The Good, The Bad & The Ugly XCII
Schweizer Journalist:in, Medien zum Krieg, Stapo Uster
The Good – «Schweizer Journalist:in»: Auf die nächsten 100!
Letzte Woche ist die 100. Ausgabe der «Schweizer Journalist:in» erschienen, es ist gleichzeitig die letzte Ausgabe unter der Co-Chefredaktion von Samantha Zaugg und Charlotte Theile. Die beiden Journalistinnen geben das Amt nach etwas über einem Jahr wieder ab.
Zur Jubiläumsausgabe kann man aber dennoch gratulieren: Sie ist ein entzückender Rückblick auf die vergangenen 16 Jahre des Branchenmagazins inklusive einer Analyse der früheren Titelbilder. Die schienen damals ein bisschen frecher daherzukommen: Eine Ausgabe von 2016 etwa zierte eine nicht gerade vorteilhafte Nahaufnahme von Hanspeter Lebrument, den Text dazu lieferte die Reporterin Margrit Sprecher. Sie ist seit der Gründung Mitherausgeberin des Magazins. Lange hielten Männer die Zügel in der Hand: Auf Gründungschefredaktor Markus Wiegand folgten Kurt W. Zimmermann und David Sieber.
Das Magazin hat sich über die Jahre stark gewandelt, mit frischeren, abwechslungsreicheren Geschichten und dem – bis jetzt – finalen Paukenschlag, als der Titel gegendert wurde: Aus «Schweizer Journalist» wurde «Schweizer Journalist:in». Mit dem Abgang von Zaugg und Theile wird sich zwangsläufig auch die Handschrift des Magazins verändern. Hoffen wir, dass wir auch dem neuen Chefredaktor Marcus Hebein zu einem nächsten Jubiläum gratulieren dürfen.
The Bad – Medien zum Ukraine-Krieg: durchzogene Qualität
Am Donnerstag veröffentlichte das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft fög der Universität Zürich eine Studie zur Berichterstattung über den Ukraine-Krieg. Das fög hat 13 Onlinemedien aus der Deutschschweiz und der Romandie zwischen Januar und Mai 2022 analysiert. Insgesamt zieht die Studie eine positive Bilanz.
Blinde Flecken zeigten sich bei der geografischen Abdeckung der Berichterstattung: Neben der Ukraine und Russland spielten vor allem westliche Länder eine wichtige Rolle. Dass aber auch Länder im globalen Süden von den Auswirkungen des Kriegs betroffen sind, blieb weitgehend unbeleuchtet. Zudem seien viele Medien von Nachrichtenagenturen und anderen externen Quellen wie etwa Twitter abhängig, schreiben die Autor:innen. So beruhten 62 Prozent der Auslandsberichterstattung von Boulevard- und Pendlermedien auf Agenturmeldungen. Im Gegensatz zu Abonnementsmedien und dem öffentlichen Rundfunk haben diese Medien oft kein eigenes Korrespondent:innennetzwerk im Ausland. Des Weiteren wurden in 31 Prozent der Beiträge staatlich-militärische Quellen genutzt. «Gerade durch die Abhängigkeit von solchen externen Quellen besteht das Risiko, dass Narrative von Kriegsparteien unkritisch übernommen werden», wird Studienleiter Linards Udris in einer Mitteilung zitiert.
Unterstützen Sie unabhängigen und kritischen Medienjournalismus. Werden Sie jetzt Gönner/in.
Journalismus braucht Herzblut, Zeit – und Geld. Mit einem Gönner-Abo helfen Sie, unseren unabhängigen Medienjournalismus nachhaltig zu finanzieren. Ihr Beitrag fliesst ausschliesslich in die redaktionelle und journalistische Arbeit der MEDIENWOCHE.
The Ugly – Stapo Uster: geschmacklose Tweets
Am Montag berichtete die Stadtpolizei Uster auf Twitter über ihren Arbeitsalltag: «Während 12h twittern wir über Einsätze, Aufgaben & Eindrücke aus allen Bereichen der Stapo. Zeitnah & transparent», hiess es in der Ankündigung. Der Arbeitstag beginnt für die Polizist:innen um sechs Uhr morgens. Gut eine Stunde später haben sie geschafft, was sich Influencer:innen zum Ziel setzen: Maximale Zugriffszahlen wenige Stunden nach dem ersten Tweet. Die Ustermer Polizei dürfte sich das jedoch weder vorgenommen noch mit einem Shitstorm gerechnet haben. Eine Patrouille tweetete über einen Einsatz für das Betreibungsamt, man habe «einen Vorführbefehl vollstrecken und den Schuldner auf das Amt bringen» können. Besonders keck fragten die beiden Beamt:innen zum Schluss: «Wer freut sich schon nicht über einen frühmorgendlichen Besuch vom bewaffneten Briefträger?» Naja, wohl niemand, und dieser Meinung war auch die Twitter-Gemeinde: Witze auf Kosten mutmasslich armutsbetroffener Menschen seien «erbärmlich» und «ekelhaft», die Stapo Uster sollte sich schämen. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, ausser: Die Beamt:innen könnten sich eine Scheibe abschneiden, etwa von den Kolleg:innen der Stapo Zürich oder Winterthur. Die berichten auf Twitter neutral und nüchtern über aktuelle Einsätze – und treten nicht nach unten.
