Ringiers iPad-Magazin am Ende
Nach zwei Ausgaben ist schon wieder Schluss: The Collection vom Zürcher Medien- und Unterhaltungskonzern Ringier erscheint nicht mehr länger als monatliches iPad-Magazin. Das Projekt fällt einem Strategiewechsel im App-Geschäft zum Opfer. Als Hauptgrund für die Ein-, respektive Umstellung nennt Thomas Trüb, bisher CEO von The Collection, die schlechten Verkaufszahlen.
Er sei vom Erfolg überzeugt, sagte Thomas Trüb bei der Lancierung von The Collection im letzten April. Voraussetzung dafür sei es, «gute und global relevante Geschichten unterhaltend und auf hohem Niveau zu erzählen und spannend für Tablets aufzubereiten». Das ist The Collection mit den beiden ersten und bisher einzigen Ausgaben durchaus gelungen. Die monothematischen Magazine zum «Royal Wedding» und dem «Globalen Baby» vermochten in publizistischer Hinsicht durchaus zu überzeugen. Chefredaktor Peter Hossli und sein Team zogen alle Register und lieferten ein multimediales Gesamtkunstwerk ab. Doch entgegen Trübs Erfolgsprognosen, führt aufwändiger Journalismus alleine nicht zum Erfolg in der schönen neuen App-Welt.
«Wir konnten The Collection nicht so gut verkaufen, wie wir das erwartet hatten», gesteht Trüb im Gespräch mit der MEDIENWOCHE. «Und der Aufwand für ein Marketing, das die Verkaufszahlen angekurbelt hätte, wäre zu gross gewesen.» Deshalb habe Ringier beschlossen, das Geschäftsmodell anzupassen und von der Nutzerfinanzierung Abschied zu nehmen. In Zukunft will Ringier seine eigenständigen publizistischen Apps von Partnern und Sponsoren finanzieren lassen. Einzig bei den Applikationen von bestehenden Zeitungen und Zeitschriften soll weiterhin auch der Leser zur Kasse gebeten werden.
Für The Collection-Chefredaktor Peter Hossli war dies der Moment zum gehen. «Es war sehr spannend und herausfordernd, The Collection als innovatives journalistisches Produkt zu entwickeln, aufzubauen und zu realisieren», sagt Hossli. «Nach der Neuausrichtung habe ich mich beruflich anders orientiert.» Für künftige App-Entwicklungen verzichtet Ringier auf einen Chefredaktor und will mit Projektteams unter einer temporären Leitung arbeiten. Die Gesamtverantwortung obliegt der Tochterfirma Ringier Studios in den USA und ihrem CEO Douglas Kaplan.
Unter seiner Ägide wird auch die ursprünglich als dritte Ausgabe von The Collection vorgesehene und bereits fertig produzierte App zur Champions League veröffentlicht. «Wir haben uns noch nicht entschieden, ob wir diese App unter der Dachmarke von The Collection herausbringen.» Das hänge auch von den Partnern ab, die für die Finanzierung der Fussball-App an Bord geholt wurden und mit denen Ringier zurzeit noch verhandle, sagt Trüb weiter.
Die kurze Lebensdauer des ambitionierten Projekts, als das The Collection im vergangenen April der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, überrascht doch einigermassen. Wie will Ringier nach nur zwei Ausgaben wissen, ob sich die Herausgabe eines iPad-Magazin nicht doch einmal rechnen könnte? Oder andersherum gefragt: Waren zum Zeitpunkt der Lancierung nicht ausreichend Informationen verfügbar, die auf die Schwierigkeiten hingewiesen hatten, mit Apps von Apples Gnaden Geld zu verdienen?
Als Antwort darauf heisst es bei Ringier: «Wir sind eben bereit, Risiken einzugehen.» Und auch schnell zu reagieren, wenn sich ein Misserfolg abzeichnet. Diesmal ging es sehr schnell. Vielleicht zu schnell. Immerhin konnte man in Zürich Lehren für die Zukunft daraus ziehen: «Wir haben ganz klar gelernt, dass der Endverbraucher nicht mehr bereit ist, für Content zu bezahlen.» Allein dafür habe sich das Experiment gelohnt, zumal es kaum Vergleichswerte gebe von anderen iPad-Magazinen. Weder The Daily (News Corp.) noch Project (Richard Branson) würden ihre Erfahrungen weitergeben, so Trüb. «Wir konnten gar nicht anders, als diese selber zu machen, wenn wir etwas über die App-Welt erfahren wollten.» Das Vorgehen genoss den Segen der Unternehmensspitze. Wie sagte doch Verleger Michael Ringier vor der Lancierung von The Collection: «Ich habe keine Ahnung, ob das wirklich funktionieren wird.» Jetzt weiss er es.
Dominik Stierli 20. September 2011, 09:18
Da wohl doch noch eher technik-affine Leute das iPad benutzen, war die Themenauswahl für die beiden ersten und so auch letzten Ausgaben wohl etwas zu gewagt. Zu dem war kaum Werbung für die App sichtbar.
Langfristig hätte das Produkt wohl durchwegs seine Chance. Mit Blick und Tages-Anzeiger auf dem iPad sowie dem amerikanischen „The Daily“ starten erst jetzt gerade hochwertige Bezahl-Inhalte. Evtl. ist das ein Weg, die Nutzer von der Gratiskultur im Web etwas abzubringen.
Ruedi Ehrensberger 20. September 2011, 10:32
Und mehr einmal hat Trüb Unmengen Geld verlocht… Und die Leidtragenden sind einmal mehr die Mitarbeiter.
Ugugu 20. September 2011, 16:04
Was den Sammlerwert ins unermessliche steigern lässt.
Chris 23. September 2011, 07:21
Die Themenwahl war doch einfach zu langweilig oder? Technikbegeisterte interessieren sich eher für Themen wie Open Source, das nächste globale Betriebssystem, die Zukunft der Computer usw.
Aber mal im Ernst: wen interessiert Prinz William? Ein Magazin auf dem iPad, welches die Multimediafähigkeiten nutzt – ist Zukunft. Weiter so – aber bessere Themenwahl…
Ueli Custer 01. Oktober 2011, 14:03
Wenn der Verbraucher offenbar nicht bereits ist, für ein Spezialfahrzeug Geld zu bezahlen, heisst das noch lange nicht, dass er nicht bereit ist, für einen PW Geld zu bezahlen. Der Schluss von Ringier ist etwa so falsch wie vor rund 20 Jahren, als in der Schweiz via Satellit frühmorgens eine Wirtschaftssendung ausgestrahlt wurde. Nachdem sich zeigte, dass dieses Konzept nicht zu refinanzieren ist, behauptete die „Fachwelt“, das sei der Beweis, dass sich Privatfernsehen in der Schweiz nicht rechne. Etwas genauer sollte man solche Versuche schon analysieren, wenn man tatsächlich eine Lehre daraus ziehen will.