…und wo sollen die alle arbeiten?
Es gibt viele Journalistenschulen in der Schweiz, die theoretische Grundlagen ausbilden. Das Problem: Die Schüler treffen auf völlig andere Realitäten in den Redaktionen. Erfolgreiche Journalisten werden in der täglichen Praxis und in der Zusammenarbeit mit Vorbildern erzeugt.
Während journalistisch arbeitende Medien die letzten Jahre in finanzielle Bedrängnis gekommen sind, Leistungen abbauen mussten und es überhaupt ständig weniger rein journalistische Arbeitsplätze gibt, werden immer mehr Journalisten ausgebildet. Junge, teilweise orientierungslose Menschen, die «etwas mit Medien» machen wollen, bilden eine Nachfrage, die Journalistenschulen mit einem Angebot befriedigen – hier etwa der Kostenkatalog des IAM. Auch das Publizistikstudium ist seit vielen Jahren ein Renner unter Studenten.
Wir haben dazu bei den Journalistenschulen nachgefragt, wie viele Absolventen sie denn durchschnittlich in den letzten Jahren ausgebildet haben. Genaue Zahlen konnten die Ringier-Journalistenschule und das MAZ liefern, ungefähre Schätzungen erhalten haben wir von der Medienschule Nordwestschweiz (MNS), dem Institut für Angewandte Medienwissenschaft (IAM) und der Schule für angewandte Linguistik (SAL). Zusammengezählt ergibt sich trotzdem ein klares Bild, siehe unsere Grafik hier:
Praxisorientierte Studiengänge bieten auch Hochschulen an, zum Beispiel die Abteilung Medien- und Kommunikationswissenschaft der Uni Fribourg.
Nicht wenige Lehrer an den Journalistenschulen (auch den sogenannt praxisbezogenen) dozieren aus einer Zeit und für eine Zeit, die vorbei ist. Von den Möglichkeiten des Onlinejournalismus, von Links und sozialen Netzwerken haben viele oft keine blasse Ahnung. Journalistenschüler beklagen, in dieser Hinsicht nichts gelernt zu haben, zum Beispiel Moritz Kaufmann, inzwischen Mitarbeiter der «Basellandschaftlichen Zeitung»: «Ich hätte gerne gelernt, wie man Infografiken programmiert und Websites bearbeitet.»
Es ist eine untergegangene Zeit, in der die gedruckte «New York Times» das leuchtendste Vorbild am Horizont, der Pulitzer-Preis das höchste Ziel, Diskussionen über die Abgrenzung verschiedener Textformen die schönste Theorie sind. Aus theoretischen und historischen Gründen ist es sicher nicht falsch, das mal zu hören. Für die zeitgenössische journalistische Praxis kann das aber nur etwa jeder zehnte oder hundertste Abgänger gebrauchen.
In der Newsnetz-Online-Redaktion zum Beispiel muss ein Neuling schon recht bald mal zwei oder drei Storys täglich raushauen. Journalismus ist da nicht das Ziel der Arbeit, sondern vielmehr das Mittel zum Erreichen der Klickperformance, mit der die Werbegelder stehen und fallen. Recherchen zu betreiben, aus denen vielleicht nichts wird, liegt nicht drin – dafür ist der Tag zu kurz (das gilt auch für viele Zeitungen). Abwehren muss der Neujournalist zudem das Bombardement der PR-Leute, die den Auftrag haben, ihn zu vereinnahmen. Einfach ist das nicht, hat er doch mit einigen von ihnen, zum Beispiel an der ZHAW, noch vor Kurzem freundschaftlich die Schulbank geteilt. Wie verschlungen die Zusammenarbeit zwischen Werbung und Journalismus in den Schweizer Medien sein kann, auch, vielleicht vor allem auf Chefredaktor-Ebene, hat Lukas Egli kürzlich in seiner Gripen-Werbung-Story aufgezeigt.
Doch Schulen und Lehrgänge hin oder her – die Praxis scheint immer noch die allerbeste Journalistenschule überhaupt zu sein. Denn wenn es darum geht, anhand von bekannten Journalisten eine Liste zu erstellen, welche Ausbildung denn nun die erfolgreichste ist, dann ragt ganz klar ein Name obenaus: Roger Schawinski.