Christian Rentsch 16. Juli 2022, 23:40
Erstaunlich ist allerdings, dass man in den Schweizer Medien kaum etwas liest über Belarus, das faktisch dritte kriegsführende Land. Fragen gäbe es doch eine ganze Menge, etwa: Warum gibt es keine Sanktionen gegen Belarus, obwohl die erste erste russische „Angriffswelle“ gegen Kiew weitgehend von dessen Territorium aus erfolgte? Warum werden nicht auch die Vermögen weissrussischer Oligarchen im Umfeld von Lukaschenko blockiert? Warum analysieren und erklären uns die militär- und politstrategischen Experten nicht die Rolle von Belarus, die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Russland und Belarus? Warum fordern die Kommentatoren nicht, dass der Vasallenstaat Belarus nicht den gleichen Sanktionen unterliegt wie Russland?
Chris 18. Juli 2022, 16:03
Es gibt längst Sanktionen gegen Belarus. Aus einer Medienmitteilung des Bundesrates: „Die EU hatte am 2. und 9 März 2022 im Zusammenhang mit der Mitverantwortung von Belarus für die schweren Völkerrechtsverletzungen durch Russland in der Ukraine ihre Sanktionen gegenüber Belarus ausgeweitet. Der Bundesrat hat am 16. März 2022 beschlossen, sich diesen Massnahmen vollständig anzuschliessen. Dabei handelt es sich primär um Güter- und Finanzsanktionen. Diese sind sehr stark an die Massnahmen angelehnt, welche die EU und die Schweiz bereits gegenüber Russland verhängt hatten. Die Änderungen treten am 16. März um 12:00 Uhr in Kraft. Neu wird die Ausfuhr sämtlicher doppelt (zivil oder militärisch) verwendbarer Güter nach Belarus unabhängig vom Endverwendungszweck oder dem Endverwender verboten. Zusätzlich wird die Ausfuhr von Gütern, die zur militärischen und technologischen Stärkung von Belarus oder zur Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten, sowie bestimmter Maschinen untersagt. Im Zusammenhang mit diesen Gütern wird auch die Erbringung technischer Hilfe, die Vermittlung oder die Bereitstellung von Finanzmitteln verboten. Auch die Einfuhrverbote gegenüber Belarus werden ausgedehnt. Diese Verbote betreffen neu auch Holzprodukte, Produkte aus Kautschuk, Eisen und Stahl sowie Zement. Es ist verboten, öffentliche Finanzmittel oder Finanzhilfen für den Handel mit oder Investitionen in Belarus bereitzustellen. Weitere Massnahmen im Finanzbereich betreffen Wertpapiere, Darlehen sowie die Entgegennahme von Einlagen. Transaktionen mit der belarussischen Zentralbank sind nicht mehr erlaubt. Zudem werden gelistete belarussische Banken vom internationalen Kommunikationsnetzwerk SWIFT ausgeschlossen.“ (Die entsprechende Verordnung ist unter https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2022/172/de abrufbar)
Christian Rentsch 18. Juli 2022, 23:41
Lieber „Chris“. Sie haben völlig recht – mein Fehler. Ich lese offenbar die falschen Zeitungen. Meine Kritik betraf ja vor allem die Berichterstattung: In der NZZ laut SMD nichts, TA und srf.ch brachten eine resp. zwei kürzere SDA-Meldungen, ein klein bisschen mehr gab’s im Blick, 20Minuten,Watson, Cash etc. Aber keine Zeitung brachte, was sonst in solchen Fällen üblich ist, vertiefte Informationen, Analysen, Hintergründe, etwa über die Auswirkungen der Sanktionen auf die weissrussische Wirtschaft, über Sanktionen gegen weissrussische Oligarchen um Lukaschenko, etc. Einverstanden?
Victor Brunner 18. Juli 2022, 18:47
Was lernen wir von den beiden Frauen? Wenn es anspruchsvoll wird, nicht alles geht, schmeissen Frauen. Das gleich im Kosmos Zürich. etwas Gegenwind und schon verabschieden sich die Frauen.