«Gebührenfinanzierte Sender spielen in einer anderen Liga»
Dominik Kaiser ist mit seinen drei TV-Programmen 3+, 4+ und 5+ der erfolgreichste private Fernsehunternehmer in der Schweiz. Ein Gespräch über den eidgenössischen Fernsehmarkt, den mächtigen Konkurrenten SRG und die globale Herausforderung Netflix. Das Interview ist zuerst im Band «Weniger Staat, mehr Fernsehen» erschienen.
MEDIENWOCHE: Herr Kaiser, als Sie 2006 mit 3+ starteten, hiess es von allen möglichen Seiten, Sie hätten keine Chance auf dem Markt. Woher rührt die weitverbreitete Skepsis gegenüber dem Privatfernsehen?
Dominik Kaiser: Dies rührt daher, dass die drei ersten grossen sprachregionalen Privatsender – RTL ProSieben Schweiz, Tele24 und TV3 – trotz guter Finanzierung scheiterten. Daraufhin hatte der damalige Medienminister Moritz Leuenberger öffentlich konstatiert: Der Beweis sei nun erbracht, dass die Schweiz zu klein sei, um erfolgreich privates Fernsehen zu betreiben. Und die meisten Kommentatoren der grossen Tageszeitungen sahen es genauso. Wir nicht.
Die Kommentatoren lagen offensichtlich falsch. Inzwischen ist Ihr Marktanteil kontinuierlich gestiegen, bei den Jungen haben Sie teilweise höhere Einschaltquoten als das Schweizer Fernsehen. Hatten Sie einfach Glück? Oder verfügen Sie über eine bessere Strategie als die Privatsender vor Ihnen?
Wir hatten den grossen Vorteil, aus den Fehlern der ersten Schweizer Privatsender lernen zu können. Ich erhielt damals detaillierten Einblick in alle wesentlichen internen Unterlagen von TV3. Explizit: Lizenzkosten, Kosten der Eigenproduktionen, Gehälter, Zuschauerzahlen, Einnahmen je Kunde und Programm. Für mich war schnell klar, dass man gegen das SRF mit Informationssendungen in den ersten Jahren nicht bestehen kann. Darum liessen wir die weg und setzten auf Unterhaltung.
In Deutschland produzieren doch aber viele Privatsender wie Sat.1 und RTL eigene Nachrichtensendungen. Wie passt das zusammen?
Schon. Aber das war bei den privaten TV-Sendern ein sehr langer und investitionsintensiver Prozess. RTL beispielsweise musste über zehn Jahre lang in ihre Newssendung investieren, bis die Zuschauer diese ernst nahmen. Lange Zeit hatte RTL bei den Newssendungen viel tiefere Quoten als beim gut laufenden Unterhaltungsprogramm. Auch darf man Deutschland nicht mit der Deutschenschweiz vergleichen. Deutschland ist rund 15 Mal grösser, damit ist dort auch das Einnahmenpotential massiv höher.
Weshalb ist das so?
Helmut Thoma, Gründer und langjähriger Geschäftsführer von RTL und heute Verwaltungsrat der 3 Plus Group, erklärte dies einmal damit, dass die Zuschauer in den ersten Jahren RTL zwar Kompetenz im Bereich der Unterhaltung zusprachen, nicht aber im Bereich der Nachrichten. Wenn sie sich also trotzdem auf RTL die News anschauten, verifizierten sie hernach auf ARD oder ZDF den Wahrheitsgehalt. Nachrichtensendungen setzen ein grosses Vertrauen in die Nachrichtenkompetenz voraus – und die muss man über Jahre, ja Jahrzehnte aufbauen. Kommt dazu, dass Nachrichtensendungen bis heute den Tagesablauf vieler Zuschauer strukturieren. Der Sendeplatz ist über lange Zeit gelernt. In der Schweiz ist das nicht anders: Mit der Tagesschau und 10vor10 produziert das Schweizer Fernsehen sehr beliebte Newssendungen, die für viele Zuschauer fix in den Tagesablauf integriert sind. Das SRF ist im Informationsbereich nach wie vor sehr stark, auch dank seiner finanziell komfortablen Lage. Deshalb halte ich es für strategisch unklug, das SRF hier herauszufordern. Dieses Feld überlassen wir gerne Lokalsendern wie Tele Züri, Tele Basel oder Tele M1, die auf Regionalnews fokussieren, und den Tageszeitungen und Online-Plattformen der grossen Verlage.
Also blieb Ihnen nur die Unterhaltung?
