von Nick Lüthi

Italien und Italien

Die Hauszeitungen der beiden grössten Schweizer Detailhändler Migros und Coop haben beide das gleiche Thema gewählt für ihre Sommerausgabe: Italien. Doch damit hat sichs schon mit den Gemeinsamkeiten. Der Direktvergleich zeigt noch deutlicher als sonst die sehr unterschiedlichen Redaktionskonzepte.

Als hätte die Hitze das Themenspektrum auf die Auswahl zwischen Italien und Italien eingedampft, gehen Coopzeitung und Migros-Magazin mit ihren Sommerausgaben im Gleichschritt. Italien hier, Italien dort. Das ist natürlich nur Zufall, aber ein schöner. Wer macht es besser? Wessen Italia ist la più bella? Machen wir den Vergleich.

Wer die Blätter nicht näher kennt, könnte sie glatt miteinander verwechseln. Gleiches Format, gleiche Farbe, ähnlicher Umfang, Absender aus der selben Ecke: Coopzeitung und Migros-Magazin gleichen sich nicht nur auf den ersten Blick, auch strukturell haben sie Vieles gemeinsam. Die beiden Pfeiler des heimischen Detailhandels geben je eine Wochenzeitung heraus für die Kommunikation mit ihrer Kundschaft. Damit erreichen sie beide bis zu zweieinhalb Millionen Menschen in der Schweiz – um Welten mehr als jedes andere Magazin in der Schweiz.

Ein Vergleich der beiden Titel gestaltet sich nie einfacher als jetzt, wenn beide das gleiche tun mit ihren Italien-Heften. Doch bereits hier enden die Gemeinsamkeiten. Noch deutlicher als sonst zeigen sich mit der identischen Themenwahl die Unterschiede im Direktvergleich. So hegte die Migros schon immer publizistische Ambitionen, die über verkaufsanimierende Massnahmen hinausgingen. Das Migros-Magazin, wie schon sein Vorgänger «Wir Brückenbauer», hat sich schon immer als gesellschaftlich relevante Stimme verstanden und bringt das bis heute journalistisch angemessen zum Ausdruck. Coop dagegen rückt das eigene Unternehmen und seine Produkte in den Fokus. Da bleibt wenig Raum für weitergreifende Perspektiven und journalistische Höhenflüge. So auch im Sommerheft.

Auf dem Titel der «Italien-Spezialausgabe» der Coopzeitung streckt einem ein grinsender Pizzaiolo – nicht irgendeiner, sondern Weltmeister Raffaele Tromiro (33) – sein jüngstes Gebäck entgegen. Daneben steht der vielversprechende Hinweis «Mehr als Pasta». Wobei damit nicht etwa die Vielfalt italienischer Kulinarik gemeint ist, sondern nur: «PIZZA!», wie unmittelbar darunter mit Ausrufezeichen zu lesen steht. Nur geringfügig origineller, dafür grafisch ansprechender gestaltet ist der Umschlag des Italien-Sonderhefts vom Migros-Magazin. Mit den in gekachelt angeordneten Klischeeobjekten aus dem Mittelmeerland preist sich das Heft unter seinem Wert an.

Was sich aussen schon abzeichnet, setzt sich auch innen fort. Wer mit einem Fünf-vor-Redaktionsschluss-Editorial den Textteil des Hefts eröffnet, hat schon verloren. Der erste Artikel ist nicht unbedingt der wichtigste, aber eben der erste, den die Leser zu sehen kriegen; die Visitenkarte, der Chef empfiehlt. In der Coopzeitung eine lieblos zusammengestoppelte Plattitüdensammlung zur Lebensfreude beim südlichen Nachbarn. Gestern tolles Land, süsses Nichtstun, heute nur Negativ-Schlagzeilen mit Korruption und Streik. Im Migros-Magazin dagegen kramt der Chefredaktor in persönlichen Erinnerungen an die Herzlichkeit italienischer Gastfreundschaft in der Schweiz und schliesst mit der programmatischen Klammer des Schwerpunkts: «Diese Ausgabe ist dem gewidmet, was Italien uns gebracht hat: Dolce Vita, Italianità – und viele sympathische Menschen.»

Wie schon auf den ersten Seiten, so besteht auch im Rest der beiden Sondernummern keine Verwechslungsgefahr. Im Migros-Magazin geht es, wenn von Italien die Rede ist, um Menschen. Zum Beispiel um Migrantinnen und Migranten aus Italien. Solche die hier leben und solche, die zurückgekehrt sind. Die Reportagen und Porträts könnten unverändert in unabhängigen Tages- und Wochenzeitungen veröffentlicht werden. In der Coopzeitung geht es zwar auch um Menschen. Aber praktisch ausschliesslich in Ihrer Rolle als Produzenten und Konsumenten von Produkten, die es in der einen oder anderen Form im Coop zu kaufen gibt.

Je weiter man durch die beiden Italien-Ausgaben blättert, desto deutlicher wird erkennbar, dass sich die beiden Publikationen gar nicht vergleichen lassen. Zu unterschiedlich sind die publizistischen Konzepte von Migros und Coop für ihre Wochentitel. An journalistischen Massstäben gemessen hat das Migros-Magazin klar die Nase vorn – nicht nur mit der Sommerausgabe, sondern auch im Rest des Jahres.