Audio-Plattform sonum.fm: Jukebox mit drei exklusiven Radio-Klassikern
Ein halbes Jahr nachdem sie Radio SRF abgesetzt hat, erklingen drei Musiksendungen seit dieser Woche wieder in alter neuer Frische: «Rock-Special», «Reggae-Special» und «Sounds!» gibt es unter neuen Namen exklusiv auf sonum.fm. Die Audio-Plattform versucht Live-Radio und Podcasts zu einem neuen Hörerlebnis zu verschmelzen.
Sogar die Wochentage sind die gleichen geblieben. Am Dienstag beschallt einen das «Peng Peng Radio» von Lukie Wyniger mit Reggae aus aller Welt und seinen Geschichten aus Jamaika. Am Mittwoch hält Dominic Dillier eine geballte Ladung Rockmusik bereit unter dem Label «Rock ist tot». Und am Donnerstag präsentieren die Radio-Urgesteine Urs Musfeld, Matthias Erb und Sabine Renz neue Popmusik abseits des Mainstreams. Ihre Sendung nennen sie «Hounds!», eine Verballhornung von «Sounds!».
Als Radio SRF 3 im letzten Frühling bekannt gegeben hatte, sein Abendprogramm umzugestalten und die langjährigen Musik-Specials abzuschaffen, respektive in das zeitlich und inhaltlich ausgebaute «Sounds!» zu integrieren, regte sich schnell Kritik an diesem Entscheid. Doch anders als in ähnlichen Situationen blieb es im Fall der abgeschafften Musiksendungen nicht bei einer Online-Petition, die irgendwann ergebnislos im Netz versandet. Auf der Audio-Plattform «sonum.fm» fanden die ehemaligen SRF-Sendungsmacher eine neue Heimat. Seit dieser Woche gibt es dort (und nur dort) die alten neuen Sendungen im Wochentakt zu hören.
Radiostreams und Podcasts lassen sich auf einer einzigen Plattform zu einem personalisierten Programm zusammenführen.
Mit «sonum.fm» unternimmt der Basler Verein Radiolab den Versuch, ein lineares und zeitversetztes Audio-Angebot in eine einzige Hörlogik zu bringen. Als eine der treibenden Kräfte dahinter wirkt Dominik Born. Bei der SRG machte er sich hauptberuflich Gedanken zur Radiozukunft, als Innovationsmanager der Industriellen Werke Basel IWB bleibt Radio, und insbesondere «sonum.fm», sein grosses Hobby. Besonders die Frage nach dem idealen Hörerlebnis bei einer schier endlosen Auswahl an Tonquellen treibt ihn um. «Egal ob Radio oder Podcast, ich will das beste aus beiden Welten», sagt Dominik Born. «sonum.fm» schafft dafür die Voraussetzungen. Radiostreams und Podcasts lassen sich auf einer einzigen Plattform zu einem personalisierten Programm zusammenführen.
Die Grundidee zu «sonum.fm» stammt von einem Prototypen, den Born während seiner Zeit bei der SRG entwickelt hatte: Programme und Sendungen aller SRG-Radios liessen sich auf «diy.fm» (steht für Do-it-yourself-Radio) frei kombinieren, beispielsweise das Musikprogramm von «Couleur 3» mit den deutschsprachigen Nachrichten von SRF 1. Die SRG fand für das preisgekrönte Konzept keine Verwendung. Für den Aufbau von «sonum.fm» kaufte Born der SRG die Rechte an seiner früheren Entwicklung ab und baute die Plattform aus.
Als zentrale Funktion betrachtet Born den Skip-Button. Wem die aktuelle Podcastfolge, die laufende Radiosendung oder das gespielte Musikprogramm nicht gefällt, drückt auf die Pfeil-Taste und erhält eine andere Tonquelle serviert aus dem Universum, das man zuvor selbst definiert hat. Den idealen Anwendungsfall sieht Dominik Born mit einem Smartspeaker. Mit dem einfachen Sprachbefehl «Skip!» oder «Weiter!» könne man sich durch sein Programm bewegen, ohne auf einem visuellen Interface rumdrücken zu müssen.