Hier eine sicher unvollständige Liste von durchaus wohlbekannten Schülern der Schule Schawinski: Matthias Ackeret, Markus Gilli, Eva Wannenmacher, Hugo Bigi, Reto Brennwald, Frank Baumann, Katja Stauber, Florian Inhauser, Urs Leuthard, Röbi Koller, Ursi Spaltenstein, Dani Wyler, Daniela Lager, Nik Hartmann, Mario Torriani, Anna Maier, Nik Niethammer, Daniel Pünter, Claudio Zuccolini, Pascal Scherrer, Roman Kilchsperger, Jörg Kachelmann, Peter Wick, Marc Giriet, Daniel Ammann, Andi Büchi.
Nicht nur viele Radio-1-Leute, auch ein guter Teil des journalistischen Personals des Schweizer Fernsehens sind Schüler der Praxisschule Schawinski – man fragt man sich: wo sind die SRF-Vorbilder, welche Talente ziehen sie nach, welche Talente haben sie nachgezogen? Ist die Ausbildung bewusst ausgelagert an private Medienunternehmen?
Es ist Zeit, Schawinski öffentlich zu danken. Seine erfolgreiche Arbeit in der Ausbildung hat er auf eigenes Risiko durchgeführt – und das ohne Studiengebühren oder Subventionen zu kassieren. Wenn auch nicht in Worten, so ist das in Taten bereits geschehen – die Montagabendsendung „Schawinski“ wurde exakt auf seine Bedürfnisse zugeschnitten.
Dank im Namen des Schweizer Journalismus gebührt auch allen anderen, die jungen Talenten den Mut mitgegeben haben, etwas zu wagen und sie ab und zu auf den richtigen Weg zurückgeschubst haben. Für unerfahrene Journalisten ist es ein Glück, wenn sie mit den / für die Herausragenden der Branche arbeiten dürfen. Für ihre journalistische Laufbahn profitieren sie dadurch offenbar mehr als von jeder Schule.
Nachtrag, 16. Januar 2012: Im Konzessionsgesuch
für Radio 1 sind Radio- und Fernsehmitarbeiter aufgelistet, die Roger Schawinski seit 1979 ausgebildet hat:
Schüler von Roger Schawinski (PDF-Datei)
Matthias Oppliger 15. Dezember 2011, 14:55
Es wird wirklich höchste Zeit, dass es in der „Branche“ nicht mehr als Nachteil angesehen wird, über eine – auch theoretisch – fundierte journalistische Ausbildung zu verfügen. Jeder Einzelne der nach einem Studium (egal ob Journalismus, Betriebswirtschaft oder Elektrotechnik) eine Stelle antritt, muss zuerst eingearbeitet werden. Kein Studium „erzeugt“ fertige Berufsleute. Aber ein Studium fördert die kritische Haltung zur eigenen Profession und gibt Gelegenheit, sich über die eigene Rolle Gedanken zu machen.
Hat jemand Talent, wächst diese Person an den praktischen Anforderungen der täglichen Arbeit und nutzt dabei Fähigkeiten, welche während des Studiums erworben wurden. Hat jemand kein Talent, wäre diese Person auch an einer praktischen Ausbildung gescheitert.
Philippe Wampfler 15. Dezember 2011, 15:01
Verstehe ich das richtig: Wenn man eine Liste macht mit Absolventen einer »Schule«, dann ist die von Schawinski die beste? Nach welchen Kriterien?
Man kann leicht ein paar Namen aus MAZ-Listen herauspicken und merkt dann wohl schnell, dass Journalisten wie Alexander Mazzara oder David Bauer zwar die New York-Times-Ideale kennen gelernt haben möchten, nun aber durchaus in der Gegenwart lebendige Medien gestalten.
Sollte die Aussage allerdings sein, dass viele auch praxisbezogene Berufsausbildungen immer mehr verschult werden – dann bin ich völlig einverstanden.
Ronnie Grob 15. Dezember 2011, 15:13
Das die Schule Schawinski die „beste“ ist, habe ich nur im Ankündigungstweet geschrieben, das ist ja kaum zu messen und mehr eine persönliche Einschätzung; im Text steht „erfolgreichste“.
Ich bin aber gespannt auf Gegenbeweise. Vielleicht kann jemand auch kurz mal 26 ähnlich bekannte Namen oder mehr einer anderen Schule auflisten.
