von René Worni

Publireportage – weg damit!

Die wenigsten Leute wissen genau, was eine Publireportage ist. Die Bezeichnung ist irreführend, weil sie Nähe zur Redaktion suggeriert und bewusst verschleiert, dass es sich um bezahlte Werbung handelt. Es ist endlich an der Zeit, das Kind beim Namen zu nennen: Eine Publireportage ist bezahlte Werbung.

Publireportagen simulieren die journalistische Form der Reportage und versuchen per Definition, die Wertigkeit durch die scheinbare Nähe zu redaktionellen, unbezahlten Beiträgen zu erhöhen. Das vorangestellte «Publi» (von public = öffentlich bzw. =Volk) scheint sie irgendwie zu Reportagen zweiter Klasse zu degradieren, simple Lektüre sozusagen für das (ungebildete) Volk. Umso beflissener wird auf Seriosität gemacht. Oft zeichnen Autorinnen und Autoren, manchmal mit Bild und verströmen eine Aura von redaktioneller Kompetenz. Formal sind Publireportagen nicht selten kaum von redaktionellen Beiträgen unterscheidbar, was einem Verstoss gegen die brancheneigenen Spielregeln gleichkommt. Der Code of Conduct der Verlagsbranche, der die Trennung von Werbung und Redaktion regelt, schreibt eine klare Kennzeichnung und Abgrenzung von redaktionellen Inhalten zwingend vor. Der Begriff Publireportage verschleiert damit bewusst, dass es sich dabei um bezahlte Werbung handelt. Es ist nicht einzusehen, warum man die Beiträge nicht eindeutig als Werbung kennzeichnet und den Begriff Publireportage in die Wüste schickt.

In Deutschland hat sich die englische Bezeichnung Advertorial eingebürgert, hierzulande findet man vermehrt den Ersatzbegriff Promotion (oft in der Mehrzahl). Wenigstens das ist die klare Benennung als Werbung, wenn auch mit einem Anglizismus. Wer die Verschleierungsformel Publireportage wann erfunden hat, ist nicht verbrieft. «Wann genau mit diesem etwas betrügerischen Begriff angefangen wurde, wüsste ich spontan nicht zu sagen», sagt Vinzenz Wyss, Medienwissenschaftler an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften.

Die Publireportage als Werbeform hält sich hartnäckig, obwohl ihre Werbewirkung nicht grösser zu sein scheint, als jene von Anzeigen, die sauber als solche erkennbar sind. Vor zwei Jahren zeigte Media Analyzer, ein deutsches Unternehmen für Marketing- und Werbewirkungstests in einer Studie, dass klassische Werbung weitaus wirkungsvoller ist als Advertorials. 17 Prozent der Befragten fühlen sich von Advertorials getäuscht und 21 Prozent meinen, der Werbeträger, also das Magazin oder die Zeitung, verliere dadurch an Seriosität. Wenn das kein Argument ist für die Abschaffung der Publireportage. Drum: Weg damit!

Leserbeiträge

Konrad Weber 03. Mai 2011, 00:51

Weitaus schlimmer als die Publireportagen sind meiner Meinung nach die verdeckt bezahlten Berichte in Stil-Beilagen. Obwohl dort der Leser/die Leserin weniger kritische Texte erwartet, ist es dennoch ein Verrat, Inhalte als journalistische Leistung an die Leserschaft zu verkaufen. Dass dies gang und gäbe ist, zeigen die häufigen Koppelungen von geschalteter Werbung mit kurz darauf erscheinenden redaktionellen Beiträgen.

Ronnie Grob 03. Mai 2011, 09:04

Das Problem auf lange Frist ist die Glaubwürdigkeit. Noch lässt sich der Schein offenbar bei vielen wahren.

Es gibt nur eine Lösung: Journalisten müssen darauf pochen, dass redaktionelle und werbliche Inhalte stets eindeutig voneinander abgetrennt werden.

Edith Hollenstein 03. Mai 2011, 10:10

Ja. Doch diese Beilagen beschränken sich nicht nur auf Stil, sondern behandeln auch Themen wie Gesundheit, Finanzen, Reisen , … . Bei den sogenannten „Themenzeitungen“ z.B.von Mediaplanet wird ebenfalls journalistische Leistung vorgetäuscht. Dabei ist die Absicht klar: „Unsere Aufgabe ist es, Leser und Betrachter in wertvolle Kunden zu verwandeln.“

René Worni 03. Mai 2011, 20:58

Selbstverständlich gibt es Schlimmeres, allein schon bei der zeitlichen Verschiebung eines redaktionellen Textes und damit gekoppelter Werbung, bleibt das Publikum chancenlos im Dunkeln. Aber ich möchte die Sache bewusst einfach halten. Die Publireportage ist sozusagen die Urform, die für alle anderen Arten von Werbung steht, mit der versucht wird, aus der chinesischen Mauer zwischen Verlag und Redaktion nassen Zwieback zu machen.

Barbara Graber 06. Mai 2011, 16:55

Ich bin immer wieder erschüttert, für wie beschränkt die Redaktionen ihre Leseinnen und Leser halten. Ein Lesender von seriösen Zeitungen, Zeitschriften weiss sehr wohl, wer ihn mit einer Publireportage anspricht. Ob das Kind nun Publireportage, Werbung oder Advertorial heisst, spielt dabei weiss Gott keine Rolle, hauptsache, es ist benamst.
Viel schlimmer sind die Reportagen in, wie oben erwähnt, den einschlägigen Stil-, Reise-, Freizeitbünden usw., die uns Lesenden echtes Interesse seitens der Redaktion vergaukeln, aber in Tat und Wahrheit auf grosszügigen Einladungen basieren. DAS, liebe Schreibende, merken seriöse Leserinnen und Leser und finden es nicht so toll.

