von René Worni

Unter dem Content-Diktator

Lieber arbeitslos als Redaktor beim Newsnetz: Das hört, wer mit Angestellten der Tamedia-Plattform für «Qualitätsjournalismus im Netz» spricht. Weil die Chefredaktion ihre Schreiberinnen und Schreiber durch den journalistischen Alltag peitscht, ist die Personalfluktuation rekordverdächtig hoch. Unter diesen Bedingungen bleibt die journalistische Qualität mitunter auf der Strecke. Solange die Zahlen stimmen, ist das für die Verantwortlichen kein Thema.

Seit dem Start der Onlineplattform Newsnetz sind die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten belastend. Stellenwechsel und Abgänge gehören zur Tagesordnung. «Arbeitslose Journalisten gehen lieber stempeln, als bei Newsnetz zu arbeiten», sagen Ehemalige übereinstimmend. Vergangene Woche hatte das Medienportal persoenlich.com die aktuellen Abgänge von einer Redaktorin und vier Redaktoren zum Anlass genommen Chefredaktor Peter Wälty nach den Gründen zu befragen. Wältys Aussagen lösten auf der Redaktion von Tages-Anzeiger Online Kopfschütteln und Verärgerung aus. Man empfand sie – milde ausgedrückt – als beschönigend. «Das Interview ist ein Schlag ins Gesicht für jeden, der mal dort gearbeitet hat oder noch arbeitet», sagt ein Ehemaliger.

Wälty stellte im besagten Interview seine Redaktion als Talentschmiede dar, wo journalistisch unerfahrene Leute gefördert würden. Doch viele sind längst gestandene Berufsleute mit beachtlichem Leistungsausweis. Die Praktikantin wurde nicht aus Talentförderungsmotiven zur Lokalreporterin, sondern füllte lediglich eine freigewordene Lücke. Offenbar ist es nicht leicht, Leute für den Job zu finden. Laut mehreren übereinstimmenden Aussagen sei es in der Regel so, dass Leute nicht von der Konkurrenz abgeworben würden, sondern die erstbeste Gelegenheit packten, die Galeere Newsnetz zu verlassen. «Galeere» ist kein von der MEDIENWOCHE erfundenes Bild, sondern ein gängiges Synonym für die Arbeitsbedingungen beim Newsnetz.

Zwei Zahlenbeispiele für die hohe Personalfluktuation: Von den 40 Redaktorinnen und Redaktoren beim Start im August 2008, haben es lediglich zwölf Personen bis heute ausgehalten. Im Januar 2010, also vor dem Ausbau auf heute etwa 60 Redaktorinnen und Redaktoren (ohne Korrektorat, IT etc.), waren insgesamt 45 Leute auf der Redaktion. Von ihnen haben 25, also mehr als die Hälfte, das Boot verlassen. Und das trotz renommiertem Arbeitgeber Tamedia und schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Was sind die Gründe? Chefredaktor Wälty will mit Verweis auf das persoenlich.com-Interview, in dem er bereits alles zum Thema gesagt habe, keine weiteren Auskünfte geben. Stellung nimmt Tamedia-Unternehmenssprecher Christoph Zimmer: «Die Anforderungen, die Peter Wälty an sich und seine engagierte Redaktion stellt, sind hoch.» Das Team sei jedoch sehr motiviert und das Arbeitsklima keineswegs schlecht.

Res Strehle, Co-Chefredaktor des Tages-Anzeigers und einstiger Projektleiter des Newsnetz, fühlt sich für eine Beurteilung nicht kompetent: «Ich sehe zuwenig in die Arbeitsbedingungen hinein.» Wälty bestätigt im Interview auf persoenlich.com den hohen Druck auf seine Leute. Das liege jedoch in der Natur des Onlinejournalismus mit mehr als einem Publikationstermin täglich. Doch der Chefredaktor und sein Stellvertreter und Jugendfreund aus Aargauer Tagen, Michael Marti, trieben es auf die Spitze, sagen Newsnetz-Redaktoren übereinstimmend.

Wältys Redaktion schleudert täglich bis zu 20 Storys mit unzähligen Updates auf die Newsnetz-Frontseite. Das beginnt mit der Morgenschicht im Newsressort, wo man spätestens ab 7 Uhr schon die neuesten Updates und Zusammenfassungen von Ereignissen des Vortages lesen kann. Die letzte Schicht endet um Mitternacht. Der Job am Newsdesk aber auch im Lokalressort ist besonders anstrengend. «Ich habe Leute erlebt, die bis zu 14 Tage am Stück durchgearbeitet haben», sagt ein Ehemaliger. «Man kommt am Morgen und klebt dann den Rest des Tages am Bildschirm und am Telefon.» Das hohe Arbeitstempo lasse keine Sekunde, um sich mit Arbeitskollegen auszutauschen, eine eigentliche «Arbeitsstimmung» sei deshalb inexistent. «Manchmal hatte ich das Gefühl, wir schreiben bloss für sich langweilende News-Junkies, die alle halbe Stunde die Tagi-Site mit der Refreshtaste neu laden», sagt ein weiterer ehemaliger Redaktor.

