von Nick Lüthi

«Blochers Garantie war entscheidend»

Nach Tito Tettamanti ist Georges Bindschedler (58) der zweitgrösste Aktionär der Medienvielfalt Holding AG. Der Verwaltungsrat der neuen Eigentümer der Basler Zeitung ist kein Unbekannter im Mediengeschäft: Bis 2003 war Bindschedler Verwaltungsrat der Berner Espace Media und der Berner Zeitung. Ausserdem engagiert er sich finanziell und als Autor für den «Schweizer Monat». Im Gespräch mit der MEDIENWOCHE äussert sich der Berner Rechtsanwalt zur Zukunft der BaZ, zur Rolle von Christoph Blocher und sagt, was es mit der Mission der Medienvielfalt Holding auf sich hat.

Medienwoche: Wann haben Sie erfahren, dass eine neue Trägerschaft für die Basler Zeitung aufgebaut werden soll?
Bindschedler: Das war etwa dann, als Moritz Suter bekanntgegeben hatte, dass er seine Aktien zurückverkaufen werde. Also vor rund zwei Wochen.

Wer hat Sie angefragt, ob Sie als Aktionär einsteigen möchten?
Tito Tettamanti. Mit ihm war ich schon längere Zeit im Gespräch, auch im Zusammenhang mit der Medienvielfalt Holding AG, aber nicht konkret zur Basler Zeitung. Wir kennen uns auch über den «Schweizer Monat» und aus dem Verein Zivilgesellschaft, den Tettamanti bis vor einem Jahr geleitet hatte. Da pflegten wir einen Gedankenaustausch.

War diese Entwicklung für Sie absehbar?
Nein, das kam für mich überraschend, denn ich habe mich mit den Ereignissen in Basel nicht eingehend befasst. Das ging ein bisschen an mir vorbei. Ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich mich an der neuen Trägerschaft für die Basler Zeitung beteiligen könnte.

Sie sind nach Tito Tettamanti die Nummer zwei in der Medienvielfalt Holding AG mit fünf Millionen investierten Franken und 12,5 Prozent der Aktien. Haben Sie auch entsprechend viel zu sagen?
Das hoffe ich doch, dass ich mich auf der strategischen Ebene einbringen kann. Ich glaube auch, dass Herr Tettamanti das so wünscht, weil er schätzt, was ich für den «Schweizer Monat» getan habe. Natürlich hat Tettamanti das Sagen, er trägt auch die Hauptverantwortung. Aufs Operative habe ich keinen Einfluss. Das ist Sache von Filippo Leutenegger, der als Delegierter des Verwaltungsrats und CEO die Basler Zeitung führen wird.

Christoph Blocher spielt weiterhin eine zentrale Rolle bei der Basler Zeitung. Er trägt das finanzielle Risiko des Druckgeschäfts. Wären Sie ohne die Garantie Blochers auch eingestiegen?
Vermutlich nicht. Man muss schon sehen: Diese Garantie ist der Ersatz für die Buchprüfung. Dank Christoph Blocher konnten wir auf eine Due Diligence verzichten. Wenn es nicht möglich ist, die Geschäftsbücher vor einer Übernahme eingehend zu prüfen, weiss man nicht, worauf man sich einlässt.

Die absehbaren Sanierungsmassnahmen im Druckgeschäft der Basler Zeitung dürften wohl für weitere Unruhe sorgen.
Das gehört halt dazu. Aber ich will Filippo Leutenegger nicht ins Handwerk pfuschen. Er ist dort in erster Linie gefordert und sein Verwaltungsrat der BaZ Holding. Erst in zweiter Linie müssen wir uns damit befassen. Ich habe das volle Vertrauen, dass Leutenegger die richtige Lösung finden wird. Er hat dafür die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen.

Weshalb engagieren Sie sich in der Medienvielfalt Holding?
Es ist die Freude an den Medien und ein gewisses Verpflichtungsgefühl. Ich will einen Beitrag dazu leisten, dass Medien in der Schweiz überleben können und unabhängig bleiben. Es soll möglichst viele Medien geben mit unterschiedlichen Trägerschaften. Nur das ermöglicht eine Meinungsvielfalt. Die Konzentration fördert den Eintopf. Medien werden heute viel zu oft nur noch als Produkt angeschaut. Das ist eine Überzeugung, die ich mit Tito Tettamanti teile.

Innerhalb der neuen BaZ-Trägerschaft ist es aber nicht gerade weit her mit der Meinungsvielfalt. Verwaltungsrat und Aktionariat sind mehrheitlich im national-liberalen Spektrum zu verorten.
Es ist die Überzeugung aller Beteiligten, dass es wichtig ist, zu verhindern, dass alle Medien im gleichen Topf landen. Unter den Aktionären findet man durchaus unterschiedliche Meinungen und Ansichten. So homogen, wie Sie das darstellen, sind wir dann doch nicht. Klar stehen wir alle auf der liberalen Seite. Das verbindet uns auch. Damit enden aber die Gemeinsamkeiten. Ich kann mir gut vorstellen, dass es zu konkreten Fragen unterschiedliche Meinungen gibt. Aber in der Grundüberzeugung, ein unabhängiges Medium zu erhalten, darin sind wir uns alle einig.

