Drei grosse Klick-Magnete
Konzentrationstendenzen im Schweizer Internet: Tamedia, Ringier und Swisscom teilen sich bereits die Hälfte des durch Net-Metrix gemessenen Traffics. Nach und nach verleiben sich die Schweizer Internet-Riesen weitere Sites ein.
Vor einigen Jahren hat der grosse Run auf Portale für Kleinanzeigen, Handelsplattformen sowie Verzeichnisdienste begonnen. Alleine für die Übernahme der Scout-Gruppe hat Ringier schätzungsweise 200 Millionen Franken bezahlt. Und die Kleinanzeigenplattform bleibt beliebt: Für einen vermutlich ebenfalls dreistelligen Millionenbetrag hat sich Ende März die Mobiliar in die Scout-Gruppe eingekauft.
Weiter sollen Tamedia und Ringier für jobs.ch zusammen fast 400 Millionen Franken ausgegeben haben. Und Swisscom wäre online nicht einmal halb so gross ohne die Verzeichnisdienste search.ch und local.ch, welche sie zusammen mit Tamedia hält.
Infografik: Das Schweizer Internet im ersten Quartal 2016
Pro Monat haben sich im ersten Quartal 2016 gemäss Net-Metrix im Schnitt 96’885’833 Unique Clients (UC) auf 186 Schweizer Sites verteilt. Das heisst: Mehr als 90 Millionen Browser oder Apps, haben im gemessenen Zeitraum pro Monat einmal auf eine Site zugegriffen. Untersucht wird nur, wer die Dienstleistung von Net-Metrix in Anspruch nimmt. Abgedeckt wurden jedoch alle für den Werbemarkt relevanten Onlineangebote.
Aus der Statistik abzulesen ist: Vom Traffic-Kuchen schneidet sich Tamedia das grösste Stück ab. 27.1 Mio. Browser-, App-, sowie mobile Zugriffe pro Monat hat das Medienhaus registriert und ist damit absoluter Spitzenreiter unter den Schweizer Site-Betreibern. Dieser Traffic verteilt sich bei Tamedia auf insgesamt 25 Sites, darunter auch JobCloud, die sich Tamedia zu gleichen Teilen mit Ringier teilt und die beiden Verzeichnisdienste search.ch und local.ch, welche zu zwei Dritteln der Swisscom gehören.
Bemerkenswert: Alleine search.ch und local.ch verzeichnen 8.7 Mio. Zugriffe pro Monat, das macht fast zehn Prozent des Gesamttraffics der 186 durch Net-Metrix untersuchten Sites aus. Trafficstärkste Site bleibt für Tamedia jedoch 20 Minuten Online. Die Gratisplattform verzeichnete mit der deutschsprachigen Site 5 Mio., mit der französischsprachigen 1.8 Mio. und in der italienischen Schweiz knapp mehr als eine halbe Million Unique Clients pro Monat.
Deutlich hinter Tamedia folgt auf dem zweiten Platz der Schweizer Traffic-Giganten das Medienhaus Ringier mit 17 Mio. Zugriffen auf 29 Web-Sites pro Monat. Seit Anfang Jahr gehören auch sämtliche Angebote von Axel Springer Schweiz zu Ringier. In einem Joint Venture werden nun alle Schweizer Angebote Springers und alle Zeitschriften des Ringier Verlags vermarktet. Weiter interessant: Während bei Tamedia neun seiner 25 Websites keine Nachrichtenangebote sind, sind es bei Ringier deren 13.
Anders als Tamedia und Ringier hält sich Swisscom mit nur vier Sites und 9.6 Mio. Unique Clients pro Monat auf dem dritten Platz. Dies alleine durch die beiden Verzeichnisdienste search.ch und local.ch, die der Telekommunikationsfirma zu 61 Prozent gehören. Auch wenn man den Traffic auf die beiden Teilhaber Tamedia und Swisscom verteilt, der Swisscom also 61 Prozent der Unique Clients zuordnet, machen search.ch und local.ch noch immer zwei Drittel der Zugriffe aus. Zum Vergleich: Bluewin.ch verzeichnete im ersten Quartal 2016 2.8 Mio. Unique Clients pro Monat, local.ch 4.7 Mio.
Neben diesen drei Giganten scheint das Mithalten im Kampf um Klicks schwierig. Die SRG mit im Schnitt 7.7 Millionen Unique Clients pro Monat und die NZZ mit 5.2 Millionen Unique Clients pro Monat können mit den Grossen gerade noch knapp mithalten.
Mit ihrer neu erworbenen Beteiligung an der Scout-Gruppe zu 44 Prozent und daher mit einem Anteil von 1.8 Mio. Unique Clients pro Monat mischt nun auch der Versicherungkonzern Mobiliar in den Top Ten mit.
Die AZ Medien kann sich durch den Zusammenschluss ihrer Regionalzeitungen als Nordwestschweiz Netz und neu auch mit den Traffic-Zahlen ihrer Regionalsender mit 1.7 Mio. Unique Clients auf Platz Acht halten. Weiter behaupten sich im Schweizer Internet einzelne Sites mit starkem Traffic, so etwa comparis.ch und die unabhängige Unterhaltungsplattform likemag.com.
Dennoch ist der Kontrast gross: Neben den 108 Sites der zehn grössten Schweizer Medienunternehmen werden von Net-Metrix weitere 78 Sites erfasst, die gemeinsam aber nur gerade 20 Prozent des Gesamttraffics erzielen.