Die Frontseite auf Tages-Anzeiger online wird so zum unübersichtlichen Durchlauferhitzer für Geschichten. Wie lange sie auf der Front bleiben, hängt einzig von den Zugriffszahlen ab. Mit zweifelhaften Folgen: Am Ende eines Wahltages etwa erfährt man auf der Newsnetz-Frontseite nicht mehr, wer eigentlich gewählt wurde. «Aus meiner Zeit als Chef von 20 Minuten Online weiss ich, dass die Nutzungsintensität zunimmt, wenn das Tempo hoch ist», sagte Wälty vor knapp dreieinhalb Jahren zum Start von Newsnetz. Doch das gilt heute offenbar nur noch begrenzt, denn es ist kein Naturgesetz, wonach eine hohe Publikationsfrequenz alleiniger Erfolgsgarant ist. Blick aber auch die NZZ operieren online mit deutlich weniger Geschichten und sind – je nach Messzahlen – nicht weniger erfolgreich.

Die Journalistinnen und Journalisten sehen sich in ein enges Zeitkorsett gezwängt. Die Schreibenden müssen an der 9-Uhr-Sitzung ihre Story samt Titel bereits fertig im Kopf haben, welche die Chefredaktion am liebsten schon bis zum Mittag hätte, und zwar in der exakt von ihr bewilligten Form und Stossrichtung. Meist wird es jedoch später. In der Regel bleibt aber zuwenig Zeit für Recherche, Interviews und das Schreiben. Das führt zu standardisierten, körperlosen Artikeln mit der Gefahr, dass regelmässig dieselben Auskunftspersonen zitiert werden.

Die Chefredaktion wird übereinstimmend für journalistische Argumente und Kritik als weitgehend taub geschildert. Der Führungsstil sei chaotisch und wenig transparent. Die journalistische Erfahrung der Schreibenden sei nicht gefragt und ihre Leistungen würden nicht geschätzt. Wälty sei zwar grundehrlich, habe aber von Journalismus wenig Ahnung, heisst es. Dafür ist sein Stellvertreter Michael Marti zuständig. Marti, einst bei Facts und bei der NZZ am Sonntag, gilt als Wältys «kongenialer» Partner und Journalist mit kreativen Ideen. Er setze jedoch die Redaktion laufend unter Druck, reite endlos auf kleinsten Fehlern seiner Leute herum und lasse Storys regelmässig wieder umschreiben, die nicht wie vereinbart abgeliefert würden. Durchschnittlich erwartet die Chefredaktion von jedem Mitarbeiter zwei Artikel pro Tag. Im News- bzw. Lokalressort oder bei den Webscouts, die Artikel aus anderen Medien «nachdichten» , ist die Frequenz höher. Das Wirtschaftsressort weigert sich jedoch, mehr als eine Story pro Redaktor täglich abzuliefern.

Wälty weiss aus langjähriger Erfahrung, wie eine Geschichte im Web performt. Da ist er in seinem Element, da macht ihm so schnell keiner was vor. In der Branche gilt er deshalb als der wohl Beste seines Fachs. Und das bereits seit seiner Zeit als Leiter von 20 Minuten Online, wo er zusammen mit Geschäftsführer Rolf Bollmann das Newsportal zum kommerziellen Erfolg führte.

Von 20 Minuten hat Wälty auch das Onlinesystem (CMS) übernommen und für Newsnet angepasst. Es heisst – Nomen est Omen – «Content Dictator». Wälty gilt als Maniac, ein von der Webstatistik Getriebener. Und die Zahlen geben ihm Recht. Einzig die Tatsache, dass die vergleichsweise verschlafene NZZ Online gemäss Net Metrix Audit Oktober 2011 dem Tages-Anzeiger Online nur um 10’000 Unique Clients (auf insgesamt 1,6 Mio. pro Monat) voraus ist, muss den Rechenkünstler zutiefst wurmen.

«Wir werden niemals in Versuchung geraten, einen Tages-Anzeiger zu trivialisieren», sagte Wälty 2008 beim Start. Die Journalistinnen und Journalisten sollten nicht ständig nach dem Webseismographen schielen, welche Story vom Publikum am meisten geklickt werde. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein und die Klickraten sind der treibende Motor. Beim rasanten Produzieren von Inhalten bleiben viele Geschichten an der Oberfläche oder auf dem Boulevard, wie etwa jüngst eine Strassenumfrage, ob der Grünliberale Martin Bäumle als Politiker noch tragbar sei, nachdem er eine Stripteasetänzerin aus der Ukraine geheiratet hatte. Das wirkt sich auch auf die Qualitätsmarke Tages-Anzeiger aus.