Genau. Anfangs starteten wir mit Formaten, die schon auf deutschen Privatsendern beliebt waren und hohe Quoten erzielten: Topserien, Filmklassiker und Blockbuster. Heute haben wir unser Programm mit starken Schweizer Eigenproduktionen wie Bauer, ledig, sucht…, Der Bachelor und Bumann, der Restauranttester angereichert.
Konzessionierte Sender profitieren zwar von Gebührengeldern, müssen aber im Gegenzug strikte Auflagen befolgen, die sich auch auf die Programmgestaltung auswirken können: «Das UVEK kann in der Konzession die Ausstrahlung bestimmter Sendungsarten untersagen, welche der Erfüllung des Leistungsauftrags zuwiderlaufen», steht im Gesetz. Haben Sie die Konzession jüngst zurückgegeben, weil Sie voll auf Ihre Domäne setzen wollten: die Unterhaltung?
Als wir starteten, brauchte man als TV-Sender eine Konzession. Ohne durfte man nicht senden. Heute ist eine Konzession nicht mehr notwendig. Als TV-Sender muss man sich nur beim Bakom anmelden. Sender mit Konzession sind stärker reglementiert als gemeldete Sender und dürfen weniger Werbung ausstrahlen. Wir entschieden uns für mehr Handlungsfreiheit.
Früher waren Sie Geschäftsführer von VIVA Plus, einige Zeit lang haben Sie im Auftrag von SRF Comedy-Sendungen produziert. Wie haben Sie das Arbeitsklima beim Schweizer Fernsehen erlebt?
Ich hatte das Glück, mit meiner Firma zu einer Zeit für das SRF zu produzieren, als es auf SF 2 noch ein Jugendprogramm gab. Ein kleiner Teil der Gebührengelder wurde damals dazu verwendet, jungen Fernsehmachern eine Plattform zu geben, um neue Formate und Fernsehideen auszuprobieren. SF 2 und im Speziellen die Sendung Oops waren im wahrsten Sinn des Wortes eine Talentschmiede. Und viele grosse TV-Stars von heute – vor und hinter der Kamera – hatten damals bei Oops ihre Karriere begonnen. Auch ich habe damals mit meinem Team wöchentlich zwei Sendungen produziert. Knapp sechs Jahre lang. Ich schrieb an mehr als hundert Drehbüchern mit, habe alle Sendungen produziert und auch ein paar Mal Regie geführt. Man liess uns in Ruhe arbeiten, und wir konnten uns kreativ austoben. Dafür bin ich dem SRF noch heute sehr dankbar. Leider ist man heute beim SRF nicht mehr ganz so risikofreudig. Und für junge Leute ist es dadurch schwieriger geworden, in der Schweiz Fernseherfahrung zu sammeln.
Wie genau hat sich das SRF in den letzten Jahren entwickelt?
Das SRF programmiert heute sehr viel kommerzieller, gerade in der Unterhaltung, und orientiert sich dabei stark an den Privatsendern. Ein gutes Beispiel dafür ist die Castingshow The Voice of Switzerland. Das gleiche Format gibt es in Deutschland, es wird allerdings auf den privaten Sendern Pro7 und Sat.1 ausgestrahlt. Die Sendung auf SRF unterscheidet sich in der Machart kaum vom deutschen Pendant. Auch wir wollten für 3+ das Format in der Schweiz produzieren, wurden aber im Pitch vom SRF überboten. Finanziell spielt ein gebührenfinanzierter Sender in einer anderen Liga, da haben wir wenig Chancen, mitzuhalten. Das ist aus medienpolitischen Überlegungen schade.
Das Schweizer Fernsehen hat sich also dem Stil der Privaten angeglichen?
Schauen Sie sich die Formate an: Die öffentlich-rechtliche Adaption von The Voice unterscheidet sich nur wenig von The Voice auf ProSieben in Deutschland. Das SRF kauft mit anderen Worten die gleichen internationalen Formate wie die grossen Privatsender beispielsweise in Deutschland – und produziert sie auch noch so, wie wir Privaten sie produzieren würden. Früher hat das SRF noch Sendungen selber entwickelt; das Einkaufen internationaler Formate, die im privaten Fernsehen erfolgreich waren, war verpönt.
Und wo genau liegt das Problem? Gemäss Artikel 93 der Bundesverfassung trägt das Schweizer Fernsehen nicht nur «zur Bildung und kulturellen Entfaltung», sondern auch «zur Unterhaltung» bei.
