von Nick Lüthi

Scherz lass nach

Mit bahnbrechenden Enthüllungen, unerhörten Geschichten und spektakulären Schilderungen können sich Medien profilieren. Dumm nur, wenn all das mit Journalismus nichts zu tun hat. Am 1. April feiert der faktenfreie Schwurbel fröhlich Urstände. Ein Unding, das in den Medien nichts verloren hat und abgeschafft gehört.

Für die Aprilscherze vermögen sich vor allem deren Erfinder zu erwärmen. Mit viel Liebe zum Detail feilen Journalisten oft tagelang an ihren Lügengeschichten, um den gewünschten Täuschungseffekt zu erzielen. Die Scherze sind schliesslich dann am wirkungsvollsten, wenn sie haarscharf an der Realität vorbeischrammen. Ziel ist es ja gerade, dem Publikum etwas vorzugaukeln, was tatsächlich sein könnte, aber eben nicht ist. Wie die Wikileaks-Enthüllungen zum Cäsarmord zum Beispiel. Mit diesem Scherz versucht NZZ-Online heute ihre Leser ins Bockshorn zu jagen. Unvergessen, weil täuschend echt und professionell gemacht, bleibt die Spaghettiernte im Tessin mit der die britische BBC anno 1957 ihre Zuschauer veräppelte.

All die abertausend Scherze sind vor allem eines: das Gegenteil von Journalismus. Als würde ein Bäcker einmal im Jahr täuschend echt aussehende Salzteigbrötchen backen und sich still freuen, wenn die Kunden sich die Zähne ausbeissen. Eine absurde Vorstellung, die bei jedem stolzen Handwerker nur ungläubiges Kopfschütteln auslösen würde.

Medien, die der Unkultur ein für alle Mal ein Ende setzen würden, und das auch öffentlich deklarierten, könnten nur gewinnen und ihre Glaubwürdigkeit stärken. Auch ohne den institutionalisierten Scherztag wird es immer noch oft genug vorkommen, dass Journalisten faktenfrei daherschwurbeln und – wenn auch unfreiwillig – mit ihren Lügengeschichten Anlass zum Schmunzeln bieten.

Leserbeiträge

andy wüthrich 01. April 2011, 10:49

lieber herr nick lüthi, ich glaube, da liegen Sie komplett falsch. als leser liebe ich die april, april-scherzgeschichten – und ich weiss mich in guter und zahlreicher gesellschaft. also, kühlen Sie Ihren killer-instinkt und lassen es gut sein: die welt ist schon ernst genug.

Marcuccio 01. April 2011, 12:47

Bitte diesen Artikel als Pflicht-Link an alle deutschen Regionalzeitungen weiterleiten!

– Ein aprilscherzgeprüfter Leser, hehe.

Humorvoll sind die Storys leider selten, und am meisten nervt, dass sie eigentlich immer schon vom Weiten winken – denn wenn der Redakteur schon so viel Herzblut reingesteckt hat, soll die Scherzgeschichte natürlich auch Aufmacher des Lokalteils sein… – wie überraschend!

Journalisten, die ihre Aprilscherz-Energie so gern ausleben, sind wahrscheinlich auch die, die unterm Jahr die Regionalkrimis schreiben. Fragt sich nur warum sie den Lokaljournalismus an sich nicht spannender und witziger machen…

Spectator 01. April 2011, 14:56

Ich freue mich immer wieder über Aprilscherze und habe Bekannte, die das auch tun. Schade nur, dass viele Lokalzeitungen die Unsitte pflegen, schon am 31. März mit ihren Lustigkeiten zu erscheinen. Schade auch dass, der einstige 1.-April-Redaktionsbrauch als eiserne Regel vergessen ging: Jeder Aprilscherz hatte zwingend die Wendung „…1. April…“ im Text zu enthalten. Dies als faire Chance für aufmerksame Leserinnen und Leser, „unerwischt“ davonzukommen.

bugsierer 01. April 2011, 22:01

mir gehen höchstens die schlechten scherze auf den wecker. aber das ist im rest des medienoutputs auch so.

einen guten aprilscherz zu erfinden, zu texten und im real life zu inszenieren halte ich für eine ebenso professionelle journalistische disziplin wie viele andere auch.

Luzius 01. April 2013, 11:51

Schlecht gemachte Geschichten nerven am 1. April genauso wie das restliche Jahr hindurch. Wenigstens kann man am 1. April bewusster als das restliche Jahr die Ambivalenzen zwischen Fakt und Fiktion ausleben, und keiner macht sich die Mühe, es zu kaschieren!

Ach ja und übrigens: Google hat die Schweizer Post gekauft und lanciert bahnbrechenden postalischen Suchservice.

Mark 02. April 2013, 08:51

Danke für diesen Artikel. Nichts nervt mich mehr als diese komplett lächerlichen 1. April-Scherze in den Medien.