von Dominique Strebel

Landesverweis wegen investigativer Recherche

Wird die «Durchsetzungsinitiative» der SVP am 28. Februar angenommen, schränkt dies den Handlungsspielraum der Medien ein. Journalistinnen und Chefredaktoren ohne Schweizer Pass würden künftig des Landes verwiesen für Delikte, die sie als Teil des Berufsrisikos in Kauf nehmen müssen.

Schweizer Journalisten können auch nach Annahme der Initiative weiterhin Berufsrisiken wie Strafverfahren wegen Ehrverletzung in Kauf nehmen. Ihnen droht bloss eine (bedingte) Geldstrafe. Das ist auch gut so, denn nur wer sich getraut, an die Grenze der Legalität zu gehen, kann wichtigen, kritischen Journalismus betreiben.

Ganz anders die Situation von Journalisten ohne Schweizer Pass: Sie würden künftig des Landes verwiesen, wenn sie wegen Ehrverletzung verurteilt und danach eine weitere Straftat gemäss zweiter Kategorie des Deliktskatalogs der Durchsetzungsinitiative begehen. Darunter sind so häufige Straftaten wie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (2014: 1656 Verurteilungen) oder Hausfriedensbruch mit Sachbeschädigung (2014: 6630 Verurteilungen für alle Arten von Hausfriedensbruch. Zahlen für die qualifizierte Form fehlen).

Beide Delikte gehören ebenfalls zum Berufsrisiko von Journalisten, die ihren Job ernst nehmen und Missstände öffentlich machen:

  • Missstände im Tierschutz können oft nur recherchiert werden, wenn der Journalist in den Stall eindringt, in dem er illegale Haltebedingungen vermutet. Dabei begeht er Hausfriedensbruch kombiniert mit Sachbeschädigung (Art. 186 Ziff. 1 Bst. c StGB). Vor Gericht kann er zwar geltend machen, seine Recherche sei im überwiegenden öffentlichen Interesse. Doch Schweizer Richter anerkennen diese Rechtfertigung äusserst selten.
  • Greifen Polizisten an Demonstrationen mit unverhältnismässiger Härte durch, können dies Journalisten nur dokumentieren, wenn sie nahe genug herangehen. Dann aber erfüllen sie unter Umständen den Tatbestand der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB), wenn ein Gerangel ausbricht. Für einen Schuldspruch genügt bereits ein Fusstritt gegen den Polizisten, der einen festnehmen will. Um straflos zu bleiben, müssen Medienschaffende nachweisen, dass sie nur als passive Beobachter dabei waren.

Noch einschneidender sind die Folgen der Durchsetzungsinitiative für ausländische Ressortleiter oder Chefredaktoren: Begeht ein ihnen unterstellter Journalist (egal ob Schweizer oder Ausländer) Hausfriedensbruch mit Sachbeschädigung oder Gewalt und Drohung gegen Beamte, werden die Chefs als Gehilfe oder Mittäter mitverurteilt und müssen das Land zwingend für fünf bis zehn Jahre verlassen, wenn sie vorgängig zum Beispiel eine Ehrverletzung begangen oder eine versteckte Kamera zu Unrecht eingesetzt haben. Es liegt auf der Hand, dass ein Chef ohne Schweizer Pass, seine Redaktoren im Zweifel eher bremsen wird, als diese Sanktion in Kauf zu nehmen.

In der Schweizer Medienlandschaft gibt es viele ausländische Chefs: Etwa «Blick»-Geschäftsführer Wolfgang Büchner und «Blick»-Chefredaktorin Iris Mayer oder auch Kassensturz-Chef Wolfgang Wettstein, der die Leitung allerdings auf Ende März abgibt. Gerade sein Fall zeigt, wie real die Gefahr ist, die von der Durchsetzungsinitiative ausgeht: Wettstein wurde 2009 verurteilt, weil seine Redaktoren die zweifelhaften Methoden eines Schönheitschirurgen mit versteckter Kamera festgehalten hatten. Illegale Bild- und Tonaufnahmen (Art. 179ter und quater StGB) führen gemäss Durchsetzungsinitiative zu einer gelben Karte: Wird Wettstein zum zweiten Mal verurteilt – zum Beispiel, weil ein Kassensturz-Redaktor in einen Mastbetrieb eindringt, um die Zustände der Tierhaltung zu dokumentieren –, muss er zwingend des Landes verwiesen werden, falls die Initiative angenommen wird. Die Durchsetzungsinitiative fördert also unkritischen Journalismus, der lieber wegsieht – auch bei wichtigen Missständen.

Medienrechtsprofessor Franz Zeller hat die Thematik juristisch umfassend aufgearbeitet in einem wissenschaftlichen Artikel, der demnächst im Jusletter erscheinen wird. Die Medienwoche darf ihn hier bereits öffentlich machen.

Leserbeiträge

Sommer 08. Februar 2016, 16:06

„… für Delikte, die sie als Teil des Berufsrisikos in Kauf nehmen müssen“. Haha, jetzt weiss ich endlich, dass Journalisten ihren Beruf nicht ausüben können, ohne Verbrechen zu begehen. Bitte löschen Sie mich aus Ihrem Verteiler. So einen Blödsinn können Sie für sich behalten.

Alex Schneider 09. Februar 2016, 07:13

Wer die diversen Berichterstattungen zu den Härtefall-Entscheiden der Gerichte in Bezug auf den Landesverweis in der Weltwoche über Jahre gelesen hat (z. B. Bundesgerichtsurteil zum Raser von Schönenwerd) kommt aus dem Staunen nicht heraus, was da alles an Begründungen für einen Verzicht auf einen Landesverweis angeführt wird. Die Weltwoche ist in diesem Zusammenhang meines Wissens noch nie wegen Verbreitung von Unwahrheiten rechtskräftig verurteilt worden. Das Bundesparlament hat es leider verpasst, die Ausschaffungsinitiative so zu konkretisieren, dass die zentralen Forderungen erfüllt sind.

Paul 09. Februar 2016, 14:55

Lösung, ganz einfach: Die Ehre der anderen nicht verletzen!

Annabelle Huber 10. Februar 2016, 21:23

Also Deutschland hat einen DRINGENDEN Bedarf an engagierten Journalisten, welche sich nicht vor Recherche und kritischer Denkarbeit scheuen. Das Land ist diesbezügich verwaist.
Da fragt man sich wirklich, was diese Leute ausgerechnet hier herumzukritisieren und herumzumäkeln haben, wo es für sie zu Hause viel mehr zu tun gäbe.