von Adrian Lobe

«Breitbart News» wird Trump-Pravda

Trumps Triumph ist auch ein Erfolg der ultrarechten «Breitbart News». Das Web-Portal hat mit einer aggressiven Agenda den Nährboden für Trump geschaffen. Zum Dank ernannte Donald Trump Breitbart-Präsident Stephen Bannon zu seinem Berater. Als Nächstes will das Portal nach dem Weissen Haus auch Europa erobern.

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass Amerikas konservative Revolution ihren Ursprung in den liberalen Küstenmetropolen Los Angeles und New York nahm. In New York erklärte der Immobilienmilliardär Donald Trump seine Präsidentschaftskandidatur. Und in Los Angeles hat die Redaktion von «Breitbart News» ihren Sitz, jenes ultrarechte Web-Portal, das sich zu einem Sprachrohr der Tea-Party-Bewegung entwickelte und im Wahlkampf zum inoffiziellen Zentralorgan der Trump-Kampagne avancierte. Beide Entwicklungen – der Aufstieg von Trump und Breitbart – sind nur zusammen zu verstehen.

2007 gründete der konservative Blogger Andrew Breitbart das Portal breitbart.com. Anfangs war die Seite eine Linkschleuder, die News von Agenturen und anderen Medien wie «Fox News» oder der «New York Times» aggregierte. In den Anfängen präsentierte sich das Angebot als simpel gebastelte Webseite mit ein paar lieblos arrangierten Meldungen und einer Laufschrift im html-Stil. Der Provokateur, der die rechte Webseite «Drudge Report» mit aufbaute, war angetreten, um die «alte Garde der Medien» zu verschrotten, wie er öffentlich bekannte. Er hasste den «demokratischen Medienkomplex». Sein Ziel war es, einen rechten Antipoden zur «Huffington Post» zu etablieren, die er selbst mitgegründet hatte. Als diese einen linken Kurs einschlug, wandte sich Breitbart ab und gründete Breitbart.com. Zu nationaler Bekanntheit gelangte Breitbart mit spektakulären Enthüllungen.

Der grösste Scoop war eine Videoreihe über die Hilfsorganisation Acorn (Association of Community Organizations for Reform Now). Der Undercover-Journalist James O’Keefe und die Studentin Hannah Giles gaben sich als Zuhälter und Prosituierte aus, die zusammen einen Prostitutionsring aufbauen wollten. Statt die Pläne zu verwerfen, gaben die Hilfsarbeiter bereitwillig Tipps zu Steuerbetrug und Menschenhandel. O’Keefe filmte die Gespräche mit versteckter Kamera. Das Land hatte einen handfesten Skandal, Amerikas Konservative einen neuen Helden. O’Keefe wurde als «Michael Moore der Rechten» gefeiert.

Breitbart verstand sich bestens darauf, diesen Skandal medienwirksam auszuschlachten. In einem Video geisselte der «Breitbart»-Gründer die Machenschaften bei der Hilfsorganisation Acorn als das «Abu Ghraib der Gesellschaft». Andrew Breitbart betrieb von Anfang an einen kompromisslosen Kampagnen-, zuweilen auch Krawalljournalismus. Die Enthüllungen von «Breitbart News» machten nicht nur der Hilfsorganisation Acorn den Garaus, sondern zwangen auch den Skandalpolitiker Anthony Weiner wegen seiner Sexting-Affäre zum Rücktritt. «Breitbart News» deckte die Skandale jedoch nicht aus einem aufklärerischen Impetus auf, sondern aus politischen Motiven; Journalismus paarte sich mit Aktivismus. Eine «Rage Machine», Wutmaschine, nannte der «New Yorker» das Portal einmal.

