Eine «Mediensteuer» muss nicht sein
Ein zeitgemässes Modell zur Finanzierung von Radio und Fernsehen gibt es auch ohne «Mediensteuer». Abstinente sollen nicht zahlen, was sie nicht nutzen. Mit einem Opting-out würde der Kern des angestrebten Systemwechsels nicht tangiert. Der Bundesrat will es anders.
Ein Gespenst geht um: die Mediensteuer. Nachdem der Bundesrat Ende Mai die Botschaft zur Revision des Radio- und Fernsehgesetzes dem Parlament zur Beratung überwiesen hat, verging kaum ein Tag, ohne dass sich nicht irgendwo eine warnende Stimme erhob. Besonders schrill stach etwa jene von Kurt W. Zimmermann hervor: «Die SRG hat damit eine neue Stufe der steuerlichen Heiligkeit erreicht.» Die geplante Medienabgabe sei schlimmer als die Kirchensteuer; aus der Kirche könne man immerhin austreten.
Was Kritiker stört und womit sie einen wunden Punkt des angestrebten Systemwechsels in der Rundfunkfinanzierung ansprechen, ist die vom Bundesrat vorgesehene allgemeine Abgabepflicht, unabhängig davon, ob jemand tatsächlich die mit den eingezogenen Geldern alimentierten Programme nutzt.
Doch auch diese Suppe wird nicht so heiss gegessen, wie sie der Bundesrat nun gekocht hat. Dass die Vorlage die parlamentarische Beratung nicht unverändert überstehen würde, davon darf man auch ohne hellseherische Fähigkeiten ausgehen. Eine allgemeine Medienabgabe für sämtliche Haushalte und den Grossteil der Unternehmen ist also noch längst keine beschlossene Sache.
Der Bundesrat verzichtet in seiner Vorlage auf eine Abmeldemöglichkeit, weil er damit die «Vorteile des Systemwechsels» gefährdet sieht. Damit meint er: Wenn weiterhin die Möglichkeit besteht, sich abzumelden, gibt es auch künftig potenzielle Schwarzseher, die man kontrollieren müsste. Der angestrebte Abbau von Verwaltungsaufwand würde damit hinfällig.
Das ist nur die halbe Wahrheit. Denn der Kern des angestrebten Systemwechsels würde von einem Opting-out nicht tangiert. Im Zentrum der Gesetzesrevision steht der Abschied vom Anmeldeverfahren. Heute müssen sich Haushalte und Betriebe bei der Billag anmelden, wenn sie Geräte besitzen, die den Radio- und Fernsehempfang ermöglichen. Neu erhielten zuerst einmal alle Haushalte und Unternehmen eine Rechnung und könnten sich nachträglich abmelden.
Gemessen an der aktuellen Verbreitung von Geräten, die den Radio- und Fernsehempfang ermöglichen, ist davon auszugehen, dass lediglich ein paar Einsiedlerklausen und Hippiehaushalte tatsächlich als medienabstinent durchgehen würden. Der Aufwand um Schwarzseher aufzuspüren, würde sich auch deshalb in Grenzen halten, weil allfällige Schummelkandidaten sich gleich selbst ins Visier der Kontrolleure rücken.
Der Bundesrat hält das für zu wenig zielführend und legt deshalb die Medienabgabe vor. Damit hat er sich eine Hypothek aufgebürdet. Denn eine allgemeine Abgabepflicht ohne Opting-out verändert den Charakter der Rundfunkfinanzierung grundlegend – unabhängig davon, ob die Abgabe rein rechtlich gesehen eine Steuer ist oder nicht.
Die Abkehr von der Nutzerfinanzierung bedeutet letztlich auch, dass es mit dem Systemwechsel um mehr geht als nur um Radio und Fernsehen. Daraus hat der Bundesrat nie einen Hehl gemacht: Er betrachtet die Medienabgabe als eine Art Demokratiesteuer. Ohne öffentlich finanzierten Rundfunk wäre die unser Staatswesen «kaum mehr funktionsfähig». Das ist zuerst einmal eine Behauptung, die sich nicht widerlegen lässt.
Das Parlament hat es nun in der Hand, zum Kern der Sache zurückzukehren und eine moderne Nutzerfinanzierung zu beschliessen. Sollten die Eidgenössischen Räte am bundestätlichen Modell der Demokratieabgabe festhalten, bleibt immer noch das Referendum. Über einen solch grundlegenden Systemwechsel kann nur die betroffene Bevölkerung selbst entscheiden.
David Herzog 13. Juni 2013, 23:50
Gibt es eigentlich einen Grund, wieso nun plötzlich eine stark degressive Steuer möglich sein und das verfassungsmässige Leistungsfähigkeitsprinzip hier nicht gelten soll? http://www.bger.ch/index/juridiction/jurisdiction-inherit-template/jurisdiction-recht-leitentscheide1954-direct.htm
Nick Lüthi 14. Juni 2013, 19:06
Weil es nach der Definition, auf die sich der Bundesrat stützt, keine Steuer ist, sondern eine Abgabe.
Jörg Weber 14. Juni 2013, 11:58
Die Behauptung, eine Medienabgabe sei eine Art von Demokratiesteuer, lasse sich nicht widerlegen, schreiben Sie. Doch: Die Schweizer Demokratie funktionierte auch sehr gut, bevor es das Schweizer Fernsehen gab. Eine Mediensteuer schöpft dagegen Kaufkraft ab und führt dazu, dass viele Leuten u.a. keine Zeitungen mehr kaufen, da ihr Medienbudget erschöpft ist.
Viel besser wäre, wenn das Schweizer Radio und Fernsehen zukünftig als werbefreies Pay-TV organisiert würde, für dessen Empfang mit dem Programmanbieter, der SRG, ein kostenpflichtiger Vertrag abgeschlossen werden müsste. Es würde sich bald zeigen, wer an diesem Angebot interessiert ist und das Angebot der SRG könnte sich endlich nach der Nachfrage richten. Die privaten Medienverlage würden durch diese faire Lösung u.a. auch davon profitieren, dass ein wesentlicher Teil des Werbegeschäfts nicht weiter von der SRG abgeschöpft würde.
Nick Lüthi 14. Juni 2013, 19:18
Was ich meinte: aktuell lässt sich die Behauptung von der Demokratierelevanz nicht abschliessend überprüfen. Der historische Vergleich taugt aber sicher als Hinweis, dass es auch Demokratieformen gab, die ohne öffentlichen Rundfunk existierten.
Jörg Weber 15. Juni 2013, 11:29
Die Demokratierelevanz des staatlichen Fernsehens ist schon deshalb sehr fraglich, als dass etwa bei einer Sehbeteiligung von durchschnittlich 30 Prozent grosse Teile der Bevölkerung das Angebot von SRF gar nicht nützen. Insbesondere zählen viele Jüngere zu den SRF-Abstinenten. Wie hoch ist das Durchschnittsalter der Zuschauer der Tagesschau? Gerade die Jüngeren sind aber für den Zusammenhalt der Demokratie besonders wichtig – sie sind es, die z.B. die Soziallasten für die Alten tragen oder Militärdienst leisten müssen.