von Stephanie Rebonati

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Sie sind mit Handy und Computer aufgewachsen. Heute ist die erste Generation der Digital Natives erwachsen. Im Volksmund heisst es: «die Jungen geben für Informationsmedien kein Geld aus und lesen nur noch gratis und online». Diese Jungen sind inzwischen 25 bis 35 Jahre alt, haben Jobs, Wohnungen und Geld – und sie kaufen damit auch Abonnements für Druckmedien. Vor allem für Sonntagszeitungen und Special-Interest-Magazine geben sie Geld aus. Warum sie das tun? Die Stichworte sind Ritual, Integration, Ästhetik. Wir haben acht Digital Natives zu ihrer Mediennutzung befragt.

Tim Ramholt (27), NLA-Eishockeyspieler
Sabine Arnold (32), Assistentin Modedesign
Renato Kümin (25), Marketing-Koordinator
Filipa Peixeiro (26), Fotografin
Keiran Smith (25), Banker
Deborah Harzenmoser (24), Leiterin Kommunikation und Beratung
Ronny Gechter (33), Kommunikator FH
Angelina Zehnder (27), Art Director

Tim Ramholt (27), NLA-Eishockeyspieler
«Die Welt ist komplex, einzigartig. Ich will ein Teil davon sein, darum lese ich über sie»

Im Briefkasten
In meinem Elternhaus hatten wir den «Tages-Anzeiger» abonniert. Noch heute, nachdem alle vier Kinder ausgezogen sind, liegen bei meinem Vater überall Zeitungen rum. Bei mir sieht es gleich aus. In meiner ersten Wohnung hatte ich auch den «Tagi» abonniert, merkte aber rasch, dass mich die tägliche Zeitung überfordert. Mein Ersatz dafür sind «10vor10», «Arena», «Reporter» und «Schweiz aktuell». Seit bald drei Jahren liegt die «NZZ am Sonntag» im Briefkasten. Sie versorgt mich die ganze Woche über mit Lesestoff, mit Hintergrund und Analyse. Seit zwei Monaten habe ich auch die Neupublikation «Reportagen» abonniert: Wunderschöne Reportagen aus aller Welt in einem hochwertig gestalteten Magazin – ein Liebhaberstück.

Am Kiosk
Am Samstag ist es Tradition, dass ich mir den «Tagi» besorge wegen dem Magazin. Regelmässig kaufe ich mir Fachmagazine zu Eishockey, «Slapshot» und «Tophockey» für Insidernews und grosse Interviews, die in den Massenmedien nicht vorkommen.

Im Netz
Online-Journalismus lässt mich kalt. Ich sitze ungern am Computer. Was ich aber täglich beim Morgenessen kurz anschaue: www.nhl.com, www.eishockeyfans.ch und www.blick.ch für News aus meiner Branche, Transfergeschäfte, Spielerdaten, Verletzungen, Spielstände. Der «Blick» macht gute Sportberichterstattung, das muss man ihm lassen.

Sabine Arnold (32), Assistentin Modedesign
«Erst durch das Lesen kann ich meine eigene Meinung bilden, diese weiter transportieren und versuchen, die Welt und mich als winziges Individuum darin ansatzweise zu verstehen»

Im Briefkasten
Ich habe den «Tages-Anzeiger» abonniert, den ich bereits gerne am Morgen zum Frühstück durchblättere und je nach Gelegenheit mittags oder abends nochmals zur Hand nehme. Ich hatte nur während einer kurzen Zeit, als ich zwei Jahre in Spanien lebte, keine Tageszeitung im Briefkasten. Im Nachhinein weiss ich, dass mir dadurch ein tägliches Ritual fehlte. Frisch Gedrucktes für zwischendurch ist ein Muss für mich. Seit einem Jahr flattert mir monatlich die «Saisonküche» ins Haus – sie ist inspirierend für die Alltagsküche sowie für grössere Gelage.

Am Kiosk
Ab und zu kaufe ich die «NZZ am Sonntag». Eine Wochenzeitung beleuchtet aktuelle Themen anders oder eben vertiefter, oft ist das spannend, so dass ich an einem Sonntag gelegentlich ein paar ruhige Stunden mit der Zeitung vertrödeln kann. Meist wenn ich unterwegs bin, kaufe ich mir zur Unterhaltung ein Modejournal wie «Bolero», «Annabelle» oder «Vogue». Hochglanzmagazine riechen anders als Recycling-Zeitungen, das ist andere Kost, ästhetisch irgendwie.