Tagi Co-Chefredaktor Strehle, der schon beim Start von Newsnetz die gegenseitige Befruchtung von Print und Online beschworen hatte, weist solches von sich. «Es gibt zwar ein paar Dinge, die mich stören, Umfragen müssten kontroverser und interessanter sein.» Doch die Onlinekultur tue dem Tagi gut. «Ich sehe keine Gefahr, dass dadurch die Marke Tages-Anzeiger beschädigt wird.» Anders sieht das etwa Markenexperte Thomas Ramseier von Brandpulse, der sich dazu in der MEDIENWOCHE bereits Mitte Juli geäussert hat: «Der Tages-Anzeiger funktioniert eigentlich nicht mehr als Marke. Das Newsnetz (…) erzählt etwas anderes als die Zeitung.» Laut Strehle soll jedoch die Zusammenarbeit zwischen Print und Online schrittweise verstärkt werden. Allerdings bestehen ausser zwischen dem Online-Lokalressort und dem blauen Bund der Printausgabe keine Berührungspunkte, vielmehr herrscht Gleichgültigkeit. Auf Kaderebene gibt es sogar vereinzelte Feindseligkeiten. Ob der Befruchtungsfaktor steigt, wenn sich im neuen Tamedia-Gebäude an der Zürcher Werdstrasse die Print und Onlineredaktionen räumlich näher kommen, bleibt abzuwarten.

Leserbeiträge

bugsierer 02. Dezember 2011, 20:02

fuer mich als medienkonsument erschuetternd. aber nicht neu. siehe hier:
http://www.medienspiegel.ch/archives/002971.html

was mich am meisten irritiert ist, dass hier wiedermal keiner aus der schurniszene was sagt. entweder es interessiert niemand von den schurnis, oder sie verdraengen es, oder … keine ahnung… mediensoziologen bitte vortreten.

Fred David 02. Dezember 2011, 21:36

@bugsierer: Sie verdrängen es. Sie verdrängen Vieles. Ich weiss das, weil ich selber einer von denen bin.

Jakob Bünzli 02. Dezember 2011, 21:37

ein journalist, der lieber arbeitslos ist als zu schreiben kann einem nur leid tun. soll er doch seinen job künden und den faulen lenz schieben oder frustriert rumbloggen. niemand wird gezwungen für newsnet zu schreiben. in vielen werbeagenturen herrschen härtere arbeitsbedingungen und ist die fluktuationsrate noch viel höher. in der kommunikationsbranche gibt es bekanntlich sehr viel personalwechsel, die leute werden abgeworben und sind stehts auf der suche nach neuen herausforderungen. dies natürlich vor allem im onlinebereich, unter anderem, weil dort das durchschnittsalter tiefer ist.

meiner meinung nach ist doch positive, wenn eine praktikantin die chance erhält, direkt nach ihrem praktikum in die redaktion einzusteigen. es ist auch nicht selbstverständlich, jemanden ohne grosse praxiserfahrung einzustellen. fragen sie mal jemanden, der nach seinem journalismusstudium einen job sucht. ich finde es grossartig, dass tamedia nachwuchsförderug betreibt. übrigens auch beim tagi print, man denke an die preisgekrönte jungjournalistin simone rau, die ebenfalls nach dem praktikum in die inlandredaktion einsteigen durfte.

es gibt viele sehr gut recherchierte artikel auf newsnet, nicht nur diejenigen, die von der print-redaktion stammen. auch die online-redaktion bringt immer wieder sehr gute stories. selbstverständlich ist bei dieser masse an artikeln auch viel schrottiges, belangloses, unvollständiges und fehlerhaftes dabei. online geht es um news, news, news. wer die geschichte als erstes bringt, wird gelesen. und die leser verlangen nun mal, dass bei jedem besuch eine menge neue artikel dazu gekommen sind. wer hintergründe, analysen und kluge kommentare möchte, kauft den tages-anzeiger. wer gratis news will, kaum passiert, schon im netz, muss halt bei der qualität abstriche machen. dies zeigt auch ihr artikel. newsnet macht das auch sehr gerne: ganze geschichten, die auf anonyme aussagen basieren. obwohl sie wohl keinen wälti im nacken haben sind auch ihnen die kleinen fehler unterlaufen, die halt passieren können, schreiben sie doch mal von newsnetz, dann wieder von newsnet. und blick sowie nzz online sind sehr wohl weniger erfolgreich als newsnet, wenn man die messzahlen richtig lesen kann. aber in allen anderen ausser den oben erwähnten punkten muss ich ihnen zustimmen. ich habe geschlossen.

Vladimir Sibirien 03. Dezember 2011, 08:40

„ich finde es grossartig, dass tamedia nachwuchsförderug betreibt.“

Nachwuchsförderung? Da werden junge Talente verheizt. Bevor die Frischlinge richtig im Berufsleben sind lernen sie erstmal, dass Qualität sowas für den A* ist und nur Klickraten zählen. Und genau da ist das Problem: Sicher kann jeder frei entscheiden, ob er für Neuigkeitennetz schreibt. Aber der Tagi als wichtige Institution prägt die journalistische Landschaft und das Selbstverständnis mehr als irgendeine Werbeklitsche. Es ist mir klar, dass nicht alle für „mare“ schreiben können. Aber das als „Nachwuchsförderung“ zu bezeichnen braucht schon starke Nerven.

Er schreibt sich übrigens Wälty.