Reto Stauffacher 15. Dezember 2011, 15:14
Praxis ist und bleibt die beste Ausbildung! Ein Studium ist auch nicht dazu da, zu lernen, wie man Interviews macht – vielleicht liegt darin ein Konzept-Fehler zum Beispiel eines IAM (das ich besuche). Ein Studium sollte die theoretischen Modelle und die Wissenschaft näher bringen (das Denken anregen). Dazu braucht es ein Praktikums-Semester und Kontakt mit Leuten aus der Praxis; beides hat das IAM zum Glück im Portfolio. Ich bin überzeugt, dass jeder, der will, auch im Journalismus arbeiten kann. Voraussetzung dafür aber ist, dass gewisse Leute ihre naive Vorstellung von Journalismus (Welt verbessern und seitenlange Reportage schreiben) verwerfen – dabei muss der eine oder andere vielleicht auch über seinen Schatten springen. Nicht jeder schafft’s ins Bundeshaus und keiner wird ein neuer Schawinski!
Anna Rosenwasser 15. Dezember 2011, 16:02
Eine Journalisten-Ausbildungsstätte muss nicht nur theoretisch sein, sondern kann sehr wohl auch modernen, praxisbezogenen Unterrichtsstoff anbieten. Die akademische Ausbildung zum Schreiberling soll die praktische Erfahrung natürlich nicht ersetzen. Aber das gilt für jeden Beruf.
Den direkten Vergleich, der Journalismus-Studierende abwertet, halte ich für unreflektiert und zu pessimistisch. Schulisch ausgebildete (Jung-)Journalisten können für die Schweizer Medienwelt eine Chance sein – zurzeit wird dieser Wert wohl noch unterschätzt.
David Bauer 15. Dezember 2011, 16:12
Es ist ein gerne bemühtes Klischee «aus einer Zeit und für eine Zeit, die vorbei ist», dass die Praxis alleine gute Journalisten hervorbringt. Natürlich ist Praxiserfahrung unabdingbar (weshalb übrigens bei den Journalistenschulen mehrere Praktika während des Studiums heute usus sind).
Ich selber will aber meine journalistische Ausbildung (an HMS in Hamburg und MAZ) nicht missen. Und zwar nicht, weil ich dort mein journalistisches Handwerk gelernt hätte – dieses schult man tatsächlich unter realen Bedingungen am besten. Sondern, weil ich da Zeit und Gelegenheit hatte, mich mit Journalismus in einem grösseren Kontext auseinander zu setzen. Historisch, juristisch, ethisch, Journalismus als gesellschaftliche Aufgabe, als Geschäftsmodell, Journalismus als Beruf im Umbruch. Kurzum: Eine kritische Auseinandersetzung, die dabei hilft, eine eigene Haltung als Journalist zu entwickeln.
Man wird in der Praxis schnell genug mit (tatsächlichen oder eingeredeten) Sachzwängen konfrontiert, da lohnt es sich, mit festen Rückgrat und klaren Idealen zu starten.
Beat Rüdt 15. Dezember 2011, 18:14
Bitte nicht am Anfang des Textes von Journalistenschulen schreiben, die theoretisch ausbilden und dann als erste Beispiele jene beiden Schulen nennen, die berufsbegleitend ausbilden,Web 2.0 und Crossmedia fest im Stundenplan integriert haben und dann fortfahren mit der Feststellung, Onlinejournalismus komme in der Ausbildung nicht vor.
Fred David 15. Dezember 2011, 18:20
Im Gegensatz zu @)David Bauer komme ich wirklich aus einer andern, aus einer bleiernen Zeit. Seine Erfahrungen treffen sich aber mit meinen präzis. Ich habe praktisch angefangen, zuerst als Lokalreporter, dann als Inlandredaktor. Erst danach besuchte ich die Deutsche Journalistenschule in München, die einzige mit direktem Link zum Uni-Studium, die es damals im deutschssprachigen Raum überhaupt gab (es gibt sie immer noch und sie soll immer noch gut sein). Die Kombination war ideal. Ich habe keinen Tag bereut. Da die meisten von uns schon ziemlich viel an praktischer Erfahrung mitbrachten, haben wir unsere Lehrer – die meisten exzellente Profis mit tiefem Background – auch ziemlich gefordert, nicht bloss sie uns: eine kreative, effizient genutzte Zeit, die in mir erst recht das feu sacré für diesen Beruf anfachte.
