Sinnvolle Geschenke, gute Vorsätze
Wege aus der Krise? Leser, Zuschauerinnen, Zuhörer, Nutzerinnen können Journalismus unterstützen. Manchmal braucht es nur wenig, um die Produktion von Inhalten zu fördern; und zwar ganz ohne Leistungsschutzrecht, Abmahnungen, oder Zwangsabgaben. Zum Jahresende ein paar Vorschläge für Geschenke und gute Vorsätze.
Eine regelmässige finanzielle Unterstützung ist vermutlich der beste Weg, um Medienschaffende unabgelenkt arbeiten zu lassen. Ein NZZ-Kombiabo kostet derzeit 698 Franken im Jahr, wer meint, kein Papier zu brauchen, kommt mit 544 Franken durch. Das AHV-IV-Abo der WOZ kostet 160, die Jungfrau Zeitung (inkl. TVtäglich) 165 und ein Kombiabo der Tierwelt 122 Franken im Jahr. Das Medienwoche-Abo ist kostenlos.
Konsumenten können ihren Lieblingsmedien helfen. In dem sie Skandale, die noch nicht öffentlich sind, einem Journalisten bekannt machen. Das geht auch anonym, Whistleblower mit aufregenden Fakten sind bei fast jedem journalistischen Medium willkommen, Websites wie Öffentlichkeitsgesetz.ch oder Sichermelden.ch halten sogar Formulare dafür bereit, mehr dazu hier.
Leute, die in einem gewissen Gebiet besonders gut Bescheid wissen (vulgo: Experten), sollten sich die Zeit nehmen, Journalisten die betreffende Sachlage verständlich machen. Wenn denn echtes Interesse besteht. Wer ohnehin nur skandalisieren will, kann das auch alleine und ohne Grundlage tun.
Positiv über ein geschätztes Produkt reden ist auch nie verkehrt. Die konkrete Vermittlung von Menschen, die Abonnements lösen, wird oft vergütet, so zahlt die Weltwoche via Aboklick für eingelöste Gutscheine 25 Franken.
Nicht nur grosse Zeitungen, Soziale Netzwerke, Radio- und TV-Sender leben von der Werbung, auch kleine Blogs und Zeitschriften. Aktiv auf Werbung zu klicken und gegebenenfalls auch etwas zu kaufen, ist nicht die schlechteste Idee. Es macht sogar Sinn, den Verkäufer darüber zu informieren, welche Werbung einen dazu verleitet hat, vorbeizukommen. Wer den Suchgiganten Google nicht noch grösser machen möchte, als er ist, kann auch aktiv vermeiden, Google Ads zu klicken, mit denen Google gewinnt, der Werbetreibende aber verliert.
Werbeblocker sind vielleicht praktisch, aber ein Problem. Werbefinanzierte Produkte müssen die Möglichkeit haben, mit Werbung in das Bewusstsein ihrer Konsumenten zu gelangen – ansonsten ist das Geschäftsmodell und damit das Produkt tot.
Wer meint, dass Werbung nur nervt, und darum kein Existenzrecht hat, sollte mit einem zukünftigen Überhang von zwangsfinanzierten und PR-getränkten Texten klar kommen.
Am 4. November bat Joscha Sauer, Zeichner der oft besonders lustigen Nichtlustig-Comics, auf Nichtlustig.tv um 100’000 Euro bis Ende 2012, weil er damit gerne damit eine erste Folge eines Nichtlustig-Trickfilms finanzieren wollte. Rund einen Monat später war das Geld bereits beisammen, über 5000 verschiedene Spender hatten dazu beigetragen. Viele weitere Projekte, die Unterstützung suchen, finden sich auf Websites wie Startnext.de oder Kickstarter.com – letztere haben gar eine eigene Journalismus-Abteilung. Crowdfunding-Projekte aus der Schweiz sind 100-days.net, Wemakeit.ch oder C-crowd.com.