Mirko Minimal 03. Dezember 2011, 10:31

@ Bünzli: Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen! Im Artikel geht es ums Newsnetz – und nur indirekt um Tagi Print und die Tamedia insgesamt (nämlich darum, dass nur tatenlos zugesehen wird). Es geht nicht um Simone Rau und es geht vor allem nicht um die Werbebranche.
was die qualität angelangt: einverstanden, es ist hin und wieder auch gutes darunter – wobei das meistens aus dem print übernommen ist. und ja, online kann wohl per se nicht so viel bieten wie print. dennoch: es geht hier nicht um popelige tippfehler, sondern um fahrlässiges (chef-)verhalten. und zwar eines, das unhaltbar ist.

René Worni 02. Dezember 2011, 23:38

@jakob bünzli: Ich hab mich in diesem Artikel für die alte Schreibweise von Newsnetz entschieden. Die beiden fehlenden «z» im Wort Newsnetz sind kokrrigiert. Dank für den Hinweis.
Der Reichweitenvergleich mit blick.ch und NZZonline bezieht sich nicht auf das ganze Konglomerat Newsnet(z), sondern bloss auf den Tages-Anzeiger online (Brand vs. Brand). Der Tagi online ist mit 15’441’899 Visits beziehungsweise 94’322’995 Pageimpressions der NZZ online entsprechend um 3’753’437 Visits beziehungsweise 43’817’645 Pageimpressions voraus. NZZ online dagegen ist mit 1’623’000 Unique Clients dem Tagi online um 10’000 Unique Clients voraus. Das im Monat Oktober 2011. Ok?

Peter Pappnase 04. Dezember 2011, 13:36

Heisst das jetzt, dass Imhof Recht hat?

Stefan Eiselin 05. Dezember 2011, 11:59

Als ehemaliges Mitglied der Chefredaktion von Newsnet gab ich Ihnen, Herr Worni, selbst 30 Minuten zum Thema Auskunft. Davon haben Sie nichts verwendet, obwohl ich Ihnen angeboten habe, Sie könnten mich sogar nach Absprache zitieren. Vielleicht weil meine etwas differenzierte Meinung nicht in Ihr Konzept passte?

Zu beschönigen habe ich jedenfalls nichts, da ich seit längerem an einem neuen Ort arbeite. Ja, vor allem beim Start war es bei Newsnet teilweise sehr hektisch und der Ton ab und zu nicht so, wie er hätte sein sollen. Ja, der Druck war und ist bei Newsnet hoch. Ja, es passierten und passieren auch Fehler.

Aber: Nach den vielen Sparrunden kenne ich keine Redaktion, auf der der Druck nicht hoch, ab und zu gar zu hoch ist. Wäre es wirklich derart unmenschlich bei Newsent zu arbeiten, dann wären wohl nicht viele Redaktoren doch schon seit dreieinhalb Jahren an Bord. Alternativen gibt es ja durchaus genügend, da zurzeit gerade diverse Onlineredaktoren gesucht werden. Trotz Druck wurde bei Newnet auch immer viel diskutiert und gelacht. Wäre es tatsächlich derart schlimm auf der „Galeere“, dann würden sich wohl kaum immer wieder neue Journalisten als Nachfolger für Abgänge bei Newsnet finden. Und zu den von Ihnen monierten Fehlleistungen muss ich entgegnen, dass viele, an die ich mich in den letzten Monaten erinnere, aus durchaus seriösen Printpublikationen stammen.

Mit seriösem Journalismus hat dieser Beitrag nichts zu tun. Ich finde ihn im Gegenteil sogar erschreckend oberflächlich und unausgegoren – besonders für ein Medium, das selbst sehr gerne Fehler und Fehlentwicklungen in den Medien anprangert.

Levin G. 05. Dezember 2011, 13:02

@René Worni: Würden Sie noch zum Kommentar von Stefan Eiselin Stellung nehmen und begründen, warum Sie seine Statements aussen vo liessen?

Nun, diese Berichte über den Verlust von gestandenen Redaktoren sind für uns Leser natürlich nicht sehr ermutigend. Wenn ich aber das Newsnet mit anderen Schweizer Nachrichtenportalen vergleiche, kommt es recht gut weg. 20min.ch kann qualitativ nicht mithalten, nzz.ch deckt nicht annähernd genug Themen ab, was auf fehlende Ressourcen im Online-Bereich schliessen lässt. Dies sind aber umso mehr Gründe dafür, sich um die Qualität des Newsnet Sorgen zu machen. Peter Wältys Vorsatz («Wir werden niemals in Versuchung geraten, einen Tages-Anzeiger zu trivialisieren») ist nobel, wird aber durch einen Verlust an redaktioneller Power auch im Print-Bereich relativiert.

Man würde sich nicht zuletzt eine etwas strengere inhaltliche Linie wünschen. Skandalisierende Artikel über ukrainische Striptease-Tänzerinnen gehören in den Blick, nicht in ins Newsnet.