Big Government, Big Hollywood, Big Journalism – das waren die Themen, mit denen Breitbart gegen das verhasste Establishment anschrieb und so sind bis heute die Hauptrubriken auf Breitbart News gekennzeichnet. «Herr Breitbart verwandelte das Web in ein Sturmgewehr», schrieb die «New York Times» in einem Porträt. Weniger Watchdog als mehr ein Pitbull sei der Blogger gewesen. Ohne die Technologie des 21. Jahrhunderts wäre er nur ein wütender Mann gewesen, der aus einer Strassenecke brüllt. Breitbart habe die Regeln des Diskurses verändert, so die «New York Times». Man kann darin auch eine Erklärung für das Phänomen Trump lesen, der mit dem Megaphon sozialer Medien seine populistischen Phrasen ins Land posaunte, die in den Echokammern umso lauter nachhalten.

2012 brach Breitbart bei einem Spaziergang auf dem Gehweg zusammen und verstarb an Herzproblemen. Nach seinem Tod übernahm Stephen Bannon die Geschäfte von «Breitbart News», ein konservativer Hardliner, der offen homophob, islamophob und antisemitisch ist. Bannon wirkt mit seinen Holzfällerhemden, Cargo-Shorts und Flip-Flops wie ein abgehalfterter Wiedergänger von Jeff Spicoli aus der Filmkomödie «Ich glaub’, ich steh’ im Wald». Bannon, ein ehemaliger Filmproduzent und Goldman-Sachs-Banker, baute «Breitbart News» systematisch zu einem Kampfblatt für weisse Nationalisten aus, für die Fox News zu links war. Die Artikel: Ein Potpourri aus Propaganda und Polemik. Der Ton: angreifend bis diffamierend. Die Themen: äusserst selektiv. Für «schwarze Gewalt» gibt es eine eigene Rubrik, so als müsste man die Verbrechen der afroamerikanischen Minderheit extra hervorheben. Die Überschriften («Macht Feminismus Frauen hässlich?», «Hätten Sie lieber Feminismus oder Krebs», «Die Lösung gegen Hass im Netz: Frauen sollten sich ausloggen») lesen sich wie dumpfe Macho-Sprüche, bei deren Lektüre sich die Cowboys im Flyover-Country – einer der Hauptzielgruppen – auf die Schenkel klopfen. Breitbart besitzt Korrespondentenbüros in Texas, London und Jerusalem, am Hauptsitz der Redaktion in LA, einem barock anmutenden Büro, hacken junge Redakteure Pamphlete in ihr Laptop. Autoren wie der schillernde und schmierige Tech-Redakteur Milo Yiannopoulos, eine Punk-Version von Geert Wilders, sind längst zu Stars der Alt-Right-Szene aufgestiegen, Yiannopoulos auch deshalb, weil sein Twitter-Account wegen Pöbeleien und rassistischer Anfeindungen gegen die schwarze Schauspielerin Leslie Jones dauerhaft gesperrt wurde.

Seitdem Trump den «Breitbart»-Boss Steve Bannon zu seinem Wahlkampfchef ernannt hat, ist die Seite zum Propagandamedium der Trump-Bewegung geworden, manche verspotten «Breitbart News» wegen der Linientreue seiner Redakteure gar als «Trump-Pravda». «Was so ungewöhnlich an Breitbart ist, ist, dass sie komplett ununterscheidbar von der Trump-Kampagne wurden», konstatiert der Medienexperte Eric Boehlert von der Organisation Media Matters for America. Es gab in der «Breitbart»-Redaktion Spekulationen, wonach Trump die Seite heimlich finanziert und für Berichte bezahlt habe («pay for play») habe, was Bannon jedoch dementierte. Gegen den Kurs gab es laut einem Bericht «Buzzfeed» vereinzelt Widerstand, ein paar wenige Redakteure protestierten gegen die Pro-Trump-Ausrichtung – vergebens. Sie wurden zum Schweigen gebracht. Bannon führt mit harter Hand.