Auf Spot.us können journalistische Projekte, zum Beispiel kostspielige Recherchen, gleich direkt unterstützt werden. Auch Medien lassen sich direkt finanzieren, zum Beispiel die taz oder das Bildblog. Nachdem die Axel Springer AG dem Blog 2010 drei Abmahnungen mit Kosten in der Höhe von 2407 Euro zukommen liess, spendeten 1065 verschiedene Leser in nur 7 Tagen insgesamt 17’345 Euro.
Fortgeschrittene können auch gleich selbst ein Projekt, ein Verlag, eine Stiftung gründen. Wer Geld in der Tasche hat und guten Journalismus vermisst, sollte Journalisten, die er für fähig hält, einkaufen und bezahlen. Ganz wichtig: das funktioniert nur, wenn den Journalisten Unabhängigkeit eingeräumt wird. Ohne Unabhängigkeit geht es auch, dann nennt sich das einfach PR.
Um Werbung in eigener Sache zu machen: Das Magazin, das Sie gerade lesen, die Medienwoche, hat schon etlichen Autoren zu einem erfreulichen Honorar verholfen.
Um den Mirkobezahldienst Flattr ist es nach dem ersten Hype erwartungsgemäss ruhig geworden. Viele haben ihren mal einbezahlten Unterstützungsbetrag nach Auslaufen nicht erneuert. Inzwischen hat sich das Projekt jedoch weiterentwickelt: Es können nicht nur einzelne Beiträge per Klick finanziert werden, es lassen sich auch Abos abschliessen, die selbst dann noch Beiträge überweisen, wenn die Zahlung längst vergessen ist.
Noch verdienen die meisten bei Flattr kaum erwähnenswerte Beiträge. Matthias Urbach von der taz sagte im Sommer: «Flattr ist nach wie vor nur in der Internetszene bekannt». Während bei der taz die Einnahmen durch Flattr unter 1000 Euro im Monat gesunken waren, nahm Podcaster Tim Pritlove mit Flattr jeden Monat 1700 Euro ein. Davon kann man leben. In Berlin.
Ein Projekt wie Flattr steht und fällt mit der Anzahl ihrer Nutzer. Würden alle 1,5 Millionen Nutzer von 20min.ch oder Blick.ch auch nur 1 Franken spenden jeden Monat, dann wären das 18 Millionen Franken im Jahr, mehr als die aktuellen Werbeeinnahmen. Die aktuelle Leistung könnte also verdoppelt werden oder ohne Werbung auskommen.
Monopole sind furchtbar, aber sind sie das auch, wenn sie allen gehören und alle darüber verfügen können? Und würden mehrere Universallexika, die sich gegenseitig um das Wissen der Welt konkurrenzieren, überhaupt Sinn machen?
Wie auch immer, Wikipedia existiert nur durch die zumeist unentgeltliche Arbeit von Freiwilligen. Journalisten rümpfen öffentlich gerne die Nase über das darin gesammelte, ungesicherte Wissen – um heimlich daraus bereitwillig abzuschreiben. Jener eine Journalist, der noch nie eine hilfreiche Information mittels Wikipedia gefunden hat und nach wie vor gedruckte Konversationslexika nutzt, wird bald tot sein – alle anderen sollten jene dafür entschädigen, die es regelmässig auf sich nehmen, Vandalismus rückgängig zu machen, Löschdiskussionen durchzustehen und aktuelle Erkenntnisse über den Zilpzalp, die Schabrackenhyäne oder das Buxheimer Chorgestühl einzuspeisen.
Je besser nämlich Wikipedia wird, desto leichter und schneller kommen Journalisten an Informationen, die sie verwerten können, und sei es durch die weiterführenden Links. In zehn oder fünfzig Jahren werden Konsumenten und Produzenten vielleicht lächelnd auf den aktuellen Entwicklungsstand der Enzyklopädie zurückblicken können. Dazu müssen aber alle mitarbeiten.
Offenlegung: Ronnie Grob arbeitet regelmässig für das Bildblog. Er hat kürzlich einbezahlt: Flattr: 50 Euro, Wikipedia: 50 Euro, Nichtlustig.tv: 50 Euro.
Bild 1: CC BY-SA 3.0, Flickr/Classical Numismatic Group, Inc.
Bild 2: CC BY-ND 2.0 Flickr/Sasha Y. Kimel