von Ronnie Grob

Gefährliche Lockrufe an die krisengeschwächten Verleger

SRG-Generaldirektor Roger de Weck ködert die durch den Medienwandel geschwächten Schweizer Verleger mit elf Angeboten und verspricht im Gegenzug Einkünfte ohne Bedingungen. Die Unternehmer sollten dem schnellen Geld widerstehen. Denn am Ende des Vereinnahmungsprozesses mit öffentlichem Geld steht ihre Auflösung, das Verschwinden des Privaten auf Kosten des Öffentlichen.

Was Mark Zuckerberg kann, das kann ich schon lange, wird sich Roger de Weck gesagt haben. Der Facebook-CEO offeriert nämlich seit einiger Zeit Verlegern weltweit «Instant Articles». Das Konzept ist in etwa auch das, was YouTube offeriert: Überwindet man sich, die Kontrolle über den Inhalt fast vollständig abzugeben, erhält man dafür Verbreitung und Werbeeinnahmen – über die man auch keine Kontrolle hat.

=> Warum kommt das Angebot der SRG jetzt?

«Kooperationen, um einander zu stärken und Marktanteile zu halten», heisst die «zukunftsweisende Alternative», welche de Weck den Verlegern offeriert. Im Gastbeitrag «Elf Angebote der SRG an die Verleger» in der NZZ fordert der SRG-Generaldirektor, den «anachronistischen Grabenkampf zwischen privaten Medienhäusern und dem öffentlichen Medienhaus SRG SSR» zu beenden.

Keine Frage, nicht jede Kooperation zwischen Privaten und Öffentlichen ist des Teufels, eine punktuelle Zusammenarbeit macht durchaus Sinn. Aber was passiert wohl, wenn sich die Privaten in der grössten Ertragskrise ihrer Geschichte mit dem Milliardengigant SRG ins Bett legen? Eine Weile lang wird es ihnen gut ergehen. Sie werden die schlimmsten Verluste ausgleichen können und sich vorerst halten können.

Auf längere Frist aber versteht der Konsument, was es geschlagen hat: Was draufsteht, ist nicht mehr drin. Newsnet, ein Vehikel, das Tamedia gegründet hatte, um im Internet Geld zu verdienen, ist ein gutes Beispiel: die DNA der kleineren der beteiligten Zeitungen wurde aufgelöst, von der Öffentlichkeit wird Newsnet mittlerweile mehrheitlich als Online-Ausgabe des Tages-Anzeigers wahrgenommen. Wenn die Privaten die von Steuergeldern finanzierten SRG-Inhalte annehmen, dann zerstören sie auf lange Frist ihre eigene DNA, den Grund, ihnen überhaupt Aufmerksamkeit zu schenken.

Nehmen wir mal an, dass Tele Züri, ein sich rein privat finanzierender TV-Sender, den Lockrufen erliegt und neu seine Sendungen auch auf Play SRF anbietet. Die SRG würde so auf längere Frist unumgänglich und unverzichtbar, eine Art YouTube für Schweizer Inhalte, auf dem alles, was man sehen will, früher oder später zu sehen ist. Mit dem grossen Unterschied, dass es sich nicht um ein Privatunternehmen handelt, das meiden kann, wer will, sondern ein öffentliches, zwangsfinanziertes.

Nehmen wir mal an, dass die Basler Zeitung, eine sich rein privat finanzierende Zeitung, den Lockrufen erliegt und nicht nur Inhalte des Tages-Anzeigers auf seiner Website ausspielt, sondern auch noch Videos der SRG. Sicher wird sich die Ertragslage von Bazonline.ch verbessern. Doch wenn sich der Konsument auf Bazonline.ch mit Inhalten von SRF und Tages-Anzeiger vergnügen kann, weshalb sollte er dann auch noch für die Recherchen von Mischa Hauswirth, die Kolumnen von -minu oder die Leitartikel von Markus Somm bezahlen?

Nehmen wir mal an, dass Radio 1, ein sich rein privat finanzierender Radiosender, den Lockrufen erliegt und die Nachrichtenbulletins neu von der SRG einkauft und ausstrahlt, 24 jeden Tag? Welchen Grund gäbe es dann noch, nicht auf das werbefreie SRF3 umzuschalten und dort keine Radiowerbung ertragen zu müssen?

Die Vorschläge von Roger de Weck dienen vor allem dazu, die SRG noch mächtiger, noch unverzichtbarer, noch unzerschlagbarer zu machen. Die Privaten tun gut daran, die Vorschläge genau zu prüfen und jene Kooperationen einzugehen, die Sinn machen. Jene Kooperationen aber, die auf längere Frist die eigene Existenz und Unverzichtbarkeit in Frage stellen, sollten sie vollumfänglich ablehnen.

Öffentliches Geld für Private ist wie eine Droge. Zuerst glaubt man, alles laufe bestens. Dann aber geht die Eigenständigkeit nach und nach verloren, und die Konsumenten meiden einen oder konsumieren das öffentliche Original. Am Ende dann steht entweder der Kollaps oder aber die vollständige Vereinnahmung. Also der Tod des Privaten auf Kosten des Öffentlichen.

Die Zeichen der Zeit hat Roger de Weck jedoch durchaus verstanden, blöd sind seine Ideen nicht. Wenn die Schweizer Verleger vielleicht dann doch mal ihre kleinlichen Streitereien überwinden und sich dazu entscheiden, die längst existierende Zukunft für sich zu nutzen, könnten sie darauf kommen, einige dieser Ideen für sich selbst auszunutzen. Die SRG, die Swisscom und der Ringier-Verlag haben sich – von der Wettbewerbskommission unverständlicherweise abgesegnet – dazu entschieden, eine Art staatliches Werbe- und Datenkonglomerat zu bilden. Warum also nicht ein schlagkräftiges, rein privates Gegenstück dazu aufbauen? Norbert Neininger, er ruhe in Frieden, hat mit 2008 mit News1.ch einen Versuch unternommen, der auch deshalb hilflos wirkte, weil er von seinen Mitverlegern nicht ausreichend unterstützt wurde. Die Richtung stimmte nämlich, nur die Ausführung nicht.