Jetzt, wo Trump Bannon zum Chefstrategen im Weissen Haus befördert hat, fragt man sich, welche Absichten der Scharfmacher verfolgt. Vor allem: Was will Trump? Bannon soll den Auftrag erhalten haben, Kontakte zur ultrarechten Anhängerschaft und zum konservativen Teil der Medienlandschaft zu knüpfen. Trump, dem Beobachter bei einer Wahlniederlage Ambitionen auf einen eigenen TV-Sender («Trump TV») nachsagten, will eine Medienoffensive starten. Und bei diesem Ansinnen spielt «Breitbart» eine zentrale Rolle. Offenbar gibt es Pläne, das Medium zu einer Art Staatsfunk auszubauen. Ein ehemaliger «Breitbart»-Sprecher sagte, die Seite stehe kurz davor, ein staatliches Medienunternehmen zu werden. In Paris, Berlin und Kairo sollen weitere Korrespondentenbüros eröffnet werden, in Washington ist ein grosser Newsroom geplant, was wohl keine Zweifel daran lässt, dass «Breitbart» zu einem Hofmedium wird. 2014 sagte Bannon über sich und seine Mission: «Ausserhalb von Fox News und dem Drudge Report sind wir das drittgrösste konservative Nachrichtenseite und, ehrlich gesagt, haben wir eine grössere globale Reichweite als Fox (News). Und deshalb expandieren wir so sehr international.» «Breitbart» will auch nach Europa expandieren und weitere Ableger in Frankreich und Deutschland lancieren.

Anschlussfähig an das rechte Spektrum wäre Breitbart zweifellos. Der wegen Volksverhetzung verurteilte Pegida-Gründer Lutz Bachmann gab «Breitbart News» ein Exklusiv-Interview, in dem er unwidersprochen über den Begriff der Lügenpresse fabulieren durfte. Die Nazi-Kampfvokabel wurde auch von Trump-Anhängern skandiert, was die ideologische Wahlverwandtschaft zwischen den Pegidisten und Trumpisten unterstrich.

Die Frage ist, ob eine ultrarechte Seite wie «Breitbart News» einen Platz in der publizistischen Landschaft Deutschlands fände und ob damit ein möglicher Wahlsieg der AfD befeuert würde. Die AfD-nahe Wochenzeitung «Junge Freiheit» konnte ihre Auflage im letzten Quartal um 16 Prozent (im Vergleich zum Vorjahr) auf 23 940 Exemplare steigern, kommt aber aus der rechtskonservativen Nische nicht heraus. Auch Blogs wie «Achse des Guten» oder «PI News» fristen ein Schattendasein im Netz. Der Erfolg des Publizisten Udo Ulfkotte, der mit seinen EU- und islamkritischen Büchern («Grenzenlos kriminell», «Gekaufte Journalisten», «Mekka Deutschland: Die stille Islamisierung») regelmässig Bestseller landet, zeigt andererseits, dass solche Thesen auch im deutschsprachigen Raum auf fruchtbaren Boden fallen.

Trumps Triumph ist auch der Erfolg von Breitbart News – und umgekehrt. Die ethno-nationalistische Agenda, der sich die Redaktion verschrieb, lieferte den publizistischen Nährboden für den Wahlsieg Trumps. Die Ironie der Geschichte ist, dass Andrew Breitbart die Konservativen vor Trump warnte und eine Vorhersage machte, die geradezu prophetisch klingt. «Berühmtheit ist alles in diesem Land», sagte er ein Jahr vor seinem Tod. «Wenn diese Leute nicht lernen, wie man mit den Medien umgeht, werden wir wahrscheinlich einen Celebrity-Kandidaten haben.» Ab Januar 2017 sitzt dieser Celebrity-Kandidat im Weissen Haus. Es scheint, als liesse sich dieser Geist, der aus Flasche kam, nicht mehr einfangen.

Leserbeiträge

Narf 18. November 2016, 11:39

Sie sollten noch hinzufügen, dass O’Keefe’s ACORN-Geschichte ein Betrug war. Der Mann geht immer so vor und ist schon mehrfach als Lügner entlarvt worden.

Ray 18. November 2016, 18:12

Hi

Wo auf Breitbart versteckt sich denn die Kategorie «schwarze Gewalt»? Ich habe 15 Minuten gesucht nichts gefunden.

Projektsteuerung / Bauleitung 08. Januar 2017, 18:22

Stark ist, wer mehr Ideen hat, als die Realität vernichten kann.