Die Diskussion, was unter Service public ganz generell und speziell auch im Bereich der Unterhaltung zu verstehen ist und ob in der Unterhaltung überhaupt eine Service-public-Leistung vom Staatssender SRF erbracht werden soll, ist aus meiner Sicht nun politisch zu führen. Bis anhin wurde der Begriff jedenfalls eigenartig interpretiert: Service public ist einfach das, was die SRG macht. Die SRG bekommt also sehr hohe Gebührengelder, ohne dass klar definiert ist, was damit für Programme und Sendungen, auch im Bereich der Unterhaltung, gezeigt werden sollen. Die Praxis ist zu überdenken und politisch zu diskutieren.
Sie begehren auf?
Nein. Ich finde bloss, dass es einen Entscheid der Legislative braucht. Falls sich in der politischen Diskussion herausstellt, dass eine klare politische Mehrheit mit dieser Praxis einverstanden ist, dann habe ich damit kein Problem. Ich bin Demokrat. Fakt ist aber, dass die Gebührengelder zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Wir bieten oft bei Serien, Spielfilmen oder Unterhaltungsprogrammen wie The Voice gegen die SRG. Dabei müssen wir stets berücksichtigen, dass wir diese aus den Werbeeinnahmen refinanzieren können. Die SRG kann dank ihren Gebührengeldern, immerhin 1,2 Milliarden Franken pro Jahr, sehr viel entspannter und grosszügiger verhandeln. Das führt dazu, dass Sendungen, die sonst ein Privatsender ganz ohne Gebühren produziert hätte, dann mit Gebührengeldern unter dem Deckmantel eines nicht näher definierten Service public produziert werden.
Guter Punkt. Anderseits werden Privatsender wie 3+ oft dafür kritisiert, bloss seichte Sendungen zu machen. «Nur weil eine Sendung nach einem einfachen Muster aufgebaut ist, muss sie nicht dumm sein», halten Sie dem entgegen. Wollen Sie ernsthaft behaupten, der Bachelor würde die Zuschauer mehr zum Denken anregen als Sternstunde Philosophie?
(Lacht) Sternstunde Philosophie hat doch etwas ungemein Beruhigendes, ja fast Einschläferndes! Ich bin mir nicht sicher, ob die Sendung die Gehirnaktivität wirklich so stark anregt. Nun, ich folge da einer ganz anderen Theorie, die sich auf den renommierten Medientheoretiker Steven Johnson stützt. Betrachtet man die letzten Jahrzehnte, so stellt man fest, dass der durchschnittliche IQ sich alle 10 Jahre um einen Punkt erhöht hat. Warum? Menschen strengen sich nicht gerne beim Nachdenken an, ausser sie werden von äusseren Umständen dazu gezwungen oder über die Unterhaltung dazu verführt. Vielleicht erinnern Sie sich mit Nostalgie an Fernsehserien wie Dallas oder Miami Vice. Wenn Sie sich diese Sendungen heute ansehen, werden Sie sich brutal langweilen, weil Sie nicht mehr heutigen Qualitätsstandards entsprechen. In der Regel gibt es bei den alten Sendungen nicht mehr als einen Handlungsstrang und die Charaktere sind sehr eindimensional. Die heutige Unterhaltung ist dagegen viel komplexer. Wer sie verstehen will, muss sich als Zuschauer mehr anstrengen als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren. Das gilt auch für Reality-Sendungen wie Der Bachelor. Damit sie den Bachelor unterhaltsam finden, müssen Sie die Beziehungen zwischen den verschiedenen Damen und dem Bachelor parallel verstehen und mitverfolgen. Das ist viel komplexer als eine lineare Geschichte mit einem einzigen Handlungsstrang. Das Format mag für Sie oberflächlich daherkommen. Aber es ist erstens sehr anspruchsvoll, eine Sendung in dieser Dichte zu produzieren, und zweitens muss sich der Zuschauer ungleich mehr anstrengen, als wenn er stattdessen die Headlines einer Boulevardzeitung lesen würde, was für die meisten Leute ja auch eine Form von Unterhaltung ist.
Was halten Sie davon, Sendungen wie Sternstunde Philosophie als Pay-per-view-Programme zu produzieren? Sie würden das Kernprogramm des Schweizer Fernsehens ergänzen, doch es würden nur jene Zuschauer dafür zahlen, die die Sendungen auch sehen wollten.
Man kann sich tatsächlich fragen, ob solche Nischenprogramme in einer so hohen Qualität produziert werden sollen. Man könnte sie auch deutlich günstiger herstellen und sie dann einfach nur ins Web stellen. Sie fänden auch so ihre Zuschauer, könnten für alle kostenlos bleiben – und das SRF könnte die Gebühren senken, weil deutlich Kosten gespart würden.
