von Nick Lüthi

The Good, The Bad & The Ugly CIV

Süss-Podcast, Wirtschaftsformat, Strom sparen

The Good – Theorie kann auch Praxis

Der Vorwurf ist jeweils schnell zur Hand, wenn sich die Medienwissenschaften kritisch zum Journalismus äussern: Die haben noch nie eine Redaktion von innen gesehen und wissen gar nicht, wie das Handwerk geht. So falsch der Vorwurf im Allgemeinen, so falsch ist er im Speziellen. Und speziell ist der Podcast «60 Jahre Daniel Süss» alleweil. Zum runden Geburtstag des ZHAW-Professors für Medienpsychologie setzen sich Weggefährtinnen, befreundete Wissenschaftler, aber auch seine Töchter ans Mikrofon und besprechen zusammen die vielseitigen Facetten des Forschers und Menschen Daniel Süss.

Wer nun Personenkult vermutet, liegt falsch. Auch wenn die Person als Dreh- und Angelpunkt des Podcasts dient, steht ihr Handeln und Wirken im Zentrum. So erfährt man etwa die Geschichte der Jugendmedienstudie JAMES, die Süss vor zwölf Jahren mitinitiiert hatte und die sich seither zu einem wichtigen zentralen Forschungsprojekt in dem Bereich entwickelt hat. In einer anderen Episode erfährt man von seinem Einsatz als Spezialoffizier, der den Chef der Schweizer Armee in kommunikativen Fragen beraten hatte. «Ein zurückhaltender, ruhiger Mensch, aber sehr pointiert in den Aussagen», erinnert sich jemand, der mit ihm in dieser Rolle zu tun hatte.

Insgesamt erweist sich der Podcast als originelle Hommage an diesen «Mann des gepflegten Diskurses», wie er an einer Stelle genannt wird. Und die Schweizer Medienforschung zeigt damit gleich auch noch, dass sie in zumindest in Sachen Podcast mit den von ihr beobachteten Medien durchaus mithalten kann.

The Bad – Wirtschaft ohne Format

Dem Spar- und Reformprogramm bei Schweizer Radio und Fernsehen SRF fiel neben einer Reihe anderer Sendungen auch das Wirtschaftsmagazin ECO zum Opfer. «Mit den freiwerdenden Ressourcen stärkt SRF unter anderem die digitale Wirtschaftsberichterstattung», hiess es vor zwei Jahren. Das geschieht verstreut über alle Plattformen und Kanäle, als «Teil der regelmässigen Berichterstattung», wie SRF auf Anfrage mitteilt. Ein neues, digitales Format für ein jüngeres Publikum gibt es für Wirtschaftsthemen weiterhin nicht – und wird es auch nicht geben, wie SRF auf Anfrage der MEDIENWOCHE bestätigt.

Wer ECO vermisst, kann sich nun bei der Konkurrenz umsehen. Diese Woche brachte SAT.1 Schweiz die erste Ausgabe des neuen Wirtschaftsmagazins «NextIn Business». Wie das früher ECO auch gemacht hätte, nahm die Sendung den boomenden Zweig der Lebensmittelhersteller unter die Lupe, die pflanzenbasierte Fleisch- und Milchersatzprodukte herstellen.

Dass es Medien weiterhin für sinnvoll erachten, Wirtschaftsthemen in eigens dazu geschaffenen Gefässen gebündelt darzureichen, zeigt nicht nur SAT.1. Das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS gab kürzlich die Lancierung von gleich drei neuen Wirtschaftsformaten in den nächsten Wochen und Monaten bekannt.

The Ugly – (K)eine Selbstverständlichkeit

Un train peut en cacher un autre, warnen Schilder auf Frankreichs Bahnhöfen. Wie ein Zug einen anderen verdecken kann, verbirgt sich hinter einer guten Nachricht oft eine zweite, weniger schöne Botschaft. So teilte diese Woche die auf Bildschirmwerbung im öffentlichen Raum spezialisierte Firma Livesystems mit, dass sie seit dem 1. Oktober die Mehrheit ihrer Screens in der Nacht auf Standby setze. Damit spare man 30 Prozent des Stroms. Die tun was!

Nur: Wenn sich die Bildschirme problemlos auf Standby setzten lassen, dann verbrauchten sie vorher unnötigerweise zu viel Strom. Eine Sprecherin präzisiert auf Anfrage der MEDIENWOCHE: «Die Bildschirme liefen bisher aber nicht 24/7 Stunden im Vollbetrieb.» Wenn Livesystems weiter schreibt, die Massnahmen hätten nur sehr geringe Auswirkungen auf die Werbekunden, dann fragt man sich umso mehr, warum das Unternehmen erst jetzt handelt.

Was für jeden Menschen seit jeher normal erscheint, dass man beim Verlassen des Büros das Licht löscht, den Computer herunterfährt und die Kaffeemaschine ausschaltet, gilt für Firmen offenbar erst dann, wenn es richtig teuer zu werden droht.