AUF DEM RADAR

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Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

China beschneidet Schweizer Pressefreiheit

«Le Temps» darf Bundesrat Johann Schneider-Ammann auf seiner anstehenden Reise nach China nicht begleiten. Die chinesischen Behörden haben dem Journalisten der Westschweizer Zeitung das Visum verweigert, ohne diesen Vorgang weiter zu begründen. Die Bundesbehörden «bedauern» die Massnahme und verweisen darauf, dass die Visa-Erteilung in der Hoheit eines jeden Staates läge. Die Chefredaktion von «Le Temps» findet es «unverständlich, dass die Schweizer Behörden ein Verfahren validieren, das darauf hinausläuft, dass ein anderer Staat entscheidet, welche Schweizer Medien ihre Minister bei einem Besuch im Ausland als Teil einer offiziellen Delegation begleiten dürfen.» Als Konsequenz wird die Zeitung nicht über Schneider-Ammans China-Besuch berichten.

Köppel bei den Nazis: der «Weltwoche»-Chef in Chemnitz

Das Bild aus Chemnitz sorgte für einige Aufregung: «Weltwoche»-Chef und SVP-Nationalrat Roger Köppel Seite an Seite mit einschlägig bekannten deutschen Neonazis. Stift und Notizblock weisen den Schweizer indes als Journalisten bei der Arbeit aus – wobei die in solcher Umgebung eigentlich nicht sonderlich gern gesehen und schon mal tätlich angegangen werden. Mit Journalist Köppel hatten die Rechtsextremen offensichtlich keine Probleme. Roger Köppel selbst nimmt in 20min.ch zu seinem Auftritt in Chemnitz Stellung und begründet seine Nähe zu Neonazis: «Das Thema ist interessant und relevant. Deshalb informierte ich mich vor Ort. Ich habe mit allen geredet, links bis rechts, einer hat sich sogar als rechtsextrem bezeichnet.»

Woodward zu Trump: «I wish you good luck.»

Dieser Tage veröffentlicht Reporter-Legende Bob Woodward («Watergate») eine Innenansicht der Trump-Regierung. Sein Enthüllungsbuch «Fear» verspricht eine schonungslose Schilderung des Regierungsalltags im Weissen Haus. Bei seinen Recherchen sprach Woodward allerdings nicht mit Trump. Mehrere Anfragen versandeten irgendwo im Umfeld des Präsidenten. In einem Telefongespräch, das die Washington Post integral dokumentiert, sprachen die beiden dann doch noch miteinander und versuchen sich zu erklären, warum sie nicht früher und fürs Buch miteinander gesprochen hatten. Die Telefonunterhaltung findet in gesittetemn, ja freundschaftlichem Ton statt, was auch damit zu tun hat, dass Trump Woodward attestiert, «immer fair» zu ihm gewesen zu sein. Woodward wiederum wünscht dem Präsidenten bei der Verabschiedung viel Glück.

20 Jahre Google: die richtige Idee zur richtigen Zeit

Andreas von Bechtolsheim investierte 100’000 Dollar in Google, als das Unternehmen noch gar nicht offiziell gegründet war. Der deutsche Informatiker war im August 1998 dermassen überzeugt, dass hier Grosses entsteht und es das Geld wert sein würde. «Das war die erste Suchmachine, die gute Ergebnisse zeigte und damit sehr nützlich war», klingt banal, ist es aber nicht. Entscheidend war ein komplett neuer Denkansatz, wie man zielsicher durch die damals anschwellende Flut von Webseiten navigieren soll. Die Google-Gründer schafften das mit dem sogenannten Page-Rank, der die Relevanz einer Seite, gemessen an deren Verlinkung mit anderen Seiten, zur Grundlage nimmt für die Priorisierung der angezeigten Fundstellen bei einer Web-Suche.

Weitere Beiträge dieser Woche

Medienqualität interessiert die Werber offenbar nicht

Zum zweiten Mal wurden Schweizer Medien für ihre Qualität ausgezeichnet im Rahmen des sogenannten Medienqualitätsratings MQR. Ein Ziel der Übung wäre es auch gewesen, die ermittelten Qualitätswerte den Mediaagengturen zur Verfügung zu stellen, damit die Werbebuchungen in den Medien entlang von Qualitätskriterien vornehmen können. Doch die Werber haben kein Interesse an solchen Daten. Das sei ihnen zu aufwändig, «denn sie arbeiten meist mit Systemen und Daten, die ihr Netzwerk standardisiert und international anwendet», schreibt Edith Hollenstein auf persoenlich.com und findet die Ablehnung der Agenturen eine verpasste Chance.

«Hetzjagd» oder «Jagdszenen» in Chemnitz?

Gab es sie oder gab es sie nicht? Spätestens seit der Chefredaktor der Lokalzeitung «Freie Presse» aus Chemnitz berichtete, man habe «keine Hetzjagden beobachtet», tobt ein Streit darüber, ob es vonseiten der rechten Demonstranten zu solch gravierenden Übergriffen in Gruppen auf missliebige Personen gekommen sei in den letzten Tagen. Daraus versucht nun insbesondere die AfD politisches Kapital zu schlagen. Etwa, indem sie per parlamentarische Anfrage erfahren will, auf welche Fakten sich der Regierungssprecher in Berlin stellte, als er von «Hetzjagden» sprach; für die AfD ist klar, dass die Übergriffe nie stattgefunden haben. Die «Freie Presse» indes streitet die Vorgänge nicht ab, möchte sie aber als «Jagdszenen» angemessen beschrieben wissen.

Google & Co. regulieren oder zerschlagen

Der Unmut und das Ungemach im Umgang mit globalen Datenunternehmen, wie Google oder Facebook, ist in letzter Zeit grösser geworden. So erstaunt es nicht, dass Stimmen lauter werden, die eine stärkere Regulierung der Geschäfte der Giganten fordern, oder gar deren Zerschlagung. Das Fachblog Netzpolitik präsentiert acht «diskutierenswerte Ansätze gegen die Marktmacht der Konzerne».

Bildagentur Magnum «wie ein Phönix aus der Asche»

Der Fotojournalismus lebt. In der Krise seien wenn schon die Medien und nicht das Bild an sich, hält Daniele Muscionico in der NZZ fest. «Ob multimedial erzählt oder nicht, die engagierte fotojournalistische Geschichte, das visuelle Storytelling von heute ist die Radiopredigt von damals.» Ein gewichtiges Indiz für die neuerliche Blüte macht die Autorin am wiedergefundenen Selbstbewusstsein der legendären Bildagentur Magnum fest. Die Foto-Elite habe sich offensichtlich neu geeint und für eine Vorwärtsstrategie entschieden. Ausdruck davon ist eine eigene Publikation, die erste in der Geschichte der Agentur. In «Chronicles 01» erzählen Magnum-Fotografen durch den Blick ihrer Kamera die (Vor)geschichte des sogenannten «Islamischen Staates» IS von 1941, als die Briten in Damaskus einmarschierten, bis zur Befreiung von Mosul vor einem Jahr.