René Worni 05. Dezember 2011, 13:53

@stefan eiselin: Danke bestens für Ihre Ausführungen und auch vorgängig für Ihre Bereitschaft, der MEDIENWOCHE Auskunft zu geben.
Ich habe nicht nur mit Ihnen, sondern auch mit anderen JournalistInnen zum Teil bestimmt 30 Minuten und mehr gesprochen. Der vorliegende Artikel ist gegenüber seiner ursprünglichen Form stark zurückgenommen und abgedämpft. Am meisten überrascht hat mich, dass sich die Aussagen meiner Quellen alle weitgehend decken und sich lediglich in der Wortwahl etwas unterscheiden. Das zeigt auch die erneute Durchsicht meiner Gesprächsprotokolle. Möglicherweise hätten einige Ihrer Zitate die Aussagen noch weiter gedämpft. Doch selbst persönlich unterschiedlich gefärbte Perspektiven verändern hier die Sache im Kern nicht grundlegend.
Aus Rücksicht auf meine Quellen wollte ich jedoch niemanden, auch nicht eine Einzelperson, namentlich zitieren.

oliver brunner 05. Dezember 2011, 14:20

am meisten erstaunt mich, dass newsnetz und 20min online die gleiche strategie fahren – und das unter dem dach eines konzerns. die herren voigt und wälty bekämpfen sich aber aufs blut – und würden einen primeur lieber dem blick verschenken als beim „kollegen“ sehen. in der arbeitsweise: viel copy-past von ausländischen magazinen, ein hoher output, extremes zuspitzen, dass auch aus dem umgefallenen sack reis in china, eine dramatischer primeur wird gleichen sich auch beide. und bei beiden hat der chef die idee für rund 90% der geschichten und die jungen journis dürfen abtippen und telefonieren, wobei der chef bereits gesagt hat, wer seine these stützt und zitate liefert. beide chefs umgeben sich mit ja-sagern die bewundernd zu ihnen aufschauen. wie gesagt: 20min ist das gratisblatt und man erwartet nichts anderes, wieso newsnetz der marke „tagi“ zugemutet wird, bleibt ein rätsel (für mich).

mdr 08. Dezember 2011, 00:21

Oje, was muss man hier wieder Haarsträubendes lesen. Klingt nach jemandem, der möglichst nie Nachrichtenportale besucht.

1) Die Konkurrenz der beiden Titel ist nicht mehr so gross wie früher.

2) Der Peak des Outputs ist bei uns in etwa erreicht. Auch online ist die Site irgendwann voll.

3) Unser Chef wäre wohl froh, er hätte nur schon Zeit, uns jeden Tag wenigstens einige Geschichten vorzuschlagen. Und die Unterstellung des Thesenjournalismus‘ widerlegt unsere tägliche Arbeit.

Aber irgendwie ist eine sachliche Diskussion wohl sinnlos, wie sich ja nicht zum ersten Mal zeigt.

Tok Bäcker 06. Dezember 2011, 17:18

ich kann thomas ramseier nur zustimmen. das newsnet verwässert mit seinem boulevardesken stil und inflationären human interest stories die (einstige) qualitätsmarke „tages-anzeiger“.
bei der neulancierung des prints vor zwei jahren hiess es, man wolle „Orientierungshilfe und Vertiefung bieten, Wichtiges und Interessantes vom Vernachlässigbaren unterscheiden, Hintergründe aufdecken, Zusammenhänge veranschaulichen, das Geschehen einordnen“. was man heute aber online unter der marke „tages-anzeiger“ findet, ist grösstenteils das genaue gegenteil.
auf die verschiedenen kulturen und die gefahr eines imageschadens angesprochen, sagte der damalige chefredaktor peter hartmeier, dass man täglich darüber diskutiere welche online-geschichten noch „tagitauglich“ seien. anscheinend führt man diese diskussion heute nicht mehr. stattdessen herrscht klickratenmentalität. schade um den tagi.

MBinswanger 07. Dezember 2011, 11:03

Dieser Artikel tut genau, das, was Newsnet immer vorgeworfen wird. Er erzählt nur die halbe Wahrheit. Ich war seit Anfang dabei und bin es immer noch, kann die Arbeitsbedingungen also beurteilen. Fakt ist: Die Produktionsbedinungen bei Newsnet sind stressig, was in der Natur des Mediums liegt. Hier könnte man zu einer Qualitätsdiskussion ansetzen, aber das tut der Artikel nicht, sondern adressiert die Arbeitsbedingungen und die Chefredaktion. Und haut damit daneben. Fakt ist: die Arbeitsbelastung ist anders, aber insgesamt nicht höher, als bei anderen Titeln, bei denen ich gearbeitet habe. Es stimmt auch nicht, dass die Journis bei Newsnet «in der Regel nicht abgeworben» würden. Bei allen, mit denen ich näher zu tun hatte und die gegangen sind, war dies der Fall. Und es gab einige Abwerbungs-Versuche von Kollegen, die sich bewusst für Newsnet entschieden, weil es ihnen hier gefällt. Denn Fakt st auch: Wer gute Ideen hat und engagiert ist, kriegt bei Newsnet viele Freiheiten und wird auch gefördert. Zum Thema Talentschmiede gibt es zu sagen, dass ich in keiner anderen Redaktion eine solche Durchlässigkeit der Hierarchien erlebt habe. Junge Talente müssen bei Newsnet nicht jahrelang Frondienst leisten, bis die älteren haudegen ihnen endlich mal Platz im Blatt einräumen. Wer gut ist, kann sich sichtbar machen. Und sich dann abwerben lassen.
Was allerdings zutrifft, ist dass man oft despektierlich behandelt wird, gerade von der Journalistengilde, die nunmal gern mit Feindbildern operiert. Da hat auch Herr Worni seine Hausaufgaben gemacht.

