Historikerin öffentlich so auftreten und wahrgenommen werden will, sei ihr das freigestellt. Wenn der Journalismus aber nicht als Korrektiv wirkt und die offensichtlichen Mängel in der Argumentation offenlegt, dann verfehlt er seine zentrale Aufgabe: In Interviews kann man auch kritisch nachfragen.

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The Ugly – Transparenz im grünen Gras

Bei der Diskussion um die Vermischung von Werbung mit redaktionellen Inhalten stand in den vergangenen Jahren das «Native Advertising» im Zentrum. Nach Kritik von Presserat und Medienschaffenden besserte sich die Deklaration und Erkennbarkeit des Werbeformats, das in der Form journalistischer Beiträge daherkommt. Heute sieht man öfter unmissverständliche Transparenzhinweise wie «Sponsored» oder «Anzeige». Diese Deutlichkeit vermisst man dagegen beim gesponserten Reisejournalismus.

So war im Dossier «Bahnreisen» der jüngsten «Sonntagszeitung» der Hinweis auf «eine Zusammenarbeit der SonntagsZeitung mit den SBB» schön diskret im grünen Gras des Titelfotos platziert, sowie im Impressum der Beilage, das eh nur Medienleute interessiert. Eine Hotelkette, die einen Artikel «unterstützt» hat, erhielt als Gegenleistung einen prominenten Hinweis auf eines ihrer Häuser ­– dargestellt als redaktioneller Reisetipp. Diese mangelnde Deklaration kratzt an Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit des Journalismus.

Aber auch Werbeformate, die als solche deutlich erkennbar sind, können dem Ruf schaden. Wenn zahlende Abonnent:innen beim Öffnen von «tagesanzeiger.ch» den Bildschirm komplett von einer Werbung verdeckt sehen, dann fühlen sie sich zu recht verschaukelt.

Leserbeiträge

Ueli Custer 28. Mai 2022, 12:12

The Ugly: Oh wie wahr. Aber der Trend zum Kollektiv-Selbstmord der Tagespresse scheint unaufhaltsam zu sein. Verleger sollten doch etwas mehr Hirn haben als Lemminge.

Ahmed Bitzius 01. Juni 2022, 11:00

„Päpstlicher als der Papst“, finde ich diese Kritik, wonach das Sponsoring dieses Nachtzug-Artikels verwerflich sei. Der Autor ist höchstwahrscheinlich einfach gratis hin und zurück gereist – kaum ein allzu grosses Vergnügen. Solange die Leserschaft nicht bereit ist, die wirklich anfallenden Kosten für die Presse/Medien zu bezahlen, muss man sich eben anderswie helfen. Eine Gratisreise (in einem nicht voll belegten Wagon) ist wahrscheinlich für die SBB u/o ÖBB immer noch billiger als ein Vierfärber-Inserat, das dann wiederum zu Kritik Anlass gäbe, der Autor sei nicht objektiv.

Also: Entweder zahlen die Leser:innen 15 Stutz pro Ausgabe, oder sie müssen eben das Sponsoring ertragen. Es gäbe dann auch noch die andere Variante: Hört man in der Reiseredaktion, dass diese Nachtreise-Züge überteuert/qualitativ schlecht oder sonstwie voller Dieb:innen seien, dann drängt sich eine kritische Reportage auf. Diese würde dann sicher auch nicht gesponsort. Aber im vorliegenden Fall ging es ja nur um Informationen und etwas Ambiente.