AUF DEM RADAR

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Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

«Das ist eine grosse Aufgabe»

In absehbarer Zeit werden die Regionalzeitungen der NZZ-Mediengruppe und der AZ-Medien unter einem gemeinsamen Mantel erscheinen. Das müsse nicht in einen Einheitsbrei münden, wie viele Kritiker befürchten, argumentiert Pascal Hollenstein, der die publizistische Verantwortung für das Joint Venture tragen wird. Bedingung dafür sei es aber, dass der spezifische regionale Blickwinkel der einzelnen Blätter erhalten bleibt: «Ein Mantel ist immer nur so gut, wie die Zeitung auch Regionales transportiert, und zwar im weiteren Sinn. Der spezifisch regionale Blick auch auf die Bundespolitik, auf die nationale Wirtschaft, auf Kultur und Sport muss erhalten, ja gestärkt werden.» Das sei aber eine grosse Aufgabe, so Hollenstein weiter. In der Tat. Und genau daran wird das Publikum den Erfolg des Zeitungszusammenschlusses messen.

Übertriebene Furcht vor übertriebenen Bussen

Die Verunsicherung vieler Blogger angesichts der neuen europäischen Datenschutzbestimmung sei übertrieben und letztlich unbegründet, schreibt der Jurist und Verwaltungsrichter Malte Engeler in einem Gastbeitrag für Netzpolitik.org. In den letzten Tagen, nach Inkrafttreten der sogenannten Datenschutzgrundverordnung DSGVO, haben in Deutschland hunderte von Blogs und Foren vorübergehend (?) dicht gemacht. Die meisten taten dies aus Furcht für exorbitanten Bussen im Falle einer Widerhandlung gegen die neuen Regeln. Tatsächlich sieht die DSGVO Bussgelder von bis zu 20 Millionen Euro vor. Jurist Engeler gibt aber zu bedenken, dass sich deshalb die Vollzugspraxis kaum ändern werde, zumal auch hier das Gebot der Verhältnismässigkeit gilt: «Dass auf die bisherige Ära der Zurückhaltung nun die Zeit der Überreaktion folgt, ist dabei angesichts der weitgehend unveränderten Personalausstattung und strategischen Ausrichtung der meisten Behörden wahrlich nicht das naheliegende Szenario.»

Smart Speaker: Google hat die Nase vorn

Bisher sah es danach aus, als hätte Amazon mit seinem «intelligenten» Lautsprechersystem Alexa die Nase vorn. Nun hat Google in diesem Frühjahr offenbar erstmals mehr seiner Sprachassistenten verkauft als die Konkurrenz. Das habe indes weniger mit der Qualität des Angebots zu tun: «Die Händler neigen dazu, den Google Lautsprechern gegenüber Amazon den Vorzug zu geben, weil Amazon ja ein direkter Konkurrent von ihnen ist», zitiert businessinsider.de den Branchenanlysten, der die aktuellen Zahlen erhoben hat.

Wegen Erdoğan-Cover: Schlagzeilenaushang unter Polizeischutz

Die aktuelle Titelgeschichte des französischen Nachrichtenmagazins «Le Point» erzürnt einen Teil der türkischen Gemeinde Frankreichs. Auf dem Cover prangt das Antlitz von Recep Tayyip Erdoğan unter der Schlagzeile «Der Diktator». In einem Vorort von Avignon zwangen Erdoğan-Sympathisanten einen Kioskmitarbeiter den Aushang zu entfernen. Auf Geheiss des lokalen Bürgermeisters sorgten Polizeikräfte dafür, dass die Werbung für das Heft wieder an seinen Platz kam.

Weitere Beiträge dieser Woche

Er glaubt wie kein Zweiter an die Zukunft gedruckter Zeitungen

Tyler Brûlé ist in Zürich angekommen. Der kanadische Magazinmacher und «Monocle»-Herausgeber hat im noblen Seefeldquartier jüngst Redaktionsbüro, Shop und Bar eröffnet. Im Gespräch mit Claudia Schmid geht es um die Marke «Monocle» und um die Frage, warum die auf Papier so gut funktioniert. Gerade für Luxusmarken sind gedruckte Medien weiterhin eine begehrte Werbeplattformen. Für sie hat Brûlé mit seinem Magazin ein ideales Umfeld geschaffen: «Ist es nicht viel attraktiver, wenn eine Zeitung einfach auf einem Tisch liegt oder im Zug aufgeklappt wird und man so Anzeigen für Taschen und Uhren sieht, als wenn man ständig am Bildschirm mühsame Werbebanner wegklicken muss?»

Die neuen Datenschutzregeln setzen kleine Unternehmen unter Druck

Die Profiteure der neuen Datenschutzregeln, die heute in allen EU-Ländern in Kraft treten, heissen Google und Facebook. Kleine Anbieter würden vom Markt verdrängt, glaubt der Münchner Unternehmer Mark Al-Hames, der mit Cliqz einen Datenschutz-freundlichen Browser anbietet. Ins gleiche Horn stösst auch der Wiener IT-Rechtler Axel Anderl: «Wenn ich ein Produkt habe, das sehr nachgefragt ist, werde ich die Zustimmung natürlich leichter bekommen als ein kleines Unternehmen.» Und die Dienste von Google und Facebook sind nun mal gefragt und werden von vielen Leuten für unverzichtbar gehalten.

Disney verschläft das Streaming-Geschäft

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, soll einmal eine berühmte Persönlichkeit gesagt haben. Diese Erfahrung macht nun gerade Disney, lange das wertvollste an der Börse gehandelte Medienunternehmen. Gestern musste der Mickey-Mouse-Konzern den Spitzenplatz für einen kurzen Moment an den Streaminganbieter Netflix abgeben. Bei Börsenschluss war dann die historische Rangordnung wieder hergestellt. Dass sich Disney von Netflix bedrängt sieht, hat massgeblich damit zu tun, dass Disney immer noch kein Streamingangebot bereithält; immerhin ist für nächstes Jahr ist eines angekündigt.

Ein Sinnbild für den Medienwandel

Sechzig Jahre lang stand ein 122 Meter hoher Sendemast auf der Jurahöhe La Barillette über dem Genfersee und versorgte den Grossraum Genf mit Radioprogrammen. Gestern Abend wurde das Stahlmonster gesprengt. Innert Sekunden lag es am Boden. Der Sendestandort bleibt erhalten, aber die Anlagen werden insgesamt kleiner. Swisscom Broadcast, die Betreiberin der Anlage, schreibt dazu: «Während die Leistung moderner Sendetechnologien immer grösser wird, kommen die Sendeanlagen mit immer weniger Platz und Energie aus.»