Letzteres, ich sag’s offen, vermisse ich heute beim Nachwuchs. Das ist nicht Pfahlbauerromantik. Leidenschaft gehört zu diesem Beruf. Man kann das nicht an Journalistenschulen lernen. Die Glut muss man schon mitbringen, aber man kann an Journalistenschulen lernen, wie man mit dieser Glut umgeht, sie produktiv nutz, notfalls zügelt – aber nie ganz ausgehen lässt, auch dann nicht, wenn man auf der Karriereleiter a bissl weiter nach oben kraxelt.
Maurice Velati 15. Dezember 2011, 18:27
Ich kann alle Meinungen verstehen… Theorie und Praxis müssen irgendwie in einem Gleichgewicht stehen. Und deshalb schätze ich meine Ausbildung so sehr… Meinen Stage bei Radio DRS (heute sogar trimedial möglich bei SRF). Praxisnah (Ausbildung on the job in einer Redaktion) und reflektiert (in x Kursen mit grossen Namen der SRG). Da werden noch grosse Namen kommen, nicht alle erfolgreichen Journis der SRG waren bei Schawi 😉
Moritz Kaufmann 15. Dezember 2011, 23:41
Danke fürs Zitat Ronnie. Ich möchte aber doch anfügen, dass ich nicht nichts, sondern meiner Meinung nach einfach ein bisschen zu wenig gelernt habe im Bereich Online-Journalismus. Allerdings kann man sich immer streiten, wieviel wo gelehrt werden soll. Das ist nicht nur an Journalistenschulen so, sondern im ganzen Bildungsbereich. Man denke nur an Diskussionen wie Frühenglisch, Sexualkundeunterricht etc.
Einen Punkt hast du am IAM kritisiert, den ich ein bisschen differenzierter sehe: Klar habe ich mit Leuten die Schulbank gedrückt, die jetzt in der PR arbeiten. Aber das sind auch die, welche beispielsweise Interviews mit SBB-Chef Andreas Meyer vermitteln. Unsere Branche funktioniert nun mal über richtige Kontakte und da bin ich froh, dass ich zu Beginn meiner Journalistenkarriere schon auf welche zurückgreifen kann.
Und à propos wo sollen die alle arbeiten: Das frag ich mich bei den abertausenden Germanistik-, Romanistik-, Kunstgeschichte- usw. Studenten jeweils auch. Die landen ja auch nicht alle auf dem RAV…?
Vinzenz Wyss 16. Dezember 2011, 02:30
Lieber Ronnie, das unterscheidet eben den (Online?)Journalisten vom Wissenschaftler. Wir haben die Zahlen. Sowohl am IAM als auch beispielsweise beim IPMZ an der Uni Zürich werden regelmäßig Absolventenstudien gemacht. Ich kann Dich beruhigen, die jungen Leute finden ihre Stellen. Solche Studien werden übrigens auch an internationalen Konferenzen verglichen und diskutiert; eben reflektiert. Wir wissen aber auch, wo und unter welchen Befingungen die jungen Journalisten arbeiten. Oft unter Bedingungen, die ein Reflektieren aus Distanz nicht zulassen. Gerade das Vernögen zur Selbstkritik und Reflexion, das Vermögen, auch strukturelle Bedingungen des Berufes frühzeitig zu erkennen, ohne dass man vorher in die Gripen-Falle tritt, das Vermögen die Branche auch zu irritieren, all dies lässt den Beruf erst zur Profession werden. Zugegeben, das Handwerk lernt man am besten in der Praxis, unter Echtbedingungen; das ersetzen auch zwei oder drei Jahre Praxisausbildung an der Hochschule nicht. Das nachvollziehbare, empirisch geprüfte, geteilte, einer Kritik unterzogene und immer wieder in Frage gestellte,
theoretische Wissen aber, das wird nicht einfach per se durch Praxiserfahrung kompensiert. Theoretisches Wissen sollte nicht unterschätzt werden, nur weil man damit nicht in Kontakt gekommen ist.
