von Nick Lüthi

«Aufklären und Mythen durchbrechen»

Sie will sich nicht als «Krisenkommission» verstanden wissen, sondern als Kompetenzzentrum für den Medienwandel. Am Mittwoch hat Otfried Jarren, Präsident der Eidgenössischen Medienkommission, das bisher gewonnene Selbstverständnis des neuen Beratergremiums umrissen. Die Ansprüche sind hoch und hehr und stehen teils im Widerspruch zu Kapazitäten und Zusammensetzung der Kommission.

Die vom Bundesrat bestellte Eidgenössische Medienkommission hat das Potenzial, als zahnloser Papiertiger zu enden. Das beratende Gremium ohne jegliche Entscheidungsbefugnisse ist auf den Goodwill der Akteure in Politik und Branche angewiesen. Wenn die nicht wollen (und sei es nur, weil sie zu sehr mit sich selbst und der Konkurrenz beschäftigt sind), dann bleibt der Kommission nur L’art pour l’art. Und das wäre zu wenig. Aber selbst wenn sie sich den erforderlichen Respekt verschafft, droht sich die Kommission zwischen dem medienpolitischen Pflichtstoff und ihrem Kürprogramm aufzureiben. Vorschusslorbeeren gab es auf jeden Fall keine. Ausser dem Bundesrat, der die Kommissionsmitglieder wählt, hat niemand auf eine weitere Stimme im jetzt schon dissonanten Chor der Medienpolitik gewartet. Entsprechend zurückhaltend und skeptisch reagierte die Branche mehrheitlich.

Im Juni haben die 13 Mitglieder ihre Arbeit aufgenommen und in der Zwischenzeit mehrmals getagt. Konkrete Ergebnisse kann das Gremium noch keine vorlegen. Aber die ersten Arbeitsschwerpunkte sind gesetzt. Und es sind gleich zwei Riesenbrocken: Zu den polarisierenden Dauerbrennern Medienförderung und Service public, beides Themen hängiger Vorlagen im Parlament, hofft die Kommission Denk- und Handlungsanstösse zu liefern.

Am letzten Mittwoch zog Kommissionspräsident Otfried Jarren eine inoffizielle Halbjahresbilanz. Anlässlich der Tagung des Vereins Medienkritik Schweiz bot der Zürcher Publizistikprofessor Einblick in das bisher gewonnene Selbstverständnis des noch jungen Gremiums. Seine Ansprüche sind hoch. So will Jarren mit der Kommission die «globale Perspektive» ins Zentrum der medienpolitischen Debatte rücken, denn «die Streitigkeiten der Akteure in der Schweiz sind nur ein Oberflächenphänomen im Medienwandel.»

Keineswegs will Jarren sein neues Gremium als Krisenkommission verstanden wissen. «Wir wollen nicht von Krise sprechen.» Das sei nicht nur eine Frage der Semantik. Gerade die inflationäre Verwendung des Krisenbegriffs verschleiere den klaren Blick auf die Verhältnisse. So spürten etwa lokale und regionale Medien die Folgen des Medienwandels (noch) deutlich weniger als nationale Medien. Entsprechend sieht es Jarren auch als Aufgabe der Medienkommission, Mythen zu durchbrechen und aufzuklären.

Das hehre Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn die Branche der neuen Kommission die Rolle als Kompetenzzentrum und Debattendompteur zubilligt. Nur so liesse sich eine Dynamik in Gang setzen, die der Gereiztheit bisheriger Diskussionen etwas mehr Gelassenheit (und auch Sachverstand) entgegenhalten könnte. Auf der anderen Seite müssen auch die Kommission und ihre Mitglieder beweisen, dass sie nicht bekannte Konfliktmuster reproduzieren. Auch wenn sie als Einzelpersonen, und nicht als Delegierte ihrer Organisationen gewählt wurden, können die Mitglieder ihre Herkunft nicht verleugnen.

Am eklatantesten klafft der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der zentralen Bedeutung, die Jarren der Rolle des Journalismus für die Kommissionsarbeit beimisst. «Die Schweiz braucht einen starken, unabhängigen Journalismus, wir brauchen die Expertise von Fachpersonen, die autonom mit gesellschaftlichen Ereignissen umgehen können.» Das ist richtig und wichtig, denn ohne Journalismus keine Medien. Nur: In der Kommission ist der Journalismus äusserst marginal vertreten, eine Vertretung der redaktionellen Basis fehlt vollständig. Diesen Geburtsfehler kann das Gremium nur mit Aufträgen an externe Stellen kompensieren, was wiederum mit Aufwand und Kosten verbunden ist. Alles in allem keine einfachen Voraussetzungen. Als Gesellenstücke warten nun die beiden Brocken Medienförderung und Service public.

Leserbeiträge

Matthias Giger 30. November 2013, 07:47

Abwarten. Es wird heutzutage schon genug orakelt. Wenige Journis in der Kommission sehe ich nicht als Manko. Das sind systemische Fragen, wenn es um neue Rahmenbedingungen für weniger Marktversagen im Journalismus geht.