App-Geschenk statt App-Geschäft
Der Wind hat gedreht. Von der App-Mania, die vor knapp einem Jahr mit der Lancierung des iPad ihren Höhepunkt erreichte, ist in den Verlagen nicht mehr viel zu spüren. Zeitungen in Belgien und den Niederlanden beschwerten sich jüngst darüber, dass Apple ihre Gratis-Apps nicht mehr im iTunes-Store toleriert. Apple will mitverdienen – wo es nur geht.
Wer auf dem iPhone die Zeitung lesen will, bezahlt zuerst bei Apple. Und erst von dort gelangen 70 Prozent der Einnahmen an den Verlag. Die Zeitschrift Sports Illustrated versuchte das zu umgehen und baute eine Abofunktion in ihre App ein, die den Leser an Apple vorbei direkt zum Verlag leiten sollte. Das sah Apple nicht gerne und lehnte die Zulassung zum App-Store ab.
Auch in der Schweiz tun sich Verlage schwer mit Apple, Ringier etwa. Am 30. Juli 2010 kündigte das Haus an, für die neue Blick-App innert Monatsfrist «attraktive Abo-Modelle zur Verfügung» stellen zu können. Bis heute gibt es diese nicht. Stattdessen kann der Blick weiterhin jeden Morgen auf dem iPhone gelesen werden – gratis. Einzig die App-Kosten von 4.40 Franken müssen die Leser bezahlen. Weit über hundert Zeitungsausgaben hat Ringier bisher verschenkt, obwohl damit eigentlich ein rentables Geschäft vorgesehen gewesen wäre.
Ringier-Sprecher Edi Estermann erklärt: «Das definitive Pricing-Modell muss in einem sehr komplexen und dynamischen Umfeld gefunden werden.» Anders gesagt: Ringier ist nicht imstande, innert nützlicher Frist ein Abonnement für den iPhone-Blick anzubieten. Estermann: «Wir müssen uns innerhalb der von Apple gesetzten Grenzen bewegen. Dies erfordert eine Reihe von Gesprächen mit Apple, die wir schon seit längerem führen.» Es kann also noch eine Weile dauern, bis aus dem App-Geschenk ein App-Geschäft wird.
Es gibt noch weitere Schikanen auf dem Weg zum erfolgreichen App-Verkauf. So gilt es, eine technische Hürde zu nehmen: «Man muss jeden einzelnen Inhalt manuell in den iTunes Store einpflegen – je mehr Inhalte, desto grösser der Verwaltungsaufwand. Apple bietet hier keine automatisierte Schnittstelle», schreibt ein unabhängiger App-Entwickler auf Anfrage der Medienwoche. Und als ob die 30 Prozent vom Verkaufspreis, die Apple einstreicht, nicht schon genug wären, kassiert Luxemburg, wo iTunes registriert ist, 15 Prozent Mehrwertsteuer. Damit bleiben dem Inhalte-Anbieter noch 55 Prozent des ursprünglichen Verkaufspreises. Das sind die Bedingungen. Wer mitmachen will, braucht Geld, Geduld und vor allem: Inhalte, für die die Leute zu zahlen bereit sind.
Bernd 09. Februar 2011, 15:37
Stimmt die Prozentrechnung mit der Mwst? Normalerweise ist doch Mwst auf den Kaufpreis, dann erst wird aufgeteilt? also ((Kaufpreis/115)*100)*0,7=Erlös?.
Das sind aber nicht 55%? Hmm, oder doch anders?
Beni 28. Februar 2011, 13:07
„Apple will mitverdienen – wo es nur geht.“ – Habe keine Apple-Aktien, aber ja, das ist nun mal das Gesetz der Marktwirtschaft und des Unternehmertums. Die stellen ja die ganze Plattform zur Verfügung, warum also bitte sollen sie nicht mitverdienen?
Martin Eggenberger 03. Mai 2011, 10:27
Wo ist das Problem, wenn „nur“ 70 % an den Verlag gehen? Ohne Fachmann zu sein, ist mir klar, dass auch beim klassischen Vertrieb Kosten entstehen. Vom Kiosk wird auch kaum der ganze Endkunden-Preis an den Verlag gehen. Wahrscheinlich noch nicht mal 70 % …!