Im Netz
Am Laptop und dem iPhone lese ich kaum Tagesinformationen, irgendwie gehört für mich dazu das Papier in die Hand, ein Stuhl ein Tisch, der Sitz im öffentlichen Verkehrsmittel, Sofa oder Bett. Das Internet dient mir geschäftlich wie privat vorwiegend für Recherchen und als Nachschlagewerk.

Renato Kümin (25), Marketing-Koordinator
«Wenn ich Geld für Printmedien ausgebe, habe ich einen hohen Anspruch an die Qualität der Publikation. Ich kaufe vor allem Hefte, die auch Sammelcharakter haben»

Im Briefkasten
Ins Haus kommt momentan nur die «NZZ am Sonntag». Eine gute Sonntagslektüre. Ich bin kein grosser Fan von Abos, vielleicht weil ich mir die Freiheit offenhalten will, nach Lust und Laune oder nach bestimmten Artikeln Magazine zu kaufen.

Am Kiosk
Am Kiosk kaufe ich ab und zu das «Monocle», für mich eines der besten Magazine zu Lifestyle und Design. Ich schätze die Vielfältigkeit der Artikel und das Layout. «Monocle» schafft den Spagat zwischen Online und Print auf eine sehr eindrucksvolle Weise, da könnten sich andere Blätter eine dicke Scheibe davon abschneiden: Die Artikel im Magazin werden online immer mit Zusatzinfos hinterlegt. Oft gibt es dazu einen Podcast oder einen Webclip. Was ich in Zürich vermisse, sind Magazine Stores, wie ich sie von Berlin oder Paris kenne, mit einer sorgfältigen Auswahl an hochwertigen, internationalen Magazinen. Oft muss ich Publikationen online bestellen.

Im Netz
Ich bin seit kurzem stolzer Besitzer eines iPad. Da hab ich alle meine Bookmarks, die ich für die tägliche Informationsbeschaffung brauche, gespeichert. Eine sehr gute App dafür ist Flipboard. Flipboard vereint alle meine Quellen wie Facebook, Twitter, Blogs und Websites, filtert sie und vereint sie in einem ansprechenden Layout in Form eines Magazins. So habe ich eine persönliche Tageszeitung, die auf meine Interessen zugeschnitten ist.

Filipa Peixeiro (26), Fotografin
«Es ist schön sich Zeit zu nehmen für ein echtes Umblättern, dafür gebe ich auch gerne Geld aus»

Im Briefkasten
Abonniert habe ich die «NZZ am Sonntag», die «Annabelle» für drei Monate und eine amerikanische Fotografenzeitschrift «Photo District News». Die Zeitschrift wäre auch als kostenpflichtiges Online-Abo möglich gewesen, ich habe mich aber bewusst für die gedruckte Ausgabe entschieden, weil mir das Format gefällt, ich was in der Hand und später dann im Regal habe.

Am Kiosk
Am Kiosk kaufe ich meistens am Donnerstag und Samstag den «Tages-Anzeiger». Magazine kaufe ich querbeet, ich lasse mich oft von der Bildsprache führen. Wenn ich mich für eine neue Fotoarbeit oder einen Auftrag vorbereite, kaufe ich sehr viele Magazine, das hat mit Inspiration, Recherche und Neugierde zu tun.

Im Netz
Auf meinem iPhone habe ich das «Tages-Anzeiger»-App. Ich finde es praktisch, unterwegs auf die News zu lesen. Fragwürdig finde ich es jedoch, warum man gratis alle Artikel lesen kann. Artikel werden von Menschen geschrieben, bebildert und gestaltet. Das muss doch honoriert werden.