Manche würden das Schweizer Fernsehen am liebsten ganz abschaffen. Wie sehen Sie das?
Ich finde es wichtig, dass es weiterhin eine starke SRG gibt. Wir brauchen für die verschiedenen Sprachregionen Staatssender, die Sendungen zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen zeigen. Auf SRF 1 laufen sehr gute Hintergrund-, News- und Dokumentarsendungen, die es alle ohne Gebührengelder nicht geben würde. Diese Formate kann man schlicht und einfach nicht über Werbeeinnahmen finanzieren. Dagegen finde ich, dass man über die Rolle der SRG in anderen Bereichen – vor allem dem der Unterhaltung – politisch diskutieren muss. Hier würde der Markt spielen, wenn die Spiesse gleich lang wären.
Inwiefern verzerrt die SRG eigentlich den Werbemarkt?
In Deutschland darf das öffentlich-rechtliche Fernsehen ab 20 Uhr keine Werbung senden. In Frankreich ist es im Moment genauso, und ab 2016 soll die Werbung sogar komplett verschwinden. In der Schweiz können die Sender der SRG fast gleich viel Werbung ausstrahlen wie die Privaten, auch abends. Aber gleichwohl halte ich mit Kritik zurück: Ein Werbeverbot könnte in einem kleinen Land wie der Schweiz meines Erachtens dem gesamten TV-Markt schaden.
Wie meinen Sie das?
Wenn im Schweizer Fernsehen gar keine Werbung ausgestrahlt werden dürfte, würde das den Privaten nicht dienen, ganz im Gegenteil! Im Moment können die Werbekunden durch die Kombination von Werbung auf SRF und den Privatsendern ein grosses Publikum erreichen. Würde die Werbemöglichkeit bei SRF wegfallen, würde das Fernsehen als Plattform ganz grundsätzlich an Attraktivität verlieren. Dadurch würde der Gesamtmarkt kleiner und unattraktiver. Sinnvoller wäre wohl eine Einschränkung der Werbemenge, welche die SRG-Sender anbieten dürfen.
Sie stellen sich als moderaten SRG-Kritiker dar. Dennoch haben Sie vorgeschlagen, dass die SRG Sendungen ausschreiben solle, die dann von den Privatsendern produziert werden könnten. Die Monopolmacht von SRG würde zwar beschränkt – aber da es nur eine Handvoll Privatsender in der Schweiz gibt, käme es zu keinem wirklichen Wettbewerb. Die meisten Formate würden dann wohl von 3+ gemacht.
(Lacht) Nicht schlecht! Mein Vorschlag ging in eine leicht andere Richtung. Zuerst soll die Politik definieren, welche Service-public-Inhalte es für die Gebührengelder geben und in welchen Teilbereichen wie viel investiert werden soll. Danach veranstaltet der Bund eine Ausschreibung für die einzelnen Teilbereiche, zum Beispiel die Tagesschau. An diesem Pitch können sowohl die SRG-Sender als auch alle Privaten mitbieten. Das beste Angebot gewinnt und bekommt den Auftrag. Bei einem solchen Modell würden sicher alle existierenden Privaten mitbieten, zum Beispiel auch die AZ Medien AG. Die Verlage hätten so einen Anreiz, ins Fernsehen zu investieren, und durch die Ausschreibungen käme es wohl auch zu neuen Kooperationen und Projekten. 3+ würde sich wohl eher auf Ausschreibungen im Unterhaltungsbereich konzentrieren, zum Beispiel für The Voice. Wir könnten sicher bei hoher Qualität günstiger produzieren als das SRF. Die Folge wäre, dass mehr in Inhalte und weniger in Strukturen investiert würde, was ich medienpolitisch sinnvoll fände.
Avenir Suisse schlug im Herbst 2014 ein anderes Modell vor: die SRG als Public Content Provider. Die SRG wäre darin ähnlich organisiert wie heute, hätte aber keinen eigenen Vertriebskanal. Stattdessen würde sie ihre Inhalte allen zur Verfügung stellen. Was halten Sie davon?
