AUF DEM RADAR

Täglich lesen, was die Medien bewegt.
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Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

«Und was ist Ihre Agenda?»

Nach drei Monaten Forschungsaufenthalt in Deutschland zieht der New Yorker Journalismus-Professor Jay Rosen Bilanz. Dazu sprach er mit 53 Medienschaffenden auf allen Stufen, quer durch alle Redaktionen. Seine Sicht auf den real existierenden deutschen Journalismus und seine Herausforderungen schliesst er mit einer einfachen Empfehlung, wie dem Vertrauensverlust begegnet werden könnte: «Ich werde derjenigen deutschen Redaktion eine Goldmedaille verleihen, die als erste ihre Schwerpunkte in der Berichterstattung öffentlich macht. Ich stelle mir eine Live-Funktion vor, die online frei zugänglich ist, ein redaktionelles Produkt, das wöchentlich oder bei wichtigen Ereignissen aktualisiert wird. Die Punkte auf dieser Prioritätenliste sollten das Ergebnis gründlicher Überlegungen und sorgfältiger Recherchen sein – und natürlich müssen sie die Realität spiegeln und bei den Bürgern ankommen.» Frage dann jemand, «und was ist Ihre Agenda», antworte man einfach mit dieser Liste.

Der Anfang vom Ende der Schweizer TV-Sport-Insel

Ab der bald anbrechenden Spielzeit der Fussball-Champions-League gibt es nicht mehr alle Partien mit Schweizer Beteiligung im Free-TV, sprich: auf den Kanälen der SRG, zu sehen. So kommt es, dass die Partie Juventus Turin gegen die Berner Young Boys nur im Bezahlfernsehen gezeigt wird. Da ist so, weil sich Teleclub (Swisscom) die Übertragungsrechte der Spiele gekauft hat und diese nun monetarisieren will. Die SRG kriegt derweil noch ein paar Brosamen, wie lange weiss niemand. Peter B. Birrer kommentiert dazu in der NZZ lapidar: «Mit etwas Verzug erreicht der banale Mechanismus die Insel Schweiz, der in grossen Fussballmärkten seit Jahren die Preise in die Höhe treibt.»

Sie haben sich durch Zürichs Nächte getrunken

Nach zwölf Jahren endet im Zürcher Tages-Anzeiger die Rubrik «Wir trinken Zürich». Nach dreissig Folgen und ebenso vielen Nächten, welche die «Bellevue»-Truppe des Tages-Anzeigers gemeinsam trinkend verbracht hatte, ist Schluss. Noch einmal wird getrunken und in Nostalgie geschwelgt. Was das Spezielle an WTZ für die Autoren selbst ausmachte, bringt Marcel Reuss auf den Punkt: «Das Gefühl, Teil einer kleinen grossen Band gewesen zu sein, deren Instrumente gefüllte Gläser und Worte waren.»

Journalismus in der vernetzten Wohnung

Könnte nicht ein Service, der den Badezimmerspiegel bespielt, eine Nachrichtensendung in der Länge des Zähneputzens produzieren? Antworten auf diese und ähnliche Fragen sucht seit ein paar Jahren Marco Maas. Im Kern geht es um dieses Postulat: Die richtige Nachricht, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort. Leisten kann das ein «Ambient Journalism», der als Gesamtkonzept noch weitgehend utopische Züge trägt. Verschiedene Experimente können aber glaubhaft aufzeigen, wohin die Reise geht.

Weitere Beiträge dieser Woche

Eine kurze Geschichte der Telefonkabine in der Schweiz

In den nächsten Jahren werden die Telefonkabinen komplett aus dem öffentlichen Raum verschwunden sein. Seit diesem Jahr ist die Swisscom nicht mehr verpflichtet, die Publifone zu unterhalten. In einer «Art Nachruf» rekapituliert der Medienhistoriker Juri Jaquemet im Blog des Nationalmuseums die Geschichte dieser «Leitfossilien der Festnetztelefonie», wie er die Telefonkabinen nennt. Von den Anfängen im 19. Jahrhundert, als öffentliche Sprechstellen den ersten und einzigen Zugang zur Telefonie boten, über die ersten freistehenden Telefonkabinen in den 1930er-Jahren, den Boom in der Nachkriegszeit, bis zum unaufhaltsamen Niedergang mit dem Aufkommen der Mobiltelefone, zeichnet Jaquemet die Geschichte der Telefonkabine in der Schweiz detailliert und reich illustriert nach.

Einblicke in die Transformation des «Spiegel»

Der Chefredaktor des «Spiegel» muss nicht nur eine Redaktion führen, sondern gleichzeitig den digitalen Umbau des Unternehmens vorantreiben. Klaus Brinkbäumer ist an dieser Doppelaufgabe gescheitert und wurde entlassen. In der «Zeit» beschreibt Götz Hamann kenntnisreich das Innenleben des «Spiegel» und zeigt, wie komplex die Herausforderungen sind, ein traditionsreiches Medienhaus in die digitale Gegenwart zu führen. Ernsthaft Sorgen zu machen um den «Spiegel», braucht man sich aber offenbar nicht. Denn, so schreibt Hamann: «Blickt man auf die vergangenen Jahre, dann liefert der Spiegel-Verlag einen Beweis nach dem anderen dafür, wie robust er ist. Denn die Organisation hat bisher alles überstanden, vier Chefwechsel in zehn Jahren und auch die Anzeigen- und Auflageneinbrüche.»

Der historische Essay: zum Ende der «Frankfurter Zeitung» 1943

Vor 75 Jahren, am 31. August 1943, erschien die letzte Ausgabe der «Frankfurter Zeitung». In den fast neunzig Jahren seit ihrer Gründung im Jahr 1856 war die FZ zu einer der angesehensten und einflussreichsten deutschen Zeitungen geworden. Doch 1943 war «der Untergang der Freiheit in Deutschland besiegelt», wie sich die damalige FZ-Redaktorin Elisabeth Noelle-Neumann (1916-2010) in einem Essay in der FAZ im Juni 2002 erinnerte. Später wurde Noelle-Naumann bekannt als Leiterin des Instituts für Demoskopie Allensbach.

Gelöschte Lösch-Doku oder Youtube beisst sich in den Schwanz

Kürzlich haben wir an dieser Stelle die aktuelle Arte-Doku «The Cleaners» über die harte Arbeit der Content-Moderatoren auf den Philippinen empfohlen, die im Auftrag von Youtube und Facebook unerwünschte Inhalte auf den Online-Plattformen löschen. Arte wollte seinen Film auch auf Youtube bewerben und stellte dazu einen Trailer bereit. Doch es dauerte nicht lange, bis das kurze Video entfernt wurde. Grund dafür sei angeblich schockierendes Bildmaterial, war das Einzige was Youtube dazu mitzuteilen hatte. Haben also die selben überforderten Niedriglohnkräfte, von denen die Dokumentation handelt, mal wieder zu schnell auf den Knopf gedrückt, fragt Alexander Fanta auf Netzpolitik.org, Oder war es eine automatisiertes System, das den Trailer aussortierte? Der betroffene Sende Arte weiss es auch nicht, Youtube schweigt zum Vorgang.