Anita Felder 16. Dezember 2011, 08:06
„Abwehren muss der Neujournalist zudem das Bombardement der PR-Leute, die den Auftrag haben, ihn zu vereinnahmen. Einfach ist das nicht, hat er doch mit einigen von ihnen, zum Beispiel an der ZHAW, noch vor Kurzem freundschaftlich die Schulbank geteilt.“
Ich bin mir ziemlich sicher, auch Sie pflegen privat freundschaftliche Beziehungen zu PR-Leuten. Lassen Sie denn deren Inhalte eher in den redaktionellen Teil einfliessen, nur weil sie befreundet sind? Gerade weil wir mit den PR-Leuten die Schulbank gedrückt haben und auch diese Seite kennen, sind wir sensibilisiert auf den Einfluss der PR und können professionell damit umgehen. Theoretische Hintergründe, die besagtem Chefredaktor im Gripen-Fall gut getan hätten…
Ronnie Grob 16. Dezember 2011, 09:42
Vielen Dank für die bisherigen Rückmeldungen. Es ist ja nicht so, dass man zwingend eine Journalistenschule besuchen muss, um sich über journalistische Theorie zu informieren. Viel lernen kann man meines Erachtens auch einfach, in dem man sich genau ansieht, wie jene arbeiten, deren Arbeit man als vorbildlich einstuft. Man kann auch vom Lesen etwas für das Schreiben lernen. Und vom Zuhören und Zuschauen etwas für das Senden.
Das angeblich sehr harmlose Nebeneinander von PR und Journalismus sehe ich kritischer. Wir sind alle anfällig in Beziehungen, wir möchten alle, wenigstens ein bisschen, geliebt werden. Menschen, die man mag und mit denen man immer wieder Kontakt hat, kann man nicht fünfmal, nicht zehnmal nacheinander einen Gefallen abschlagen. Irgendwann wird man, was ja durchaus menschlich, nachvollziehbar und völlig normal ist, weich. Gleiches gilt für Leute/Firmen, die einen fünfmal, zehnmal eingeladen haben. Irgendwann wird man sie dafür in irgendeiner Form belohnen. Der kritische Journalismus aber verlangt das Gegenteil, nämlich eine stets eingehaltene Distanz.
Fred David 16. Dezember 2011, 10:03
Auch wenn der letzte Absatz von @)Ronnie Grob in vielen Ohren überaus cooler Profis puristisch klingt: Er stimmt. Diese Grenzen müssen klar definiert und dann auch eingehalten und grobe Vertösse müssen sichtbar sanktioniert werden. Wenn aber schon Chefredaktoren – ein Beispiel wurde hier mehrfach erwähnt – solche Grenzen für Weicheier-Getue halten, und das womöglich auch noch so an Journalistikstudenten weitergeben, wird der Journalismus weiter ins Zwielicht geraten. Das kann all jenen nicht wurscht sein, denen solche Grenzen selbstverständlich sind, nicht weil sie fromme Moralapostel wären, sondern weil sie ihren Beruf von Larifari-Leuten nicht kaputt machen lassen wollen.
Sylvia Egli von Matt 16. Dezember 2011, 15:08
Schön, dass wieder mal über die journalistische Ausbildung geschrieben und nachgedacht wird. Es gibt in der Tat sehr verschiedenen Möglichkeiten in unseren Beruf einzusteigen – und das ist gut so. Denn in ihrer Unterschiedlichkeit tragen sie auch zu einer gewissen Diversity in Redakti-onen bei. Es wäre schade, ja recht eigentlich gefährlich, wenn künftig ausschliessllich Hoch-schulabgänger JournalistInnen werden könnten.
Aus meiner Sicht aber unabdingbar für alle sind Sprachkompetenz, fundiertes Allgemeinwis-sen, Unvoreingenommenheit und vor allem Leidenschaft. Nur wer wirklich Journalist sein will, hat Aussicht auf Erfolg. Am MAZ betonen wir diesen klaren Fokus – und geben ihm entspre-chend bei der umfassenden Aufnahmeprüfung viel Gewicht. Auch deshalb finden wohl die meisten MAZ-Abgängerinnen ganz schnell Arbeit im Journalismus. Und sicher ebenso, weil die Vernetzung mit der Praxis sehr eng ist – über die Volontariate und die Dozierenden, die erfolg-reiche JournalistInnen sind. Es ist übrigens eine Praxis, die wissenschaftlich fundiert ist und die in der Ausbildung reflektiert wird. Dieses Nachdenken über Aufgaben, Rollen und Arbeiten ist ein Privileg. Im Alltag kommt es leider zu kurz.
