In einer anderen Liga
Ringier geht seinen Weg konsequent weiter: Die Verpflichtung des amtierenden Fussballnationaltrainers Ottmar Hitzfeld als Berater und Kolumnist markiert einen Meilenstein im Umbau zum integrierten Unterhaltungskonzern. Soll man Ringier überhaupt noch als Medienunternehmen betrachten?
Wirklich überraschen konnte die Ankündigung niemanden. Seit gestern steht Ottmar Hitzfeld bei Ringier im Solde. Offensichtlich findet der Fussball-Nationaltrainer neben seinem Vollamt genügend Zeit für eine lukrative Nebenbeschäftigung. Nicht ganz so überraschend kam die Mitteilung deshalb, weil sich Hitzfeld in eine bereits reich bestückte Galerie mit Promis einreiht, für die Ringier das persönliche Marketing und Management besorgt.
Der Unterschied und damit die neue Qualität von Hitzfelds Engagement liegt in seiner Bedeutung für die Berichterstattung. Bei keiner anderen Charge des Schweizer Sports legt sich das Ringier-Flaggschiff «Blick» so stark ins Zeug, wie beim Fussball-Nationaltrainer. Hier fühlt sich die Redaktion besonders kompetent, in Personalfragen mitzureden. Entsprechend gross ist die Genugtuung, wenn der Fussballverband so entscheidet, wie es der «Blick» empfohlen hat. Als Artur Jorge 1996 sein Traineramt los wurde, triumphierte «Blick»-Sportchef Rainer Meier: «Am Schluss bleibt die Wahrheit. Und die hat ‚Blick‘ im Fall Jorge von Anfang an geschrieben.»
Nun steht ausgerechnet jene Figur bei Ringier unter Vertrag, an der sich der «Blick»-Sport wie an keiner zweiten reibt. Die einhellige Kritik in den Kommentaren der Konkurrenz – von 20 Minuten bis NZZ – war so gewiss, wie auch zutreffend: Ein Medienunternehmen, das unabhängig berichten will, kann sich einen solchen Deal mit einem der wichtigsten Protagonisten der Berichterstattung schlicht nicht leisten. Da hilft auch die Beschwichtigung von «Blick»—Sportchef Felix Bingesser nichts: «Hitzfeld wird nicht in Watte gepackt.» Sogar wenn das zutreffen und sich die Redaktion alle Mühe geben wird, den Eindruck der Kumpanei und Bevorteilung zu vermeiden, bleibt der Makel haften.
Ein Makel, den auch Konzernchef Marc Walder nicht zu beseitigen vermag. Denn er tut dies mit einem untauglichen Argument. Er garantiere für die Unabhängigkeit seiner Medien, sagte er bei anderer Gelegenheit, weil er sich selbst immer noch als Journalist fühle. Das ist natürlich geflunkert: Walder ist Geschäftsmann. Wäre er wirklich Journalist, hätte er es nie zugelassen, dass seine Medien auch nur in den Verdacht geraten, nicht mehr unabhängig über Hitzfeld und all die anderen Sportler und Promis berichten zu können, die bei Ringier unter Vertrag stehen.
Man mag diese Entwicklung für problematisch, bedenklich oder gar skandalös halten, Ringier wird diese Kritik keinen Millimeter vom eingeschlagenen Weg abbringen, schliesslich führt er zum geschäftlichen Erfolg. Den Verlust der journalistischen Glaubwürdigkeit nimmt man dabei bewusst in Kauf. Ja, er ist die Bedingung, damit das Modell funktioniert. Ringier ist heute ein vertikal integrierter Unterhaltungskonzern. Medienplattformen wie Blick (Print und Online) und Energy (Radio und Events) sind eng verzahnt mit den übrigen Geschäftstätigkeiten im Bereich Sport und Unterhaltung.
Nun sind bekanntlich auch andere Medienhäuser nicht immer Musterschüler, was die Trennung von redaktionellen und kommerziellen Aktivitäten angeht. Auch eine Neue Zürcher Zeitung begibt sich mit dem Einstieg ins Konferenzgeschäft auf eine Gratwanderung. Allerdings geht kein Unternehmen so weit wie Ringier und degradiert seine Medien zu Erfüllungsgehilfen für seine forcierte Unterhaltungsstrategie. Die Verpflichtung von Ottmar Hitzfeld setzt hier eine neue Wegmarke.
Bei der Konkurrenz um den Publikumszuspruch steht Ringier zwar weiterhin in direkter Konkurrenz mit den Angeboten anderer Medienhäuser. Aber was den publizistischen Anspruch angeht, spielt Ringier definitiv in einer anderen Liga. Deshalb lassen sich Blick, Energy und geschenkidee.ch auch nicht an journalistischen Massstäben messen. Wenn es um die «Chinesische Mauer» zwischen Verlag und Redaktion geht oder den Kodex der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten, ist Ringier raus aus dem Spiel. Das erleichtert die künftige Verständigung über das Unternehmen: Journalismus war gestern, Unterhaltung ist heute.
Patrick Kenel 12. Februar 2013, 22:16
Die neuste Wegmarke: Abstimmungspropanda in der Schweizer Illustrierten unter dem Titel „Wir sind Olympia“. Ich hätte Verständnis, wenn Ringier-Journalisten 100 erfreute Promis nach einem Ja an der Urne befragen würden. Zuerst muss aber die lokale Bevölkerung ihr Votum abgeben und bekräftigen, dass sie sich auf ein finanzielles Grossprojekt einlassen will. Stilmässig erinnert das ein wenig an die russische Putinokratie und weist auf die engen Verflechtungen von Infront Ringier und Graubünden 2022 hin. Würde mich nicht wundern, falls dieser Kampagnenstil der Gegenseite Auftrieb geben sollte…