Keiran Smith (25), Banker
«Täglich Geld auszugeben für Druckmedien, macht für mich keinen Sinn»

Im Briefkasten
Abonniert habe ich die «Bilanz», weil es mich interessiert, was in den oberen Wirtschafts-Etagen passiert. Die «Bilanz» als Special-Interest-Magazin liefert mir Hintergrundinformationen zu Wirtschaftsthemen, die in den Massenmedien nicht mit derselben Tiefe erarbeitet werden. Dann habe ich noch verschiedenste NGO-Zeitungen, weil ich mich so oft von diesen Strassenverkäufern zur Spende überreden lasse.

Am Kiosk
Mich interessieren Wochenzeitungen immer mehr, die Sonntagspresse vor allem. Ich stelle fest, dass sie vermehrt aktuelle Themen mit Hintergrundinformationen liefern. Ich erachte die Recherchen der Journalisten als sehr spannend und ich erkenne einen Mehrwert für mich als Leser. Vor einer Reise kaufe ich mir gerne die aktuellsten Männer- oder Modemagazine, das ist reine Unterhaltung, visuell und punktuell. Geld für tägliche Druckmedien auszugeben macht für mich keinen Sinn. Als Rentner blättere ich vielleicht jeden Tag die Zeitung, heute will ich aber nicht so viel Altpapier generieren.

Im Netz
Ich verbringe viele Stunden online. Innert kürzester Zeit beschaffe ich mir weitreichende Informationen zu Themen, die mich interessieren: von grundsätzlichem, über detailliertes Fachwissen bis zu Erfahrungsberichten finde ich alles.

Deborah Harzenmoser (24), Leiterin Kommunikation und Beratung
«Lesen ist seit meiner Kindheit ein wichtiger Bestandteil meines Alltags. Damals war es ein fantastischer Schritt in die Unabhängigkeit»

Im Briefkasten
Abonniert habe ich «Persönlich», das Schweizer Wirtschaftsmagazin für Kommunikation. Es ist mir wichtig, über News und Trends in meiner Branche auf dem Laufenden zu sein. Die Webseite reicht mir dafür nicht. Ich muss das Papier spüren und riechen. Im Briefkasten liegt auch die «Annabelle». Der Mix zwischen Mode, Lifestyle und journalistischen Beiträgen macht das Magazin angenehm abwechslungsreich. Ein Schnupperabonnement für den «Tages-Anzeiger» habe ich auslaufen lassen, weil mir die Zeit für eine ausgeprägte tägliche Lektüre fehlt. Dafür habe ich jetzt neu die «NZZ am Sonntag». Geld für Abonnements auszugeben, bereue ich keinesfalls.

Am Kiosk
Am Kiosk hole ich mir – falls überhaupt – eine nette Sommerferien-Lektüre für einen faulen Tag an der Limmat oder für einen langen Flug.

Im Netz
Das iPhone hat meine online Lesegewohnheiten stark verändert. «News to go» haben im stressigen Alltag ihren Reiz. Praktischerweise werden einem die Breaking News direkt aufs mobile Endgerät geschickt. Das spart Zeit. Ich habe die Apps von «Tages-Anzeiger», «20 Minuten-App» und «ZüriTipp» installiert. Online nutze ich gerne das Videoportal vom Schweizer Fernsehen. Ich geniesse es, unabhängig von Sendezeiten Dokumentarfilme und Reporter-Beiträge zu sehen.

Ronny Gechter (33), Kommunikator FH
«Ich schätze Printmedien sehr. Wegen der Ästhetik, der Haptik, dem täglichen Ritual»

Im Briefkasten
In meinem Elternhaus lag täglich der «Blick» auf dem Esstisch. Mein Grossvater hatte damals die Schnapsidee, meiner Mutter den «Blick» als Geschenk zu abonnieren. Der «Blick» war für mich mehr Sexualkunde, als dass ich etwas über das Weltgeschehen erfahren hätte. Später hatte ich über mehrere Jahre «Der Bund» abonniert. Seit rund vier Jahren bin ich nun Abonnent des «Tages-Anzeigers». Nebst den täglichen News schätze ich auch den «ZüriTipp» und «Das Magazin».