Die neue Trägerschaft der BaZ heisst Medienvielfalt Holding, jene der neugegründeten Tageswoche in Basel heisst Stiftung für Medienvielfalt. Da kann kein Zufall sein.
Wir haben die Ähnlichkeit der Namen zu spät bemerkt und konnten nicht mehr reagieren. Unser Name stand auch schon längere Zeit fest. Aber ich hoffe, dass es nicht zu Problemen führen wird.

Die Turbulenzen um die BaZ rühren im Wesentlichen daher, dass Christoph Blocher mit verdeckten Karten gespielt und auch gelogen hat, was sein Engagement anging. Was sagen Sie dazu?
Ich habe mich nicht näher damit beschäftigt. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Damals nicht und auch jetzt nicht. Es interessiert mich auch nicht. Aber ich gehe davon aus, dass wir mit der nun geschaffenen Transparenz über die Eigentumsverhältnisse etwas Ruhe hinkriegen und diese Probleme lösen können.

Das glaube ich Ihnen nicht.
Wissen Sie, das ist jetzt Geschichte. Ich will in die Zukunft schauen, nicht zurück. Wie können wir unsere Mission erfüllen? Das interessiert mich.

Worum geht es bei dieser Mission?
Wir wollen dort aktiv werden, wo wir der Meinung sind, dass die Meinungsvielfalt gefährdet ist. Dazu brauchen wir aber nicht um jeden Preis neue Beteiligungen. Es kann auch sein, dass wir uns nur an der BaZ beteiligen. Dafür unterstützen wir noch andere Projekte, die unserer Mission entsprechen. Etwa die geplante Nachrichtenplattform Les Observateurs von Uli Windisch in der Westschweiz. Oder es ist auch vorstellbar, dass wir als Medienvielfalt Holding eine wissenschaftliche Untersuchung finanzieren, um zu sehen, wie stark die liberale Musik in den Schweizer Medien spielt.

Spielt denn diese «liberale Musik» zu leise?
So direkt würde ich das nicht sagen. Sagen wir es so: Ich habe das Gefühl, dass wir zu viel Mainstream haben in den Medien, zu viel Gleiches auf allen Kanälen. Die Medien transportieren oft kritiklos schemenhafte Haltungen.

Zum Beispiel?
Die Berichterstattung zu den Bundesratswahlen hat in den Medien ein völliges Übergewicht erhalten. Ständig die Spekulationen, wer wird gewählt, wer wird abgewählt. Dabei sind das nicht die wesentlichen Probleme, vor denen die Schweiz steht. Ich denke da an das Gesundheitswesen. Was zum Beispiel Managed Care genau bedeutet, verstehen die Wenigsten und wohl auch nur wenige Journalisten. Also können Sie es auch dem Publikum nicht erklären.

Das hat oft auch mit mangelnden Ressourcen in den Redaktionen zu tun. Das können Sie ja nun ändern bei der BaZ.
Das werden wir auf jeden Fall versuchen zu tun. Neben den fehlenden Ressourcen liegt es aber auch am Fokus der Medien. Vielleicht sollte eine Redaktion halt nicht alle Kapazitäten dafür aufwenden, über die Bundesratswahlen zu berichten, sondern auch die wichtigeren Dinge nicht aus dem Auge verlieren.

Sie sind ja nicht nur wegen dieser Mission eingestiegen, sondern auch wegen dem Geschäft. Was erwarten Sie da?
Da sollte schon etwas herausschauen. Ein Medienunternehmen muss rentieren, damit es überlebensfähig ist. Wenn es nicht rentiert, findet man auch keine Investoren, die das Unternehmen halten. Die braucht es halt schon irgendwann. Für mich ist die NZZ ein gutes Beispiel. Dort soll ein breites Aktionariat die Unabhängigkeit gewährleisten. Allzu breit darf es aber auch nicht werden, weil sonst das Risiko zunimmt, dass man das Aktionariat nicht mehr unter Kontrolle hat.

Wie geht es nun weiter mit der Medienvielfalt Holding?
Wir treffen uns im Januar zu unserer ersten Verwaltungsratssitzung. Dort wird es darum gehen, dass alle Mitglieder auf dem gleichen Wissensstand sind. Wahrscheinlich liegt der Schwerpunkt bei der Berichterstattung. Und dann müssen wir uns finden.

Leserbeiträge

Fred David 20. Dezember 2011, 14:34

Der „Schweizer Monat“ übrigens, von dem hier die Rede ist, wird hauptsächlich vom Privatbankier und NZZ-Präsidenten Konrad Hummler finanziert, eine im rechtskonservativen Spektrum beachtenswerte und flott gemachte Zeitschrift mit programmatischem Anspruch. Es regt sich da schon was in der rechten Medienszene, und vor allem: Es steckt enorme finanzielle Potenz dahinter.

Das ist alles natürlich nicht verboten, es kann die eingefahrene Medienszene durchaus beleben, aber es lohnt sich schon, Augen und Ohren offen zu halten, wer mit wem und warum. Die Geheimnsikrämerei um die Beteiligungen geschieht ja nicht bloss aus vornehmer Zurückhaltung.

Das Ganze spielt sich vor eine Szene ab, wo bisher als sicher gehaltene politische und wirtschaftliche Positionen plötzlich ins Wanken geraten sind, und zwar in einer Art und Weise, wie das im innersten Swiss Establishment nicht für möglich gehalten wurde. Es ist nicht mehr alles so leicht führ- , kontrollier- und kalkulierbar wie früher. Das macht denn doch einige Kreise ziemlich nervös.

Spannende Zeiten stehen bevor.