Amir Ali 06. Mai 2011, 22:09

Für mich war immer klar: Publi-Reportage kommt von Publicitė, trägt die Werbung also im Namen.

Der im Beitrag gemachte Punkt (Aufweichung der Trennung zw. Redaktion und Verlag) ist natürlich ein Problem. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Zeitungsleser durchaus selber denken können.

Was heißt das für die Glaubwürdigkeit unserer Branche? Nun, wenn ein Blatt mich mit kontinuierlich solider Berichterstattung überzeugt, dann verzeihe ich ihnen den gelegentlichen Versuch, mich plump übers Ohr zu hauen… wenn sie’s nicht nötig haben: umso sym

Eduard Daetwyler 09. Mai 2011, 06:55

Wenn Herr Worni auch die sogenannten Themenzeitungen in sein „Weg damit!“ mit einbezieht, bin ich mit seinem Beitrag einverstanden und kann ihn nur unterstützen.

Andreas Renggli 10. Mai 2011, 15:20

Danke fürs Aufgreifen. Ich kann mit den Publireportagen auch nichts anfangen und auch nicht nachvollziehen, weshalb ein Unternehmen eine solche schalten soll. Sie sehen zudem fast immer ziemlich übel aus.

Peter Grob 17. Mai 2011, 16:06

Grundsätzlich wäre ich für eine Abschaffung von Publireportagen. Sollten sie aber weiterhin beibehalten werden, muss unbdingt klar ersichtlich sein, dass es sich um eine Publireportage handelt. Der „Code of Conduct . Werbung in Medien“ fordert dies von den Verlagen. Sobald ich sehe, dass es sich um eine Publireportage handelt, kann ich selber entscheiden, ob ich bereit bin den Text zu lesen oder nicht. Gewisse Fachorgane brauchen diese Reportagen, sonst müssten sie eingehen.

Michael M. Maurantonio 11. Oktober 2011, 23:01

Sehr geehrter Herr Worni, bitte zitieren Sie die Studie von Mediaanalyzer korrekt… Seite 16: Die Anzeige Informiert mich über das Produkt / Ist informativ, +5% Punkte ist die Publi(von Publicité)-Reportage besser als eine „Bild-Logo“-Anzeige (Image –> Bild). In den verschiedenen Phasen eines Kommunikationsablaufes haben sich PubReps/Advertorials dann bestens geeignet, wenn sich das Produkt/die Dienstleistung nach der Awareness-Phase in der Involvement-Phase (Descriptive info to drive association and show relevance to consumers values) und/oder in der Active Consideration-Phase (Provide discriminating information to help consumer choose between alternatives) befindet. Als Image-Driver sind PubReps ungeeignet (eigene FMCG Erfahrung, über 40 Produkte und 800 Kampagnen pro Jahr mit multi-channel, multi touch-point-Strategien), was im Übrigen die Mediaanalyzer Studie auch zu sagen versucht. Dass lokale Blättchen sich nicht an die Richtlinie halten, die PubReps klar als „Anzeige“ zu taxieren, finde ich skandalös. Jedoch müssen Sie deswegen nicht alle Verleger gleich in einen Topf werfen. Die Leser sind mittlerweile mündig genug, um den Unterschied zwischen Editorial-Content und Advertorial-Content (advertising + editorial = publicité + reportage) zu erkennen. Umso besser, wenn Verleger und Werbekunde die Anzeige gemeinsam gestalten, um die User-Experience so hoch wie möglich zu halten. In diesem Sinne: geniessen Sie kreative Inhalte oder blättern Sie diese einfach weg, sollten sie Ihnen nicht gefallen (so wie mancher auch Pendlerzeitungen, namentlich die Auflagen stärksten, auch blättert. PS: bei einer durchschnittlichen Lesedauer von 12min pro Ausgabe (statt 20min…) und bei 80 Seiten = 9″ pro Seite.)

Mirjam Urfer 24. Juli 2014, 17:39

Es ist ja wohl klar, dass sich „Publi-“ in diesem Zusammenhang auf „Werbung“ („publicité“) und nicht auf „Volk“ bezieht. Somit ist der Hinweis auf Werbung sehr wohl im Begriff „Publireportage“ enthalten und der Artikel verliert sein Hauptargument.

David Reich 11. Februar 2020, 15:36

Gerade erst auf diesen doch angegrauten Artikel gestossen, dessen Thema aber immer noch aktuell ist. Dass die Werbewirkung nicht grösser sein soll als bei einer klassischen Anzeige, kann ja sein, ist aber völlig am Punkt vorbei. Es ist eine ganz andere Form der Werbung für Fälle, in denen ein starkes Bild und ein Slogan nicht reichen. Anzeigenkunden setzten in erster Linie deshalb auf Publireportagen, weil sie für ihren Zweck besser funktioniert und nicht, weil es „verschleierte Werbung“ ist. Man kann schlicht mehr Informationen transportieren, was je nach Fall sinnvoll ist.