Wie Redaktionen Texte nach Belieben verwursten
Viele Redaktionen betrachten Texte von freien Mitarbeitenden als Rohmaterial, das sie nach Belieben bearbeiten dürfen. So kommt es durchaus vor, dass Aussagen in ihr Gegenteil verkehrt werden. Die Freien erfahren oft erst nach der Veröffentlichung davon.
Nachdem ich letztes Mal ein Loblied auf den freien Journalismus gesungen habe, möchte ich dieses Mal auch auf einen Nachteil eingehen. Denn es gibt Redaktionen, die Artikel von Freien nach Belieben abändern und sie im besten Fall als Rohmasse betrachten. So lieferte ich einmal folgenden Text ab: «Bei uns gibt es keine Regierung, die gegen die eigene Bevölkerung kämpft», sagte sie in Anspielung auf Libyen, und fügte hinzu: «Jedenfalls nicht mit Waffengewalt.» Und traute meinen Augen kaum, als ich am nächsten Tag die Zeitung aufschlug: In der gedruckte Version meines Artikel wurde der Nachsatz komplett unterschlagen. Damit war aus der Kampfansage an die Regierung ein eigentliches Lob geworden. Mit Platzmangel liess sich das nicht erklären, der Redaktor hatte im Gegenteil sogar noch ein ziemlich überflüssiges Bild eingefügt.
Ein anderes Mal ging es um die Formulierung: «Eine Politik, die mehr Ökologie, mehr Produktion und mehr Einkommen verspricht, die man aber genauso gut als Einstieg zum Ausstieg aus der Landwirtschaft ansehen kann.» Sie wurde ohne den zweiten Satzteil abgedruckt und suggerierte den LeserInnen somit: Alles Bestens! Dass die kritischen Töne fehlten, hat niemand bemerkt. Nur ein paar Eingeweihte wunderten sich wohl über die plötzliche Harmonie in der Berichterstattung.
Eingriffe in diesem Ausmass sind zwar selten. Meistens wird «nur» gekürzt weil der Platz am Ende doch knapper war, als abgemacht oder der Text wird – aus welchen Gründen auch immer – irgendwie umgestellt. Aber neulich war es wieder einmal soweit und ich hatte es mit einer Besserwisser-Redaktion zu tun. Zum Glück bekam ich den Text vor dem Druck nochmal zu Gesicht. Dabei stellte ich fest, dass ein bereits autorisiertes Zitat (!) offenbar nicht auf der Linie der Redaktion lag. Sie liess das Zitat nicht nur weg, sondern setzte auch noch eine gegenteilige Aussage im Lauftext ein. Als Ausrede für diese Veränderung führte sie ins Feld, man habe die zitierte Person «zufällig» getroffen und diese habe die Erlaubnis gegeben, den bereits autorisierten Text in diesem Sinne abzuändern…
Mir war das ein wenig zu zufällig weshalb ich mich bei der Gewerkschaft Syndicom nach meinen Rechten erkundigte. Die erste Frage der Juristin lautete: «Bist Du von dieser Redaktion existenziell abhängig?» Besser kann man die Situation der Freien nicht auf den Punkt bringen.
Ich war nicht abhängig. Zumindest nicht existenziell. Deshalb drohte ich damit, den Beitrag umgehend zurückzuziehen, wenn die Textmanipulation nicht rückgängig gemacht wird. Letzten Endes wurde meine Originalfassung gedruckt. Vermutlich aber nur, weil die Redaktion auf das Thema keinesfalls verzichten wollte und wusste, dass der Beitrag sonst anderswo erscheinen würde. Wäre das Thema etwas weniger brennend gewesen, hätte ich nur die Wahl gehabt: Abnicken oder auf den Auftrag verzichten. Kein Wunder, beginnt die Zensur bei vielen Journis bereits im Kopf.