von Nik Niethammer

Nur wer etwas riskiert, kann überhaupt gewinnen

In den Nischen spriesst die Innovation: Wer genau hinguckt, sieht die Versuchsballons steigen. Das macht Mut. Aber warum nicht mehr davon? Liebe Verlage, macht doch einfach drauf los, anstatt alle Eventualitäten zu prüfen. Ob ihr erfolgreich seid, seht ihr schnell.

Liebe Verlagsmanager und Medienpessimisten. Wir müssen reden.

Kennen Sie das «+3 Magazin»: Nein? Es ist ein kleines, feines Heft, das zum Nachdenken anregt. Und ein wunderbares Beispiel dafür, wie Print und Online miteinander verschmelzen. «Wir suchen Antworten auf eine immer komplexer werdende Gegenwart», sagen die Macher von «+3». Und stellen Fragen. Wie die hier: «Wo schöpfen wir Mut?» Oder: «Welcher Luxus macht glücklich?» Und: «Wer hat heute noch Moral?»

«+3» erscheint seit knapp zwei Jahren im Warum Verlag in Berlin. Das Magazin ist werbefinanziert, ein Abo kostet soviel wie die Portokosten: 1.45 Euro pro Monat. In einer 20 Seiten starken Ausgabe werden jeweils drei Fragen von Experten beantwortet. Auf www.plus-drei.de können Leser ihre Antworten auf die Fragestellung einsenden. Sie sind online einsehbar, die interessantesten werden in der nächsten Ausgabe veröffentlicht. Darunter sind wahre Textperlen, klug, persönlich, meinungsstark. Auf die Frage, was treibt uns an, meint ein Leser: «Die ständige Verbesserung meines Ichs». «Es ist die Angst vor dem Vergessenwerden», schreibt ein anderer.

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil ich es mag, wenn sich Journalisten trauen. Wenn Macher eine Idee zum Fliegen bringen. Und weil ich an Print glaube.

«Hacken Sie sich zum Erfolg. Behaupten Sie, Sie können es schon und sammeln Sie so schnell wie möglich Kunden-Feedback und optimieren daraufhin ihre Idee». Das sagt Nick Sohnemann, einer der führende Innovationsforscher Europas. Er nennt seine Methode «Innovation Hacking». Der Kerngedanke dahinter: neue Produkte entstehen nicht mehr wie vor 20 Jahren in langwierigen Prozessen. Heute sind Tempo, Mut und Risikobereitschaft gefragt. Statt im stillen Kämmerlein jahrelang an der einen «goldenen» Idee zu werkeln, bringt man ein Produkt bewusst unfertig und schnell auf den Markt. Mit Hilfe echter Marktdaten wird es dann weiterentwickelt.

«Innovation Hacking». Einfach mal drauf los. Neue Produkte, neue Kanäle ausprobieren statt nur darüber sprechen. Starre Strukturen in den Redaktionen und Verlagshäusern aufbrechen, die depressive Stimmung in unserer Branche beiseite schieben. Mehr wagen, weniger lamentieren über den Niedergang unseres Berufes. Über fehlende Erlöse und schrumpfende Verkaufszahlen. Querdenken. Kein Angst haben, sich zu verheben.

Drei aktuelle Beispiele:

  • Im März erschien «Zeit Mann», das erste Magazin der Wochenzeitung nur für ihn. Die Spezial-Ausgabe war mit Werbung gut bestückt  und fand in der Branche Gefallen – ich hoffe sehr auf eine Wiederholung.
  • Im April liess der Bauer-Verlag im Hamburg ihre Journalistenschüler in die Print-Versuchsküche. Kredenzt wurde «Mutti kocht am besten»: Ein Kochmagazin für junge Leute, die nicht auf die Tipps von Mama verzichten wollen. Das Magazin erschien vorerst als Solo-Nummer. Bei Erfolg am Kiosk wollen die Macher das Blatt in Serie zu schicken.
  • Im Mai publizierte der Münchner Trio-Verlag, ein kleines eBook Start-up Unternehmen, das neue Elternmagazin «New Family» als rein digitales Produkt. Je nach Feedback und nach Verkaufszahlen erscheint das Magazin in kürzeren oder längeren Intervallen. Themen habe man für die nächsten zehn Jahre, sagen die Macher.

Liebe Chefs von Ringier, NZZ, Tamedia und AZ Medien: traut Euch. Es ist ja schön und gut, wenn Ihr mantramässig betont, Print lebt. Aber dann beweist es auch. Investiert in neue Produkte. Lasst mehr Testballons steigen, lasst die Leser entscheiden, was gemocht wird. Und was nicht.

Denn die Konkurrenz ist nur einen Mausklick entfernt. Wer sich heute einen Twitter-Account zulegt, kann mit einer absolut grossartigen Geschichte die Aufmerksamkeit der Welt auf sich ziehen. Dafür braucht es keine Redaktion. Und keinen etablierten Verlag. Die Macher des Online-Magazins «Krautrepoter» haben es kürzlich vorgemacht: Bei der grössten Crowdfunding-Aktion im deutschen Journalismus sammelten sie innert kürzester Zeit von 15000 Unterstützern satte 900‘000 Euro ein. Das Projekt zeigt zweierlei: Mit einem überzeugenden Konzept gelingt es Journalisten im Web, sich einen Ruf aufzubauen, Menschen hinter sich zu versammeln. Und: «Krautreporter» ist ein Schritt in eine neue Medienkultur, weg von der Idee der Anzeigenfinanzierung oder Bezahlung, hin zu Honorierung im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Zukunft gehört mutigen Unternehmerjournalisten, die sich Neues trauen, sich selbst um Finanzierung und Vermarktung kümmern.

Liebe Verlagsmanager und Medienpessimisten, habt Ihr den Schuss gehört?