von Nick Lüthi

Druckauftrag als Druckmittel

Der schweizerische Hauseigentümerverband HEV lässt seine Zeitung nach über 60 Jahren nicht mehr bei der NZZ-Tochter Tagblatt Medien in St. Gallen drucken und geht zu Ringier. Der Wechsel ist auch eine Reaktion auf die Berichterstattung der NZZ zur Bausparinitiative des Verbands. HEV-Direktor Ansgar Gmür will den Entscheid nicht öffentlich kommentieren.

Den Worten folgen Taten: Nachdem der Hauseigentümerverband HEV und sein Direktor Ansgar Gmür verschiedentlich bei Redaktionen interveniert hatten, wenn ihnen die Berichterstattung nicht gefiel, ergreifen sie nun handfeste Massnahmen. Der Druckauftrag für den «Schweizerischen Hauseigentümer» vergibt der HEV neu an Ringier, nachdem die Zeitung seit 1950 ununterbrochen in St. Gallen bei der heutigen NZZ-Tochter Tagblatt Medien gedruckt worden war.

NZZ-Sprecherin Bettina Schibli bestätigt gegenüber der MEDIENWOCHE den Verlust des HEV-Auftrags: «Der Vertrag wird bis Ende Jahr regulär erfüllt und danach nicht mehr verlängert», sagt Schibli. Wie stark der Verlust schmerzt und um welchen Betrag es sich handelt, dazu will sie keine Stellung nehmen. Klar ist: 22 Ausgaben pro Jahr mit einer Auflage von 315’000 Exemplaren sind keine Kleinigkeit. Druckaufträge von diesem Umfang sind in der Schweiz dünn gesät. Ein solcher Verlust setzt die sowieso schwach ausgelasteten Rotationsdruckereien unter zusätzlichen Druck.

Dass der Hauseigentümerverband zu einer anderen Druckerei wechseln würde, begann sich in den letzten Jahren allmählich abzuzeichnen. Wie der Kleinreport schreibt, habe der HEV «mehrfach Druckereien offerieren lassen». Davon zeugt auch der Jahresbericht 2009 der NZZ-Tochter Tagblatt Medien. Dort steht: «Für den Bereich Kundenzeitungen standen besonders heikle Geschäfte im Brennpunkt.» Damit waren auch die Verhandlungen mit dem HEV gemeint. Und weiter: «Seit Jahren geht keine Neuausschreibung mehr ohne substanzielle Angebote über die Bühne.» Nun haben auch die «substanziellen Angebote» nichts mehr gebracht.

Auch wenn das Vertragsverhältnis nun regulär aufgelöst wird, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gründe für den Bruch nicht alleine im Geschäftlichen liegen. Seit die NZZ im Frühjahr kritisch über die Bausparinitiative der Hauseigentümer berichtet hatte, lagen die beiden über Kreuz. Es entstand ein Kleinkrieg, der vorübergehend darin gipfelte, dass der HEV seinen 304’000 Mitgliedern die Rabattmöglichkeit für ein NZZ-Abo per sofort gestrichen hatte. Das war Ende Februar. Ruhe sollte damit nicht einkehren. Im Gegenteil. Ansgar Gmür, der Direktor des Verbands und Chefredaktor der Zeitung, intervenierte mehrfach bei Redaktionen, auch bei der NZZ. «Druck ausüben gehört zu den Nahkampfmethoden von Ansgar Gmür», schrieb die Aargauer Zeitung, die das medienfeindliche Gebaren des HEV-Chefs publik machte.

Zu den Gründen für die Kündigung des Druckauftrags bei der NZZ will Gmür nichts sagen. Seit zwei Tagen versucht die MEDIENWOCHE erfolglos, den HEV-Direktor für eine Stellungnahme zu erreichen. Auf mehrfache telefonische Anfrage und Nachfassen per E-Mail meldete er sich nicht und seine Sekretärinnen verleugneten ihn trotz seiner offensichtlichen Anwesenheit.

Auch wenn Gmür das so nicht sagen will, liegt es auf der Hand, weshalb er Ringier als neuen Drucker für seine Verbandszeitung gewählt hat. Im Gegensatz zur NZZ hat man ihn dort regelrecht hofiert. Etwa mit einer Homestory bei der Familie Gmür in der Schweizer Illustrierten im letzten Januar. Kritische Berichterstattung wird abgestraft und Gefälligkeitsjournalismus mit einem Millionenauftrag honoriert.

Der Kurs des Direktors stösst offenbar auch intern auf Kritik. So sei man auf der Zeitungsredaktion wenig glücklich über den Druckentscheid, weil man mit St. Gallen in den letzten Jahren «äusserst gut» zusammengearbeitet habe, schreibt der Kleinreport. Mit dem Wechsel muss nun auch die enge Verflechtung mit der Druckvorstufe aufgelöst werden. Die Redaktion der HEV-Zeitung war eng in die Redaktionssysteme der Tagblatt Medien eingeflochten.

Leserbeiträge

Ueli Custer 27. Oktober 2012, 16:12

Wenn man weiss, dass sich Ansgar Gmür nicht scheut, bei missliebiger Berichterstattung in vollem Ernst beim Chefredaktor die Entlassung des betreffenden Journalisten zu veranlassen, dann weiss man, dass dieser Herr offensichtlich überhaupt nichts von Pressefreiheit hält. Das sieht man auch der HEV-Zeitung an, die nur so von Gefälligkeitsjournalismus strotzt. Einfach zum Kotzen! Aber die Zeitung dürfte eine Riesen-Cashcow sein. Bezeichnenderweise ist im Jahresbericht des HEV auch kein Wort zu den Finanzen des Vereins zu lesen. Auch die Mitglieder werden darüber nicht informiert. Aber man darf ohne weiteres davon ausgehen, dass der Verband auf Millionen sitzt. Zum Glück kann er sich aber damit die gewünschten Abstimmungsergebnisse kaufen – auch nicht mit irreführenden Werbekampagnen.