von Nick Lüthi

The Good, The Bad & The Ugly CVI

Journalist:in des Jahres, Bajour-Newsletter, Schnüffel-«Reporter»

The Good – Wir sind Journalist:innen des Jahres!

Christian Zeier hat gezählt: «Das Magazin Schweizer Journalist:in hat dieses Jahr 483 (Zählfehler vorbehalten) Personen zur Wahl der/des Schweizer Journalist:in des Jahres ‹nominiert›», schrieb der selbst schon mehrfach ausgezeichnete Reporter auf Twitter.

Tatsächlich stehen in diesem Jahr so viele Journalist:innen zur Wahl wie noch nie. Allein 46 Namen umfasst die Kategorie für die beste Chefredaktorin, den besten Chefredaktor. Man fragt sich verwundert: Gibt es überhaupt noch so viele Publikationen? Wahrscheinlich hat die Vorjury ihre Arbeit als Nominationsgremium nicht sauber erledigt. Anstatt einer Shortlist gibt es nun eine Ultra-Longlist.

Eigentlich spielt es keine Rolle, wie das Verfahren genau aussieht, solche Rankings sind immer nur eine Spielerei und dienen dem Veranstalter als Werbeinstrument. Doch diesmal zeitigt die Veranstaltung immerhin ein paar erfreuliche Effekte. So erfährt man von Kolleg:innen, deren Namen man noch nie gehört hat. Oder wüssten Sie etwa, wie die Chefredaktorin von «Blue News» heisst? Und schliesslich zeigt die breite Auswahl vor allem eines: Eigentlich sind wir alle ein bisschen Journalist:innen des Jahres.

The Bad – «Bajour» und der (doch nicht ganz) Gratis-Newsletter

Der Ton ist ruppig und unfreundlich: «Wir haben es jetzt glaubs begriffen. Du willst nicht ‹Bajour›-Member werden. Deshalb wollen wir heute auch nicht.» So begrüsste das Basler News-Portal in seinem «Basel Briefing» diese Woche einen Teil seines Publikums. Wer den Newsletter nicht direkt in den Papierkorb beförderte und doch noch etwas weiterscrollte, erhielt die Auflösung: «Ok, kleiner Scherz.» Das tägliche Briefing bleibe natürlich gratis. Aber wer es sich leisten könne, solle doch zahlen. Verständlich. Journalismus kostet. Aber wenn ein Newsletter als «unabhängig und kostenlos» angepriesen wird, dann möchte sich nicht anpampen lassen, wer den Aussagen der Eigenwerbung vertraut. Erst recht nicht, wenn gleichzeitig bekannt wird, dass Bajour für weitere drei Jahre Stiftungsgelder erhält.

Das Beispiel von Bajour weist aber auf ein allgemeines Dilemma im Umgang mit redaktionellen Newslettern hin. In vielen Fällen dienen sie als Köder, die das Publikum an ein kostenpflichtiges Angebot heranführen sollen. Oft befriedigt aber schon der Newsletter allein das Informationsbedürfnis, so dass es keinen Grund mehr gibt, für das Kernprodukt Geld auszugeben.

The Ugly – SRF irritiert mit Schnüffel-«Reporter»

Die Konstellation in der aktuellen Folge von SRF-«Reporter» wirkt eigentlich sympathisch: Da porträtiert ein Sohn als Fernsehreporter seinen Vater, der seit über 30 Jahren als Privatdetektiv arbeitet (siehe Bild). Tatsächlich erhält man dank der Familienbande exklusive Einblicke in eine sonst sehr verschwiegene Branche.

Doch die Nähe erweist sich auch als Nachteil. Im halbstündigen Porträt geht es prominent um einen Auftrag, bei dem der professionelle Schnüffler im Auftrag eines Manns die Adresse von dessen Ex-Geliebter herausfinden soll – und das, obwohl der Mann mit einem Kontaktverbot belegt ist. Was auch heisst: Der Privatdetektiv leistet in dem Fall Beihilfe zum Stalking. Er wolle bei diesem Auftrag «schon auf der sauberen Seite» bleiben, sagt der Porträtierte und scheint nicht zu merken, dass er diese eigentlich schon mit Annahme des Auftrags verlassen hat.

Der Sohn verzichtet darauf, dieses übergriffige Berufsverhalten seines Vaters fachlich einzuordnen. Das irritiert umso mehr, als dass der Reporter mit mehreren Fachleuten spricht. Die äussern sich zwar zu spezifischen Überwachungstechniken und allgemein zum schlechten Ansehen von Privatdetektiven, aber ausgerechnet der heikle und prominent präsentierte Stalking-Auftrag kommt nicht zur Sprache.

SRF hofft nach eigenen Angaben, dass sie mit dem Film «das Thema Stalking ins Bewusstsein rücken konnten». Das ist gelungen. Aber auf eine bedenkliche Art.