Levin G. 07. Dezember 2011, 11:23

@MBinswanger: Ich würde nicht sagen, dass die Qualitätsdiskussion gänzlich ausgelassen wird. Was halten Sie als Insider denn von der Qualität des Newsnet?

Felix Schindler 09. Dezember 2011, 13:08

Ich gehöre auch zu den Deserteuren. Dreieinhalb Jahre war ich an Bord, oft hatte es mich zwischen dem Nachrichtenticker, den eigenen Storys und der Planung des nächsten Grossereignisses fast zerrissen. Trotzdem beelendet es mich diese Debatte. Zunächst enthält der Text Unwahrheiten – ich gehe hier nur auf jene ein, die das Ressort Zürich betreffen, für das ich verantwortlich war.

– Die «Praktikantin» füllt keine «freigewordene Lücke», sie belegt eine neu geschaffene Stelle. Doch selbst wenn sie für einen Abgänger nachgerückt wäre: Vorher hatte sie einen befristeten Praktikumsvertrag, heute eine Festanstellung. Weil sie talentiert ist – und weil Peter Wälty das erkannt hat.

– Der Druck im Ressort Zürich ist hoch, aber niemand muss mehr eine bestimmte Anzahl Eigenleistungen raushauen. Wenn jemandem mehr als zwei Storys geglückt sind, freute er sich darüber, dass er einen guten Lauf hatte.

Hätte der Autor mit mir Kontakt aufgenommen, wüsste er das. Dass er darauf verzichtet hat, lässt mich an der Gründlichkeit seiner Recherche zweifeln – immerhin bin ich der einzige der aktuellen Abgänger, der seit Anfang an dabei war und gleichzeitig einen Kaderposten räumte (den ich übrigens im Laufe der Zeit erhielt).

Dramatischer finde ich, welche Dynamik die Debatte inzwischen angenommen hat. Die Medienwoche holt zu einem 9335 Zeichen langen Rundumschlag aus, verwurstet darin so ziemlich alles, wofür das Newsnet jemals kritisiert wurde – was die These entkräften könnte, das unterschlägt der Autor mit System. Etwa die Aussagen eines ehemaligen Mitglieds der Chefredaktion. Ich bezweifle, dass er Text so ein einziges Problem löst.

Dabei wären wir auf kritische Debatten angewiesen, vielleicht mehr denn je. Der Onlinejounalismus ist da und er wird nicht mehr verschwinden. Er fordert die Printkollegen heraus, weil sie sich neu erfinden müssen. Und er fordert uns heraus, weil die Leser ihre Lesegewohnheiten schneller anpassen als wir unsere Methoden verändern können. Niemand weiss, wie wir in zehn Jahren arbeiten werden. Und ich gebe zu: Mich verunsichert das.

Ist es einfacher, mit dieser Verunsicherung umzugehen, wenn wir uns auf einen Sündenbock einschiessen? Wir müssen klären, wie Print- und Onlinemedien künftig gemeinsam ihre Aufgaben wahrnehmen werden. Wenn uns die Kritiker dafür einen Spiegel vorhalten, dann leistet das einen Beitrag zu dieser Debatte. Uns stattdessen eine gezeichnete Fratze als Spiegelbild zu verkaufen, das ist schlicht zu wenig.

P.Z. aus Z 09. Dezember 2011, 18:25

Warum ist Herr Worni eigentlich nicht längst Chef bei Newsnetz? Sind Aggressivität im Ton und lausige Qualität in der Arbeit nicht geradezu idealtypische Voraussetzungen, einen Wälty vom Thron zu stossen?
Auch ich bin Insider und kann nur bestätigen, was meine Vorredner geschrieben haben: Fast alles im obigen Beitrag ist schlicht falsch und das Wenige, was nicht ganz falsch ist, wurde vollkommen verzerrt wiedergegeben.

Jan Derrer 10. Dezember 2011, 10:26

Die Arbeit beim Newsnet ist fordernd und anspruchsvoll. Die Zeit  ist immer knapp, der Druck ist hoch, manchmal zu hoch. Das stimmt. Und es gibt viele Abgänge und Neuzugänge. Das stimmt auch. Immer wieder erhalten Newsnet- Mitarbeiter Angebote. Ein ehemaliger Kollege baut in einer Führungsfunktion eine Onlineplattform für eine Wirtschaftszeitung auf, ein anderer reorganisiert die lokale Onlineredaktion einer Tageszeitung. Ein dritter wechselte zu einer Sonntagszeitung und ein vierter wurde von einer Wochenzeitschrift als Ressortchef abgeworben.