Mit zunehmender Nutzung empfiehlt einen die Plattform weitere Tonquellen, die zum eigenen Profil passen könnten.
Im Vergleich mit einer Streamingplattform wie Spotify, wo man zielgenau nach seiner geschmacklichen Vorliebe einen Podcast, eine Playlist oder eine Platte auswählt, erfordert der Einsteig bei «sonum.fm» etwas Geduld. Nach der Anmeldung auf «sonum.fm» wählt man aus, was einen alles gefällt. Zur Auswahl stehen Themen und Abspielfrequenzen für Wort- und Nachrichtenformate, sowie Musikstile und Senderprofile der Radios.
Als exklusives Angebot stehen die drei neuen Musikpodcasts der ehemaligen SRF-Radioleute bereit. Mit zunehmender Nutzung empfiehlt einen die Plattform weitere Tonquellen, die zum eigenen Profil passen könnten. «Das geschieht zum Teil händisch oder mit einfachen Algorithmen», erklärt Born. «Aber mit Künstlicher Intelligenz hat das nichts zu tun.»
«Beim Onboarding müssen wir gewisse Abstriche machen», gesteht Dominik Born. «Wir bieten auch nicht von Anfang an das passende Angebot.» Was auch daher rührt, dass «sonum.fm» keinen Einblick in Social-Media-Profile verlangt, um dort persönliche Vorlieben zu erschnüffeln. Nach dem geleisteten Initialaufwand bleibt immer noch weitgehend unbekannt, was wann genau gespielt wird, wenn man «sonum.fm» aktiviert. So gesehen liegt die Plattform näher beim klassischen Radio als bei einer Mediathek oder einer Streamingplattform.
Bleibt schliesslich die Frage nach dem Geld. Eine Anschubfinanzierung für den Aufbau der Plattform von «sonum.fm» leisteten drei Stiftungen. Ein Crowdfunding im vergangenen Frühjahr brachte zudem gut 70’000 Franken zusammen. Dieses Geld trug dazu bei, die ehemaligen Musik-Specials und das alte «Sounds!» von Radio SRF weiterleben zu lassen. Die Sendungsmacherinnen und -macher arbeiten ehrenamtlich. Geld kostet indes die Abgeltung der Urheberrechte. Um welchen Betrag es sich handelt, den «sonum.fm» den Verwertungsgesellschaften für die rechtmässige Verwendung von Musik in den drei On-Demand-Angeboten zahlt, sagt Dominik Born nicht im Detail. Nur so viel: «Ein Hobby-Podcaster könnte es sich schlicht nicht leisten.»
Bis jetzt konnte es sich nur die SRG leisten, Musiksendungen zum zeitversetzten Abruf bereitzustellen.
So gesehen handelt es sich bei «Peng Peng Radio», «Rock ist tot» und «Hounds!» um eine Rarität, wenn nicht sogar um eine Premiere in der schweizerischen Audiolandschaft. Bis jetzt konnte es sich nur die grosse und gebührenfinanzierte SRG leisten, Musiksendungen wie «Sounds!» oder «Diskothek» neben der Ausstrahlung im linearen Radioprogramm auch zum zeitversetzten Abruf bereitzustellen. Obwohl mit dem Medium Podcast Musikfans auf geradezu ideale Weise ihre Leidenschaft mit anderen teilen könnten, setzen die urheberrechtlichen Rahmenbedingung und die daraus entstehenden Kosten klare Grenzen.
Die Nachhaltigkeit dieser Pioniertat steht und fällt mit der Bereitschaft des Publikums ins Portemonnaie zu greifen und diese Form von unabhängigem Musikjournalismus regelmässig zu unterstützten. Dem ehemaligen «Reggae Special»-Moderator und neuen Macher von «Peng Peng Radio» Lukie Wyniger scheint das neue Setting zu behagen. «Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Radio schon immer von zu Hause aus gemacht. Es ist viel entspannter so.» Das gilt auch für den Hörer, so ganz ohne Verkehrsmeldungen und Einschaltungen aus den Sportstadien.