Luc Hubeli 17. Dezember 2011, 11:42
Ich verstehe die Argumentation nicht ganz. Zuerst geht es um die „Produktion“ von Journalisten, dann leidet natürlich die Qualität unter dem Druck möglichst viele Klicks zu erreichen und am Schluss kommt ein Lobgesang auf Roger Schawinski. Das alles unter dem Titel „…und wo sollen die alle arbeiten?“.
Die Qualitätsdiskussion ist mittlerweile nun auch schon nicht mehr die jüngste und es gibt andere Orte, wo diese lebhaft abgehandelt wurde und hoffentlich immer noch wird. Und Roger Schawinskis Medienschule mag viele Talente hervorgebracht haben, sie mag gut sein. Das alles beantwortet aber nicht die Frage wo die Absolventen der verschiedenen Institutionen arbeiten sollen.
Wie Herr Wyss bereits beantwortet hat: Die Leute finden ihre Stellen. Natürlich gibt es immer mehr Absolventen von immer mehr Schulen. Und das ist so – so einfach es sich anhört – weil tatsächlich eine Nachfrage existiert, wie die genannten Absolventenstudien auch zeigen. Mann muss zudem festhalten, dass nicht annähernd alle, die eine Medienausbildung machen, Journalist werden. Viele gehen beispielsweise eben auch in den Bereich der PR. Wo meiner Meinung nach an Schweizer Schulen ein Aufholbedarf besteht, ist im Bereich Social Media. Dieser birgt ein unheimliches Potenzial und wird konstant unterschätzt. Obwohl viele Unternehmen schon längst eigene Abteilungen eingerichtet haben, hinkt die Ausbildung hinterher und es müssen Talente aus dem Ausland importiert werden.
Dominik Stroppel 18. Dezember 2011, 16:57
Lieber Ronnie
Du fragst in deinem Artikel: „Wo sind die SRF-Vorbilder, welche Talente ziehen sie nach, welche Talente haben sie nachgezogen? Ist die Ausbildung bewusst ausgelagert an private Medienunternehmen?“
Ist das Polemik oder kann es dir bei deinen Recherchen wirklich entgangen sein, dass es bei SRF (bzw. bei SR DRS und SF) seit 10 Jahren ein Stagiaire-Programm gibt, das mittlerweile rund 100 junge Journalisten durchlaufen haben? Es kombiniert Ausbildung „on the job“ (in verschiedenen Redaktionen von SRF) mit internen und externen Ausbildungsangeboten. Im Moment läuft zum ersten Mal ein trimediales Stage-Programm, das zwei Jahre dauert und sowohl praktische als auch theoretische Ausbildung in den Vektoren Online, TV und Radio umfasst.
Ich glaube, dieses Ausbildungsangebot darf sich sehen lassen.
Herzlich, Dominik
Samuel Burri 18. Dezember 2011, 20:22
Interessante Grafik, gibt zu denken.
Wie schon erwähnt, dieser Satz ist falsch.
Irgendwo muss man einsteigen, das ist oft beim Lokalradio oder Lokalfernsehen. Leuchtet doch ein, oder?
Zudem: Ein Drittel der aktuellen DRS3-ModeratorInnen kommen von DRS Virus. Und sie waren zuvor nicht bei Radio 24.
André Schibli 20. Dezember 2011, 14:21
Das IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft verknüpft gezielt Praxis und Theorie. So arbeiten im Praxisunterricht rund 50 erfahrene PraktikerInnen aus den Bereichen Journalismus und Organisationskommunikation mit den Studierenden zusammen und sensibilisieren sie, was die Arbeit in den Redaktionen, Kommunikationsabteilungen, Agenturen etc. betrifft. Im 2. Studienjahr absolvieren die Studierenden Praktika und können so wiederum Praxis und Theorie reflektieren. Der regelmässige Kontakt zu 200 Partnerunternehmen fördert in einem weiteren Schritt den Austausch zwischen Ausbildung und Praxis, aktuell u.a. in den Bereichen Medienkonvergenz und Social Media. Dass die AbsolventInnen dann die Routine in der täglichen Arbeit erst einmal aufbauen müssen, ist selbstsprechend.