Ansonsten ist das meiste im Artikel falsch  und einiges wird verzerrt dargestellt. Zudem frage ich mich, was für eine Vorstellung der Verfasser vom Tagesjournalismus hat. Empört berichtet er, dass die Redakteure bereits um sieben Uhr morgens erste „Updates“ liefern müssten. Er soll sich bitte mal beim Radio erkundigen. Diese armen Kerle müssen ihre morgendlichen „Updates“ noch viel früher liefern. 

Die Newsnet-Redaktion wird als ein Haufen von frustrierten Galeerenhäftlingen beschrieben. Ich erlebe meine Kolleginnen und Kollegen anders; sie sind unterstützend, humorvoll, kreativ, engagiert und professionell. Bei vielen habe ich sogar sogar den Verdacht, dass sie gerne fürs Newsnet arbeiten und den grossen Gestaltungsspielraum, den wir in der täglichen Arbeit haben, geniessen. 

Was ist eigentlich falsch daran, wenn die Redaktion Praktikanten eine Stelle anbietet? Wir hatten das Glück, immer wieder talentierte Praktikanten im Team zu haben. In jüngster Zeit bekamen zwei eine unbefristete und einer eine befristete Anstellung. Praktikanten, die nicht auf der Redaktion blieben, erhielten sofort Stellen in den Bereichen Online, Radio und Videoproduktion.

Dem Autor ging es anscheinend nicht um ein umfassendes Bild. Der Artikel ist eine Mischung aus anonymen Zitaten, ergebnislosen Telefonaten und Vorurteilen gegen das Medium Online und das Newsnet insbesondere. An vielen Stellen ist nicht klar, aus welcher Quelle die Informationen stammen.

Die Medienwoche möchte ein Medienblog sein. Laut Eigendefinition setzt sich die Redaktion „vertieft in Hintergrundberichten, Analysen, Interviews und Meinungsbeiträgen mit der Materie auseinander.“ Bitte vertieft euch in Zukunft ein bisschen mehr in die Materie.

Christian Mäder 10. Dezember 2011, 11:39

Für mich als Blogger gelten schon lange Klickraten, Verweildauer und Reichweite in Social Media als Kriterien. Dass diese Messgrössen auch bei Newsportalen als Masstab gelten, ist doch ganz ok. Wer soll sonst die Qualität beurteilen? Eine 10-Köpfige Jury?
Recherche, Hintergründiges etc gehört in die Wochenzeitungen.. aber auch dort heisst irgendwo durch wohl: Resonanz = Qualität. Und solange eine Zeitung werbefinanziert wird, wird dies wohl auch so bleiben.

Philippe Wampfler 10. Dezember 2011, 12:12

1.) Klickrate
2.) Verweildauer
3.) Reichweite in Social Media.

Es müsste doch so sein:
1.) Verweildauer und Reichweite
völlig belanglos: Klickrate.

Wenn man ein Detail herausgreift, das mich an Newsnet stört, dann sind es die erotischen Teaser-Bilder und die oft schräg zum Artikelthema stehenden Titel, welche einzig und allein Klicks generieren. Sie schaffen weder lange Verweildauer und auch keine Verbreitung in Social Media (außer, es wird ganz oberflächlich geshart, etwas, was ich statistisch weder belegen noch widerlegen kann).

Jan Derrer 10. Dezember 2011, 12:25

Erotische Teaser? Wie zum Beispiel aktuell Sarkozy, Merkel und Wirtschaftsprofessor Thomas Straubhaar? Sprichst du wirklich von tagi.ch?

Philippe Wampfler 10. Dezember 2011, 14:53

Ich meine z.B. die Teaser für die Blogs, e.g. den Running-Blog. Da würde mich das Verhältnis von Klicks, Verweildauer und Social Media-Reach mal interessieren… 

Anders Kort 12. Dezember 2011, 13:30

Ein paar Beispiele gefällig? Diese und ähnliche Titel stehen beim Newsnet regelmässig ganz oben bei den meistgelesenen Artikeln:

«Diese Bilder zielen nicht einfach darauf ab, Männer aufzugeilen»
«Wirtschaftsregeln für besseren Sex»
«Freitag, die beste Zeit für ein Date»
Fünf Missverständnisse der (körperlichen) Liebe
Unmoralische Angebote – die neue Datingkultur
«Zügellose Blüten»
7 Dinge, die Frauen über Männer wissen müssen
«Sorry, ich kann keine Nutte spielen»
Das attraktivste Kapital
Die Kuss-Frage
Wie dick darf eine Führungskraft sein?
Wie kontaktfreudig sind Business-Frauen?
Frauen in der Smartphone-Falle
Wie gut können Frauen rechnen?
«Geheimnisse aus der Samenbank»

Was nach «Frauenheftli» klingt, läuft bei tagi.ch unter „Hintergrund“. Was soll das?

mbinswanger 14. Dezember 2011, 16:15

Oha. Also erstens kann man von jedem Onlineportal, auch sicheren Werten wie NYT, The Guardian, WP, Spiegel, Süddeutsche usw. problemlos eine solche Auflistung machen. Was soll das denn überhaupt aussagen? In welchem Zeitraum sind die Geschichten erschienen? Und haben Sie sie gelesen oder stören Sie sich nur am Titel? Und zweitens: Soll das etwa heissen, Frauenthemen dürften nur in „Frauenheftli“ stattfinden? Sind es die Frauenthemen, die Tagi.ch ihrer Meinung nach abwerten?

