The Good, The Bad & The Ugly XCV
Klimajournalismus, Elektroschrott, Lobbyplattform
The Good – Schub für Klimajournalismus
Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht er? Die «Republik» schafft ein Klimalabor und holt David Bauer für die Leitung. Damit reiht sich das unabhängige Online-Magazin in die zunehmende Zahl jener Medien ein, die den Herausforderungen des Klimawandels das angemessene Gewicht beimessen wollen. «Die Klimakrise ist in ihrer Monstrosität auch eine Krise für den Journalismus», schreibt die «Republik». Für die Bewältigung dieser doppelten Krise will man zusammen mit dem Publikum die passenden publizistischen Produkte entwickeln; passend im Sinn von: «klar, verlässlich, brauchbar».
Wenn es jemanden gibt, der dieser anspruchsvollen Aufgabe gewachsen ist, dann David Bauer. Von seinen bisherigen beruflichen Stationen, etwa als Leiter Visuals der NZZ oder zuletzt beim Start-Up Refind, bringt der ausgebildete Journalist die besten Voraussetzungen mit für die Leitung des Klimalabors.
Zu einem Erfolg kann das neue Projekt insbesondere dann werden, wenn die «Republik» nicht nur jene erreicht, die sowieso schon ein grösseres Bewusstsein für das Ausmass der Krise haben. Ein Mangel, den Sara Schurmann, Gründerin des Netzwerks Klimajournalismus, in einer aktuellen Bestandsaufnahme beobachtet hat.
The Bad – Katalogware für treue Kundschaft
Als Abonnent, der einen anständigen Preis zahlt für eine (zumeist auch) anständig gemachte Zeitung, weiss man es grundsätzlich zu schätzen, wenn sich der Verlag dafür ab und zu erkenntlich zeigt. Allerdings kommt es darauf an, wie er das macht. Ein geschenktes Quartal nach zehn Jahren Abo-Dauer wäre zum Beispiel eine angemessene Treueprämie. Nicht so bei Tamedia.
Der Zürcher Zeitungsverlag bietet seiner treuen Kundschaft lieber vergünstigte Produkte aus einem Versandkatalog an. Vom «Brillenset mit auswechselbaren polarisierenden Brillengläsern» über die «Feuerkugel Erde RUSTY» für den Garten bis zur Skulptur «Einstein-Kopf mit goldener Zunge» findet man hier alles, was niemand braucht.
Auf Anfrage zeigt sich Tamedia zufrieden mit dem T-Store. «Die Umsätze entsprechen den Erwartungen», teilt Sprecher Philip Kuhn mit. Es gibt also tatsächlich Menschen, die dort einkaufen.
Für Kopfschütteln sorgte Tamedia diese Woche mit einem ganzseitigen Inserat im «Bund» für allerlei Stromfresser aus dem Versandkatalog: ein Heizstrahler, ein Raumentfeuchter, ein Wasserkocher – was man gerade so braucht in einer sich anbahnenden Energiekrise. Tamedia will damit nichts zu tun haben. «Die angebotenen Produkte werden nicht von Tamedia sondern den beteiligten Handelsfirmen zusammengestellt», erklärt Sprecher Kuhn.
Wenn es schon etwas aus diesem Katalog sein müsste für die stromknappe Zeit, dann wenn schon die Solarlaterne und der Puzzle-Tisch.
The Ugly – Plattform für angeschlagenes Unternehmen
Der chinesische Telekommunikationskonzern Huawei steht unter Druck. Sein Unternehmen kämpfe ums «Überleben», hielt CEO Ren Zhengfei kürzlich in einer internen Notiz fest. Als einen der Gründe nannte der 77-Jährige die «Blockade durch die USA». Neben den USA haben zahlreiche andere Staaten, von Kanada über Schweden bis Japan, das chinesische Unternehmen vom Ausbau des Mobilfunkstandards 5G ausgeschlossen, aus Sorge vor chinesischer Spionage.
Auch in der Schweiz mehren sich Stimmen, die einen restriktiveren Umgang mit Huawei fordern. Da kann es dem chinesischen Konzern nur gelegen kommen, wenn er sich auf einer prominenten Plattform im besten Licht darstellen kann. Als einer von vier Hauptpartnern (neben Google, APG und Ringier) der von Digitalswitzerland organisierten Digitaltage erhält Huawei derzeit eine grosse Bühne. Im Magazin zur Veranstaltungsreihe, das Ringier verantwortet und mehreren seiner Publikationen beiliegt, kann sich der umstrittene Konzern in verschiedenen Formen artikulieren: Mit Inseraten für hippe Consumer-Produkte wie kabellose Kopfhörer, aber auch mit einem «Global Connectivity Index von Huawei» der in einem redaktionellen Beitrag als Quelle erscheint. Abgerundet wird der Auftritt mit einer fünfseitigen Publireportage, wo Huawei darlegen darf, wie das Unternehmen unser aller Leben besser machen will.
Auf die Frage der MEDIENWOCHE, ob es die Absicht von Ringier und Digitalswitzerland sei, einem Unternehmen den roten Teppich auszurollen, das politisch und wirtschaftlich stark unter Druck steht, antwortet eine Sprecherin dermassen nichtssagend, dass sich eine Wiedergabe des Statements erübrigt.