Die Wahrheit über den Beilagensalat
Die Zeitungsverleger sehen ihre Felle davon schwimmen. Alles wird digital, das Papier und auch die Werbung. Zum Glück hat die Printlobby nun herausgefunden, dass Prospektbeilagen in Zeitungen und Zeitschriften eine erstaunlich hohe Werbewirkung erzielen. Ein überraschender Befund.
Wer kennt es nicht, das sonntägliche Zeitungsritual: Man fasst das Blatt mit beiden Händen an Kopf und Fuss der redaktionellen Faszikel und schüttelt einmal kräftig. Und da flattert auch schon der ganze Werbeballast raus. An manchen Sonntagen bis zu fünf Werbeprospekte, allesamt in Hochglanz. In freudiger Erwartung des umfangreichen Lektüreangebots und genervt ob des störenden Stapels unerbetener Kommerzbotschaften bleibt die Werbung entweder auf dem Boden liegen oder wandert direkt in die Altpapiersammlung. Und auch unter der Woche muss nicht selten sein Blatt schütteln, wer nicht plötzlich von herausfallenden Prospekten gestört werden will. Wer das für den normalen Lauf der Dinge hält, der irrt.
Eine aktuelle Studie des Verbands Schweizer Medien zeichnet ein ganz anderes Bild. Prospektbeilagen von Zeitungen und Zeitschriften genössen hohe Akzeptanz und erzielten eine grosse Werbewirkung – bei einer Hälfte der Bevölkerung. Die andere lebt weitgehend beilagenabstinent und schüttelt sonntags Zeitungen aus. Alle weiteren – natürlich nur positiven – Befunde der Studie beziehen denn auch nur auf die regelmässigen Beilagennutzerinnen und -nutzer. Und die lauten: Wer die Werbeprospekte anguckt, kauft die dort angepriesenen Produkte. Oder: Neun von zehn Nutzer haben schon einmal einen Gutscheine oder Rabattcoupon aus einer Beilage eingelöst.
Die Studie ist Teil der Verleger-Kampagne «Print wirkt». Sie soll Verlage und Werbetreibende davon überzeugen, weiterhin in bedrucktes Papier zu investieren. Doch vom Loblied auf die Prospektbeilagen gibt es auch eine weniger schöne Version: Wer als Vorteil preist, mit den Prospektbeilagen die Stopp-Werbung-Kleber auf den Briefkästen zu umgehen, nimmt billigend in Kauf, all jene zu verärgern mit einem ebensolchen Aufkleber; sie kriegen den gefühlten Werbemüll in den Zeitungen und Zeitschriften untergejubelt für die sie immer höhere Abopreise zahlen. Das ist dann nicht win-win, sondern lose-lose: Ärger über die Werbung und Ärger über das Leibblatt, das solches zulässt. Solange Studien belegen, wie wirksam diese Werbeform sei, wird sich daran nichts ändern.
Karl Lüönd 10. November 2015, 21:04
Lieber Nick Lüthi
Dass man mit Prospektbeilagen wesentlich bessere Rückläufe erreicht als mit unadressierten Streusendungen, ist nicht neu, sondern seit vielen Jahren bekannt.Andernfalls würde doch niemand die um ein Mehrfaches teureren Prospektbeilagen in den Zeitungen buchen. Die Verleger lieben diese Beilagen heiss, weil sie nur geringe Einsteckkosten haben (dank den schlauen Maschinen der Firma Ferag Hinwil) und für den Werbewert hohe Deckungsbeiträge kassieren können. Manchmal liegt auch noch ein Druckauftrag drin.
Die besten Rückläufe errreicht man übrigens mit den ebenfalls in Hinwil erfundenen Aufklebern auf den Titelseiten. Aus Frankreich sind Erfolgsbeispiele mit bis zu 38 % eingelöster Gutscheine (für eine Restaurant-Eröffnung) bekannt.
Was soll falsch sein an diesen Werbeformen? Wer sie nicht mag, steckt sie weg. Stopp-Kleber wurden vom Konsumentenschutz als Kampfmittel gegen die Gratiszeitungen entwickelt. Heute sind sie etwas vom Dümmsten, was der von Printmedien lebende Berufsmensch an seinen Briefkasten kleben kann: Selbstbekämpfung in ihrer reinsten Form.
Lieber Nick, die Nutzerinnen und Nutzer unserer Printmedien verhalten sich halt manchmal nicht so, wie wir es uns vorstellen. Schöne Grüsse aus der Realität! Kari Lüönd
Rene Wetzel 17. November 2015, 22:20
völlig einverstanden… und wenn’s und wen’s nervt – produkt am falz halten und kurz über dem papierkorb schütteln… ICH habe mir schon mehrmals mit attraktiven nettigkeiten die (sonntagszeitungs-)lektüre versüssen können… 😎