Am Kiosk
Früher gönnte ich mir oft mehrere Magazine zu amerikanischen Sportarten – doch dies ist passé. Die Resultate der NBA erfahre ich im Internet, weil in den Schweizer Zeitungen kaum darüber berichtet wird und mir die Zeitschriften zu teuer sind. Anstelle der Magazine lese ich heute Blogs. Jedoch kaufe ich mir am Kiosk regelmässig die «SonntagsZeitung», weil ich sie mag und ich sie in meiner Jugendzeit über mehrere Jahre vertragen habe – sie ist mir dadurch mehr ans Herz gewachsen als beispielsweise die «NZZ am Sonntag».

Im Netz
Ich habe immer das Gefühl, ich könnte etwas Wichtiges verpassen, darum lese ich nebst dem «Tages-Anzeiger» auch täglich online, meistens auf www.nzz.ch. Ich bin davon überzeugt, dass heutzutage extrem viel gelesen wird – egal ob Print oder online. Nicht nur wegen Gratiszeitungen, sondern weil man integriert und informiert sein möchte.

Angelina Zehnder (27), Art Director
«Den Medien kritisch gegenüberzustehen, eine eigene Meinung zu bilden und sich zu fragen, ob dieses oder jenes durch die Medien zu sehr aufgeblasen wird, ist für mich essentiell»

Im Briefkasten
Der «Tages-Anzeiger» kommt täglich und das seit Jahren. Ich schätze es, eine Tageszeitung abonniert zu haben, mit der ich mich übers Weltgeschehen informiere und Hintergrundwissen erfahre. «Das Magazin» lese ich je nach Themen. Früher war’s Max Küngs Kolumne, die mich erfreute, heute lese ich mindestens Michèle Roten und immer wieder Daniel Binswanger. Die «Annabelle» hab ich als lockere Bettlektüre abonniert. Zudem findet das Schweizer Grafikmagazin «Idpure» den Weg in meinen Briefkasten.

Am Kiosk
Sonntags kaufe ich je nach Programm eine Sonntagszeitung. Meistens ist es die «NZZ am Sonntag». Immer wieder kaufe ich «Die Zeit», «The Guardian», die englische und französische «Vogue», «Kinki», «Dazed and Confused». Bin ich im Ausland, durchforste ich dort die Kioske nach Magazinen, denn die Auswahl an ausländischen Magazinen ist in der Schweiz mager. Als visueller Mensch interessiert mich weniger der Inhalt, sondern die Gestaltung und Bildsprache von verschiedenen Heften.

Im Netz
Ich lese sehr selten online. Da ich den ganzen Tag über am Computer arbeite, schätze ich das Haptische an den physisch vorhandenen Medien. Was gibt es gemütlicheres, als morgens Zeitung zu lesen und Kaffee zu trinken?

Leserbeiträge

köbi bünzli 26. Januar 2012, 21:21

sehr interessanter artikel, vielen dank.

Leo Nauber 27. Januar 2012, 13:08

Es interessiert eigentlich immer nur die „digital natives“. Nichts gegen diese, ganz im Gegenteil. Doch in denken, 80% der so genanntgen „digital NICHT natives“ nutzen seit Jahren die elektronischen, digitalen, virtuellen Kanäle genau so; intensiv, professionell, oft. Vielleicht weniger um einfach irgend eine Sprechblasenmittelung wie „ach Scheisse“ raus zu lassen, und dann als Antwort :)))) zu erhalten, sondern mehr professionell, beruflich und in einem ausgedehnteren Deutsch auch privat.
Von daher finden für mich Resultate von Umfragen bei den einen oder andern nur sehr sehr beschränkt Eingang. Interessant ist doch die gesamte Bevölkerung und deren Verhalten. Auch, weil sich ja alles immer weiter entwickelt, Kinder zu Jugendlichen, zur Elterngeneration, zu den Pensionierten etc. Von den Gesunden zu den Kranken. Und damit entwickelt und ändert sich auch das Verhalten der Menschen. Und dieser Fluss ist es, der wichtige Rückschlüsse erlaubt. Aber den zu erforschen, zu studieren, zu analysieren geht halt nicht mit einem Multiple Choice Verfahren und zählen von Kreuzleins pro Kolonne.
So, genung gemekert. Aber macht Eure Arbeit doch etwas ernsthafter, alles andere ist Geldverschwendung. Ganz schlimm, wenn es Steuergelder sind, die über (halb)staatliche Organisatione, Institute, Schulen etc. sinnlos verbrannt werden.