von Adrian Lobe

In ihrem Reich soll die Sonne nie untergehen

Die Huffington Post schickt sich an, eine der grössten Medienmarken auf der Welt zu werden. Kürzlich erfolgte die Gründung eines französischsprachigen Ablegers im Maghreb, im Herbst soll es in Deutschland losgehen.

«Marhaba», begrüsste Arianna Huffington in einem Blogeintrag die Leser und informierte über die Gründung der «Al Huffington Post» im Maghreb. «Der Launch kommt in einer Zeit, in der die Maghreb-Region (…) eine seismische Transformation vollzieht – sozial, politisch und ökonomisch», schreibt die HuffPo-Gründerin in ihrem Editorial. Arianna Huffington, gebürtige Griechin, machte sich den 1980er Jahren als konservative Kolumnistin in den USA einen Ruf, ehe sie sich in den 1990er Jahren den Demokraten zuwandte. Ihr Projekt «Huffington Post», das anfangs von der Presse müde belächelt wurde, machte sie zu einem publizistischen Schwergewicht.

Der Erfolg der «HuffPo» gründet auf einer Mischung aus Aggregation fremder Inhalte mittels Verlinkung auf Medienangebote, Blogs bekannter Gastautoren sowie selber produzierten Storys. «Als journalistischer Abnehmer und Blogger-Plattform werden wir die wichtigsten Geschichten der Region erzählen, und gleichzeitig die Leute des Maghreb einladen, ihre Geschichten selbst zu erzählen», verspricht Huffington. «Die Umbrüche in der Region haben eine neue Generation von Bürgern geschaffen, die von den all den neuen Möglichkeiten elektrifiziert sind.» In Tunesien sind im Juni die ersten Redaktionsräume der «Al HuffPo» eröffnet worden. Darin steckt auch eine gewisse Symbolik – in dem nordafrikanischen Land begann 2011 der Arabische Frühling.

Der Launch eines französischsprachigen Ablegers im Maghreb ist folgerichtig. Die Huffington Post expandiert weltweit. In acht Ländern (u.a. Kanada, Spanien, Italien, Frankreich, Grossbritannien) ist die Plattform bereits präsent, weitere sollen folgen. Im Herbst ist der Start einer deutschsprachigen Ausgabe geplant. Im Mai hatte die HuffPo ihre letzte Dependance in Japan eröffnet. Derzeit hat der Internetdienst allein in den USA 46 Millionen Nutzer pro Monat – mehr als die «New York Times». Und in Frankreich liegt die Huffington Post mit knapp zwei Millionen «unique visitors» an der Spitze der reinen Internetzeitungen und übertrifft damit die einheimischen Branchenleader rue89 oder Mediapart.

Nach dem Verkauf der «Huffington Post» an AOL für 315 Millionen Dollar im Jahr 2011 ist die Redaktion kontinuierlich aufgestockt worden. 700 Mitarbeiter arbeiten momentan in der Zentrale der Online-Zeitung an der New Yorker Lower East Side. Die Nachrichtenredaktionen werden von den erfahrenen Zeitungs-Veteranen Tim O’Brian («New York Times») und Peter Goodman («Washington Post») geleitet. Jimmy Maymann, CEO der Huffington Post Media Group, sagte mit Blick auf die neue Redaktion in Tunesien: «Es muss sich rentieren.» Der Maghreb habe 100 Millionen Einwohner, es sei eine eigenständige Region und die kulturelle Affinität zu Frankreich, wo man ja schon präsent ist, hoch. Der Maghreb als Markt. Wenn man Maymann zuhört, könnte man meinen, hier spricht kein Medienmacher, sondern der Manager eines Grosskonzerns. Immer wieder ist von «Synergien» und «Ressourcenbündelung» die Rede «Die Al HuffPo kombiniert traditionelle News und Konversationen hinter den Kulissen und bringt sie an einem Ort zusammen», so Maymann.

Als Chefredakteur für den tunesischen Ableger konnte Kader A. Abderrahim gewonnen werden, ein erfahrener Politikwissenschaftler des Institut de Relations Internationales et Stratégiques (ISRI) in Paris. Seine Stellvertreterin ist die Menschenrechtsaktivistin Houeida Anouar. Die Redaktionsgemeinschaft (die Standorte in Marokko und Algerien sollen Ende des Jahres eröffnet werden) besteht vorerst aus acht bis zehn festangestellten Redakteuren.

Die Al Huffington Post wirkt auf den ersten Blick wie eine abgespeckte Version der Hauptausgabe. Sie wurde auf die Rubriken Politik, Wirtschaft, International, Kultur und Sport reduziert (die HuffPo in den USA hat deutlich mehr Sparten, von Technik und Gesundheit bis hin zu lokalen News in Los Angeles oder Miami). Für eine französischsprachige Seite im Maghreb ist das Angebot dennoch relativ üppig. Es gibt eine Titelgeschichte, laufend aktualisierte Meldungen sowie Meinungsstücke.