Vladimir Sibirien 11. Dezember 2011, 01:57

All diese Messgrössen sind keine Kriterien für Qualität, weder Klickrate noch Verweildauer.

Für eine Qualitätsmessung bräuchte es ganz andere Instrumente. Zum Beispiel so eine Art statistische Unwahrscheinlichkeit – wie unpopulär ist das Thema in der Medienlandschaft („underreported“), umgekehrt proportional zur eigenen Themenabdeckung. Oder Kennzahlen zu Quellen und Zitaten, Zeitpunkt der Abrufe (Wochenende?) etc etc. Klickraten & Co. geben nur Auskunft zur Popularität, und das hat GAR NICHTS mit Qualität zu tun! Im Gegenteil!

Qualität kann man schlecht messen, man kann sie aber gut sicherstellen. Indem Prozesse und Richtlinien spezifiziert und die eigenen Qualitätsansprüche definiert werden. Dann muss man auch nachher nichts mehr messen. 🙂

Philippe Wampfler 11. Dezember 2011, 23:58

Es ist sicher nicht die schlechteste Position, im Qualitätsdiskurs zu behaupten, es gäbe keine messbaren Kriterien für Qualität. Wahrscheinlich stimmt das sogar. Die Frage ist dann aber, worüber man genau spricht.
Tatsächlich wird ja die Arbeit von gewissen Anreizen gesteuert. So weit ich das beurteilen kann, sind das heute Klicks – weil sie werberelevant sind. Andere Kriterien spielen kaum eine Rolle. Würde man von der Verweildauer ausgehen – nur als Beispiel – dann könnte man immerhin messen, wie viel Zeit lesende bereit sind in die Lektüre einer Geschichte zu investieren. Kein so schlechtes Kriterium, wie ich finde.

Vladimir Sibirien 12. Dezember 2011, 14:24

Die „mittlere Verweildauer“ ist ein typisches Produkt eines Marketingbedürfnisses. Das Web erlaubt es nicht, diesen Wert zuverlässig zu messen. Erstens befindet sich der Konsument in einem unkontrollierten Umfeld. Wer weiss, vielleicht putzt er nebenbei noch die Zähne. Zweitens braucht der durchschnittliche 20 Minuten Leser länger beim Lesen mit Finger als ein Bürger mit IQ über Zimmertemperatur. Und drittens erlauben Webtechnologien nicht, diesen Wert zuverlässig zu messen. Viertens führen Nutzungsmuster zu unerwarteten Effekten – ich öffne alle mir als interessant erscheinenden Artikel in Tabs und lese diese der Reihe nach durch. Mittlere Verweildauer: <1 Sekunde.

Nochmal, das eigentliche Problem ist die Definition von Qualität. Was ist ein qualitativ guter Artikel. Das ist eine derart individuelle Frage, dass sich auch keines der wenigen Messegrössen dafür hergeben lässt.

Ich sehe ein viel, viel grösseres Problem darin, dass sich genau aus der oberflächlichen Beantwortung der Frage nach Qualität Fehlentwicklungen ergeben. Klar floppt der 20 Minuten Shop trotz der atemberaubenden Klickraten! Man meint Qualität zu messen und wundert sich nachher, dass niemand bereit ist, Geld auszugeben. DAS wäre ein Qualitätskriterium. Sind die Leser bereit, für den Dienst zu zahlen. Das ist der einzig wahre acid test. Denn: Der Kaufentscheid beinhaltet die Inhaltsbereitstellung (journalistische Standards, Benutzerfreundlichkeit), die Lieferung an den Kunden (schnelle/langsame Website, Barrierefreiheit etc) und letztlich das subjektive Empfinden. Nur der direkte Kundenkontakt kann die ganze Kette abdecken, und die Zahl der Abos ist eine unmittelbar verknüpfte Qualitätsaussage.

Philippe Wampfler 13. Dezember 2011, 21:40

Die Kritik an der Messbarkeit der Verweildauer in Ehren – wenn innerhalb eines Angebotes nicht die Artikel mit den meisten Klicks sondern die mit der größten Verweildauer als erfolgreich angesehen würden, dann spielt wohl weder das Zähneputzen noch die Lesegeschwindigkeit eine Rolle… Aber ich will gar nicht für messbare Kriterien Werbung machen; meine Aussage ist nur die: Wenn man misst, dann bitte nicht mit Klickzahlen.
Der „acid test“ des Kaufens ist doch derselbe wie die Verweildauer: Im Internet zahle ich mit Aufmerksamkeit, also Zeit.

Vladimir Sibirien 14. Dezember 2011, 08:07

Vielleicht darf ich die Diskussion so beenden: Wir reden komplett aneinander vorbei.

Koni Baum 20. Oktober 2012, 21:23

Man amüsiert sich hier köstlich am Geschwätz von Leuten, die sich in ihrem Ghetto balgen, weil ihnen offenbar Lust oder Fähigkeit für einen konstruktiven Broterwerb abgehen. – Immer fleissig weiter laptöppeln !