Der Krise zum Trotz
Zeitungskrise? In Frankreich erscheint seit Mittwoch eine neue Tageszeitung. L’Opinion wurde vom ehemaligen Chefredakteur des Figaro gegründet und publiziert vor allem Analysen und Meinungsstücke. Die Redaktion zählt rund 20 Journalisten. Allerdings: Die Eigentumsverhältnisse sind unklar. Mit von der Partei sein könnte Bernard Arnault vom Luxusgüterkonzern LVMH.
Französische Zeitungsleser konnten am Mittwoch an den Kiosks eine Neuheit in Augenschein nehmen: L’Opinion (auf Deutsch: Die Meinung). Die Tageszeitung, die einen Umfang von acht bis zwölf Seiten hat, erscheint von Montags bis Freitags und kostet im Einzelbezug 1,50 Euro. L’Opinion wird fürs erste an 8000 Zeitungsständen in Paris und in den großen Städten Frankreichs verkauft. Am Mittwochvormittag waren am Kiosk «Sèvres-Babylone» in Paris die meisten Exemplare bereits vergriffen. «Das verkauft sich gut», sagt der Kioskbesitzer. Nur das kryptische Kürzel «M 000118» – die Vertriebsnummer für das Presseerzeugnis – hat den Mann irritiert. «Komisch, die gibt es doch erst seit heute!».
Das letzte Mal, dass eine neue kostenpflichtige Zeitung in Frankreich in Druck ging, war vor knapp 20 Jahren: 1994 erschien die Tageszeitung Info-Matin. Der Preis damals: drei Francs. 1996 wurde das Blatt aus Kostengründen wieder eingestellt. Den Printmedien in Frankreich geht es heute nicht besser. Obwohl die Presseprodukte zwischen 2009 und 2011 laut Rechnungshof mit fünf Milliarden Euro subventioniert wurden und ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 2,1 Prozent gilt, sind Anzeigen und Auflagen in den letzten Jahren kontinuierlich geschrumpft. L’Opinion stemmt sich gegen diesen Abwärtstrend.
Es sei ein «optimistisches Signal an all diejenigen, die glauben, dass Printmedien wichtig sind», schreibt Chefredakteur Nicolas Beytout im Editorial der ersten Ausgabe. Über eineinhalb Jahre hat der einstige Chefredakteur des Tageszeitungen Les Echos und Le Figaro die Publikation mit seinem Team minutiös vorbereitet. In den nagelneuen Redaktionsräumen im 16. Pariser Arrondissement herrscht ein Aufbruchsgeist. Neben Nicolas Beytout kommt Remi Godeau von L’Est Républicain aus Lothringen und Luc de Barochez, zuvor Chefredakteur der Online-Ausgabe des Figaro. 20 weitere Redaktorinnen und Redaktoren ergänzen das Team. Beytout setzt auf eine flache Hierarchie. «Kein stellvertretender Chefredakteur, kein Ressortleiter – nur Journalisten, die ihre Arbeit machen», sagte er der Gratiszeitung «Metro».
«L’Opinion» hat sich ein «liberales, europäisches und pro-wirtschaftliches» Leitbild auf die Fahnen geschrieben. Die Artikel decken die Bereiche Politik, Wirtschaft und Internationales ab. Die erste Ausgabe kommt schlicht und unaufgeregt daher: vier Spalten, übersichtliche Texte, wenig Bilder, viel Weißfläche. Dass L’Opinion überhaupt als gedruckte Ausgabe erscheint (im Gegensatz zu rue89 oder Mediapart), liegt daran, dass Print nach Einschätzung der Redaktion mehr Werbeeinnahmen generiert als eine reine Internetzeitung. Der Herausgeber Christophe Chenut sagte gegenüber dem Radiosender France Info: «Letztlich kommen unsere Einnahmen zu 40 Prozent aus dem Anzeigengeschäft, zu 60 Prozent aus Abonnements und Einzelverkauf.» Die Papierausgabe wird von einem Webauftritt ergänzt, der sich aus Videoanalysen, Meinungsbeiträgen und einem täglich produzierten TV-Journal («L’Opinion Soir») speist. Um die Integralität der Artikel (auf Smartphones, Tablets) sehen zu können, ist ein Bezahlabonnement von 21 Euro pro Monat erforderlich.
Allein, wer die Zeitung besitzt, ist nicht klar. Fakt ist, dass Chefredakteur Beytout 10 Prozent am Kapitalstock hält. Die anderen Aktionäre der Holding «Bey Medias» sind unbekannt. Für den Journalisten Jean Stern, Auteur des Buches «Les patrons de la presse nationale – tous mauvais» (ed. La Fabrique) besteht ein Transparenzproblem. «Seit den Verordnungen von 1944 müssen die Eigentümer der Zeitungen bekannt sein. Das System der Holding erlaubt es, die eigentlichen Aktionäre der Pressetitel zu verdecken», sagte er gegenüber France Info.
Im Fall von L’Opinion wird spekuliert, dass der milliardenschwere Unternehmer Bernard Arnault, Besitzer von Les Echos und dem Luxusgüterkonzern LVMH, mit sechs Millionen Euro Kapital eingestiegen ist. Daneben soll Claude Perdriel, u.a. Eigentümer der Wochenzeitung Le Nouvel Observateur, beteiligt sein. Der Chefredakteur schweigt beharrlich. «Die seltsame Stille um Nicolas Beytout», kommentierte die Online-Zeitung «rue89». Laut Le Monde ist Bernard Arnault – der reichste Mann Frankreichs lebt seit wenigen Monaten im belgischen Steuerexil – gar nicht mit seinem Mischkonzern LVMH (u.a. Louis Vuitton, Bulgari, Tag Heuer) beteiligt, sondern mit einer ominösen Tochtergesellschaft. «Die mysteriösen Investoren von L’Opinion», titelte Le Monde bereits im Vorfeld der Erscheinung. Die undurchsichtige Eigentümerstruktur lässt bezweifeln, ob mit L’Opinion wirklich ein Wandel in der Medienlandschaft eintritt. In Aufmachung und Inhalten hebt sich L’Opinion nur schwer vom Wirtschaftsblatt «Les Echos» ab. Mangels Originalität könnte das Blatt bald ein Schattendasein in den Zeitungsläden von Frankreich führen.