Die Themenvielfalt ist wohl das grösste Plus der Al HuffPo. Verglichen mit den französischsprachigen Tageszeitungen im Maghreb (etwa «Le Matin» in Marokko, «El Watan» in Algerien oder «Le Temps» in Tunesien) sind die Beiträge umfassender und ausgewogener. Die Inhalte kommen zudem nicht so verstaubt daher. Ansprechende Bildstrecken (hier profitiert die Al HuffPo eindeutig vom Mutternetzwerk) werden von faits divers (Rotwein im Ramadan) und Videobeiträgen ergänzt.

Herausgeberin und Übermutter Arianna Huffington verkündete hehre Ziele für ihren jüngsten Ableger: «Es gibt eine riesige Chance für die Al Huffington Post Maghreb, einen Teil zur Konsolidierung der jungen Demokratie in der Region beizutragen», schreibt sie. Fraglich ist, ob eine diskursive Veredelung des politischen Prozesses auch zu dessen Stabilität beiträgt. Es wäre vermessen zu sagen, dass eine Online-Zeitung die politischen Gräben im Maghreb zuzuschütten vermag. Zumal die Resonanz mit durchschnittlich 20 Facebook-Likes oder Tweets pro Beitrag relativ gering ist. Ein Massenmedium ist die Al HuffPo (noch) nicht.

Die Titelgeschichte («Ägypten in der Sackgasse») entpuppt sich als AFP-Meldung. Und die reisserisch aufgemachte Überschrift «Spannungen in der Ennahda» (Regierungspartei in Tunesien) erweist sich als Reproduktion einer Pressemeldung der Partei. Von Recherche keine Spur. Es ist oftmals die Hülle, die bei der HuffPo für Furore sorgt. Das war auch schon bei der legendären Überschrift «Wann beginnt der Superbowl?» so, wo im Text lediglich die Anfangszeit stand, die Seitenmacher aber geschickt antizipierten, dass die Internetnutzer das Suchwort «Super Bowl» googelten und so auf die Huffington Post gelenkt würden. Die Stärke der «Al HuffPo» erwächst aus den Gastbeiträgen. Hier findet man tiefschürfende Analysen, etwa über die Datenerhebung bei der Arbeitslosenstatistik in Tunesien oder die Rolle der Frauen unter Staatspräsident Bourguiba.

Doch das ist gleichsam einer der Kritikpunkte. Zum Konzept der HuffPo gehört nämlich, dass sie hauptsächlich von unbezahlten Autoren oder – um es im Managerjargon auszudrücken – «kostenneutralen Content-Produzenten» getragen wird. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier geht auf seinem Blog mit der Onlinezeitung scharf ins Gericht: «Die Huffington Post überrollt andere Medien nicht. Sie beutet sie systematisch aus. Einen Grossteil ihrer Nachrichtenschlagzeilen klaubt Huffingtons Crew einfach aus anderen Medien zusammen – viele davon sind die Online-Ausgaben traditioneller Tageszeitungen.» Springer-Chef Mathias Döpfner sagte, die HuffPo sei das «Anti-Geschäftsmodell des Journalismus». Der Axel Springer Verlag hatte sich wiederholt gegen die Gratiskultur gewandt und gilt in Deutschland als Vorreiter bei der Einführung von Bezahlmodellen.

Die Frage, wie Verlagshäuser Geld im Internet verdienen können, ist nicht zuletzt durch den Verkauf der Washington Post an den Amazon-Gründer Jeff Bezos und die Trennung des Springer-Konzerns von seinen Regionalblättern virulent geworden. Brisant ist auch, dass das Portal von der Burda-Tochter Focus Tomorrow, einem Hauptkonkurrenzen Springers, betrieben wird. Arianna Huffington konterte die Kritik im Handelsblatt: «Das mögen theoretische Bedenken sein, in der Praxis kommt das nicht vor. Wenn Sie eine starke Geschichte haben, wollen Sie, dass wir Sie aggregieren und auf Ihre Geschichte mit einem Link verweisen. Wir verschaffen Ihnen so mehr Klicks. Und jeder Journalist will doch, dass er von so vielen Leuten wie möglich gelesen wird, oder?» In der Welt der Netzwerkerin gibt es nur Win-Win-Situationen.

Ariana Huffington schmiedet Pläne, weitere Redaktionen in Brasilien, Russland, Indien und Australien zu eröffnen. Die HuffPo-Gründerin sei auf dem Weg, «einflussreichste Journalistin des Planeten zu werden, Herrin über ein Medienreich, in dem die Sonne buchstäblich nicht mehr untergeht», schrieb der Spiegel im Mai. Pünktlich zur Bundestagswahl im September soll der deutsche Ableger der HuffPo gestartet werden. Gut möglich, dass Arianna Huffington ihre Leser dann mit einem «Guten Morgen» begrüsst.

Bild: Flickr/Charles William Pelletier @ C2-MTL (CC BY 2.0)