Einer aus der Familie
Seit zwei Tagen ist Marc Walder CEO von Ringier. Er folgt auf Christian Unger, der nach drei Jahren die Spitze des Unternehmens bereits wieder verlässt. Überraschend an der Personalie ist nur der Zeitpunkt. Dass Walder einmal an der Spitze von Ringier stehen würde, hat sich in den letzten Jahren abgezeichnet.
Mit der Medienmitteilung am letzten Donnerstag war die Amtsübergabe bereits vollzogen. Marc Walder, bisher verantwortlich für das Geschäft in der Schweiz und Deutschland, steht ab sofort als CEO an der Spitze des globalen Medienkonzerns Ringier.
Walders Vorgänger Christian Unger schreibt auf seiner Webseite, es sei für ihn der richtige Zeitpunkt, «neue Aufgaben anzunehmen». Auch von offizieller Seite war bisher nichts zu den Gründen für den überraschenden Führungswechsel zu erfahren; nur ein dürres Communiqué ohne Würdigung und Dankesworte für die Leistungen des bisherigen CEO, als wolle man die Ära Unger möglichst schnell vergessen machen.
Der Abgang Ungers überrascht insofern, als dass der bisherige Ringier-CEO bei seinem Amtsantritt 2009, der Sonntagszeitung sagte, «sehr viel länger als nur zwei oder drei Jahre» für Ringier arbeiten zu wollen. Nun waren es nur drei Jahre. Offensichtlich hat Unger die Erwartungen an die Dauer seiner Amtszeit drastisch nach unten korrigiert – oder korrigieren müssen.
Einer der Gründe dafür heisst Marc Walder. Wer den Karriereverlauf des früheren Tennisprofis als Journalist und späterer Manager bei Ringier anschaut, erkennt nur eine Richtung: Nach oben. Nun ist er ganz oben angekommen. Insofern vermag höchstens der Zeitpunkt zu überraschen, nicht aber der Umstand, dass Walder irgendwann an der Spitze von Ringier stehen würde.
Als er vor einem Jahr danach gefragt wurde, ob er als nächstes den Posten von Unger übernehmen werde, beantwortet Walder die Frage ausweichend und sagte nur, dass er sehr glücklich sei und sich «in der spannendsten und zufriedenstellendsten Situation meines Berufslebens» befinde.
Mit Marc Walder steht nun jemand an der Spitze von Ringier, der der Verlegerfamilie sehr nahe steht. Den Verleger Michael Ringier kennt Walder seit dreissig Jahren. Deshalb gebe es eine persönliche und berufliche Komponente, die sie aber zu trennen wüssten. Die Nähe zum Verleger, sowie – noch wichtiger – die unternehmensinterne Karriere, sind denn auch die augenfälligen Unterschiede zum zurückgetretenen Christian Unger, der als externer Manager zu Ringier gekommen war. Damit war Unger eine grosse Ausnahme an der Spitze des Konzerns. Der letzte Spitzenmann ohne Stallgeruch war Peter Schneeberger Mitte der 1980er Jahre. Danach folgten mit Michael Ringier, Oscar Frei und Martin Werfeli alles Figuren mit langjähriger Ringier-Karriere.
Sicher nicht nachteilig wirkt sich für Walder aus, dass er es mit der grauen Eminenz von Ringier, dem Publizisten Frank A. Meyer, gut kann. Woche für Woche trinken die beiden zusammen einen Espresso, plaudern über Gott und die Welt und veröffentlichen das Gespräch als Interview in der Schweizer Illustrierten. Diese Nähe suchte Unger nicht. Im Gegenteil. Nach seinem Amtsantritt bezeichnete Unger Meyer als «einen Journalisten, mittlerweile pensioniert, der in Berlin lebt», nachdem dieser versucht hatte, dem neuen CEO den Tarif durchzugeben.
Bei allen atmosphärischen und zwischenmenschlichen Komponenten bleibt für die Berufung an die Spitze der unternehmerische Leistungsausweis ausschlaggebend. Den hat sich Walder mit dem Umbau von Ringiers Schweizer Geschäfts vom Medien- zum integrierten Unterhaltungskonzern erworben. Ein Weg, der sich auch für das globale Geschäft anbietet, zumal Ringier schon heute sein Geld im Ausland nicht nur mit Zeitungen und Zeitschriften verdient. Events, Sport und Stars, die drei Säulen, auf denen Ringier in der Schweiz sein Unterhaltungsgeschäft abstützt, kennen keine Grenzen.
Peter Förster 07. April 2012, 14:49
Ein Artikel über Ringier und fast kein Wort der Kritik ist hier zu lesen, wie schade! Ein Beispiel gefällig? Findet denn niemand die Chruut und Rüebli „Strategie“ von Ringier höchst bedenklich? Die tun so, als wären sie Journalisten. Dabei sind ihre Zeitschriften (wobei man die eigentlich Kurzzeitbilder nennen sollte, von schlauer Schrift findet man bei Ringier nämlich nichts) nichts anderes als Kreuzwerbekanäle, auf denen man die eigenen Events, die eigenen Webplattformen wunderbar ungestört und beliebig manipulativ bewerben kann.
Wenn das kein Skandal ist. Von Unabhängigkeit und Journalismus keine Spur bei Ringier!
Hochachtungsvoll, Ihr Peter Förster
P.S. Um den Journalismus steht es natürlich auch bei der NZZ und TA Media überhaupt nicht mehr gut. Am ehesten könnte man noch der Weltwoche zubilligen, so etwas wie Journalismus zu betreiben.
Nick Lüthi 07. April 2012, 15:56
Als regelmässiger Leser der Medienwoche wüssten Sie, dass wir uns immer wieder kritisch mit Ringier auseinandersetzen. Eine Suche mit den entsprechenden Begriffen hilft weiter.
Fred David 07. April 2012, 18:58
Naja, wenn der CEO eines grossen Medienhauses nach drei Jahren sozusagen über Nacht seinen Schreibtisch räumen muss, möchte man bei Gelegenheit denn doch noch mehr über die Hintergründe erfahren. Dass er nicht zur „Familie“ gehörte, ist nicht gerade neu. Wieso sollte diese Erkenntnis jetzt ohne jede Uebergangsfrist zum abrupten Abgang geführt haben? Die Zahlen, die er lieferte, waren ja glänzend. Auch fiel auf, dass die sonst üblichen Lobesfloskeln beim Abgang eines Topmanagers ausblieben, ebenso jede Erklärung, was denn seine „neue Herausforderung“ sei, die er unbedingt sucht. – Zurück zur Wiedervorlage.
Bruder Bernhard 13. April 2012, 09:33
Spätestens nach Neinningers Spott über Meyer war klar, dass der Dolch im Gewand nun gezückt ist – ein weiterer Anlass war gar nicht mehr nötig, die öffentliche Betitelung als pensionierter Journalist war in Härte kaum mehr zu übertreffen. Ein Wunder, dass er sich danach noch so lange halten konnte – wer Meyer einem Neinninger überantwortet, ist eigentlich schon tot.