Das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Dann würden plötzlich viele Sender identische Inhalte ausstrahlen. Das könnte dazu führen, dass etwa die Zuschauerzahlen der Tagesschau sinken würden, weil sie dann nicht mehr nur auf dem gewohnten Sender zur gewohnten Zeit ausgestrahlt wird, sondern parallel auf 4+, Ringier TV oder TV24. Ich glaube nicht, dass dieses Modell der Idee des Service public entspricht. Es ist wichtig, dass auch die SRG-Programmmitarbeiter ihre Zuschauerzahlen kennen. Denn gute Zuschauerzahlen motivieren, gute Programminhalte für eine breite Bevölkerungsschicht zu produzieren. Wenn alle drei Deutschschweizer SRF-Kanäle schliessen würden, würde das die Nutzung dieser gut produzierten Programminhalte senken, was sicher nicht im Sinne des Gebührenzahlers wäre. Allerdings kann man sich zu Recht fragen, ob es in der Deutschschweiz wirklich drei öffentlich-rechtliche Sender braucht.
Netflix ist ein Anbieter, der erkannt hat, dass die Zeit des linearen Fernsehens sich ihrem Ende nähert. Vor kurzem hat der Anbieter in den deutschsprachigen Raum expandiert. In den Niederlanden hat die Firma bereits eine Million Kunden, global rund 14 Millionen. Besonders bei den Jungen – seinem Zielpublikum – ist Netflix sehr beliebt. Versuchen Sie mit 3+ nicht, mit einem Medium Geld zu machen, das seine besten Tage längst hinter sich hat?
Ich bin seit bald fünf Jahren Netflix-Kunde. Wir haben zum ersten Mal vor etwa viereinhalb Jahren versucht, mit Netflix ein Joint Venture für die Schweiz zu starten. Nachdem das nicht geklappt hatte, haben wir dann das Businessmodell und das Programmkonzept intensiv analysiert. Wir haben uns dabei von mehreren früheren Netflix-Managern beraten lassen. Fakt ist: Netflix promotet sich hervorragend. Wie erfolgreich die von Netflix selbst proklamierten Hits allerdings sind, weiss niemand ausserhalb der Firma. Im Free-TV gibt es in allen Ländern Zuschauerzahlen, anhand derer man die Sender vergleichen kann. Netflix veröffentlicht keine solchen Daten. Interessant ist, dass die Netflix-Hitserien, wie zum Beispiel House of Cards, im Free-TV ein Flop waren. Auch laufen Serien, die im Free-TV gut funktionieren, Serien mit abgeschlossenen Folgen, wie Navy CIS, die auch 3+ ausstrahlt, auf SVOD-Diensten wie Netflix nicht gut. Auf Subscription VOD scheinen andere Inhalte beliebt zu sein als im Free-TV. Die Nutzung scheint in vielen Bereichen komplementär zu sein und ergänzt die TV-Nutzung. Ich glaube an das klassische lineare Fernsehen inklusive Online-Verwertung der Programme, sonst hätten wir nicht gerade unseren dritten Sender gestartet. Ein grosser Teil der TV-Nutzung ist nicht geplant und setzt sich aus vielen kleinen Programm-Schnipseln zusammen. Hier ein paar Minuten Krimi, da ein bisschen News. Die Zuschauer wollen oft nicht die ganze Folge einer Serie anschauen und zappen lieber von einem Sender zum nächsten. Bei dieser Art der Nutzung ist Free-TV unschlagbar. Natürlich ist es aber wichtig, dass wir die technologische Entwicklung sehr genau verfolgen und wachsam bleiben. Wichtig wäre auch, dass OTT-Anbieter wie Netflix die gleichen Rahmenbedingungen wie Free-TV-Sender erfüllen müssen. Wir müssen vier Prozent unserer Bruttoeinnahmen in die Schweizer Filmförderung investieren. Netflix keinen Franken.
Ich sehe, niemand weiss, wohin die Reise geht, selbst der SRG-Generaldirektor nicht. Letzte Frage: Wenn Sie mit Herrn de Weck tauschen könnten – würden Sie’s tun?
Ich glaube, ich wäre als SRG-Generaldirektor total ungeeignet. Roger de Weck ist rhetorisch brillant und ein ausgezeichneter Lobbyist. Ich mache lieber Programme, und zwar am liebsten im Unterhaltungsbereich. Die Programme, die wir ausstrahlen, machen mir persönlich auch Spass bei der Produktion. Ich bin gerne nahe am Produkt, nahe bei den Zuschauern. Lobbying ist nicht mein Steckenpferd.
Kurt Häberli 10. Mai 2015, 23:46
Die Frage
hätte sich erübrigt, falls der Autor Fachwissen oder mindestens Zeit für die Recherche gehabt hätte.
In Deutschland muss von Gesetzes wegen jeder Privatsender konzessioniert werden und die Konzession schreibt fest, dass die nationalen General-Interest-Sender Nachrichtensendungen bringen MÜSSEN. Freiwillig tun sie dies nicht.