Das Verhalten der Medienhäuser Ringier und Tamedia erinnert an das Mini-Game Agar: Der Spieler ist ein runder Einzeller, der durch das Einverleiben kleinerer Spieler immer grösser und stärker wird. Und auch im Netz gilt das Gesetz der Grösse: Wer hat, dem wird gegeben, respektive: kriegt noch mehr Traffic.
Damian 12. April 2016, 08:53
Was ist mit Youtube?
Facebook?
Google?
Isabelle Schwab 12. April 2016, 10:48
Lieber Damian
Leider veröffentlichen Google, Facebook und Youtube keine Zahlen für einzelne Länder.
Die Infografik stützt sich ausserdem auf Daten von Net-Metrix. Die Zugriffe auf Google und Co. werden hier nicht erfasst. Eine Durchmischung mit anderen Datensätzen wäre denkbar, jedoch weniger repräsentativ, da unter anderem unterschiedliche Messmethoden und Berechnungen verwendet werden, um den Traffic zu erfassen.
Das Ranking der Top Sites der Schweiz finden Sie jedoch hier.
Beste Grüsse
Isabelle Schwab
hans 12. April 2016, 15:06
Eigentlich ist es erstaunlich, wieviele Leute sich immer noch durch Schnüfffeldienste wie Net-Metrix, Google Analytics und wie die alle noch heissen, nachspieonieren lasssen. Sowas wird bei mir geblockt (sogar mehrfach, AdBlock, Ghostery und NoScript kommen da zum Einsatz). Mein Traffic gehört mir und soll nicht fichiert werden!
Isabelle Schwab 13. April 2016, 12:54
Lieber Hans
Tatsächlich werden Unique Clients unter anderem über Javascripts und Cookies gemessen. Durch Addons wie NoScript können Sie also verhindern, dass sie über Ihren Browser auf Ihrem Desktop-Computer als Unique Client gezählt werden. Vielleicht aber noch einfacher: Das Surfen im Internet mit dem Tor-Browser.
Wie sieht es aber mit ihrem Handy aus, wie schützen Sie sich dort vor der Spionage, wie Sie sie nennen? Denn auch App-Zugriffe und allgemein mobile Zugriffe werden gezählt.
Zum Thema Tracking kann ich Ihnen folgende Dokumentation empfehlen.
Beste Grüsse
Isabelle Schwab
hans 17. April 2016, 10:10
Danke für die Antwort und ich werde gleich die Dokumentation lesen. Auch auf dem Handy schütze ich mich. Das ist gerootet (bevor das eine Schadsoftware hinter meinem Rücken tut, mache ich das lieber selbst).
Und jetzt gibt es sensationelle Möglichkeiten. AdAway, welches die bekannten Werbevermarkter in der /etc/hosts einträgt, Damit gehört lästige Reklame endgültig der Vergangenheit an. Dazu kommt XPosed mit XPriacy, um Apps unnötige Berechtigungen zu entziehen (Zugriff aufs Internet, Lesen der Kontakte etc). Sehr nützlich ist auch noch zusätzlich eine Firewall mit der gezielt trafficintensive Anwendungen dazu gebracht werden können, nur am WLAN ins Internet zu gehen.
Gruss
hans
Thomas Gresch 12. April 2016, 17:00
Ich verstehe die Grösse der Kreise nicht ganz: Wie kann der 20min Kreis mit >7 Millionen UC kleiner sein als der SRF mit 4 Millionen?
Isabelle Schwab 13. April 2016, 11:04
Lieber Herr Gresch
Ich gebe zu, dass das etwas irreführend wirken kann. Die Gesamtfläche der Kreise von Tamedia, Ringier und Co. entspricht dem prozentualen Anteil am durch Net-Metrix gemessenen Gesamttraffic. Die Websites ihrerseits sind nach ihrem Anteil am Traffic der einzelnen Medienhäuser und Unternehmen aufgeteilt.
Um auf ihr Beispiel zurückzukommen: Bei der SRG macht die Website srf.ch mehr als die Hälfte des Traffics aus, bei Tamedia wiederum macht 20 Minuten aber „nur“ einen Viertel aus. Daher die verschiedenen Grössen.
Ich hoffe ich konnte Ihnen so weiterhelfen.
Beste Grüsse
Isabelle Schwab
Benjamin Freuler 17. April 2016, 16:38
leider enthält der artikel mehrere fehler. der wichtigste: Unique Clients können nicht summiert werden, genauso wenig, wie Leser und Zuschauer summiert werden können. Es gibt also im gesamten keine 90 Mio Unique Clients. Mit sehr vielen Clients werden mehrere Sites angesurft. Von daher sind alle Prozentwerte falsch. Auch die summierten Werte aus local.ch und search.ch stimmen somit nicht, da es auf den Monat gesehen eine signifikante Überschneidung gibt, der Wert also tiefer ausfallen müsste als die Summe. Ebenso ist der Wert von Swisscom falsch, da ja local & search zu Swisscom gehören, mit einer Beteiligung von tamedia. Tipp: Das ganze mit Visits nochmal rechnen, die überschneiden sich viel weniger stark, oder gleich auf Unique User gehen, da nur diese tatsächlich eine Personenreichweite darstellen.
Isabelle Schwab 19. April 2016, 18:37
Lieber Herr Freuler
Sie haben wohl Recht: Die Formulierung mit den 90 Mio. Unique Clients ist unglücklich gewählt. Danke für den Hinweis.
Dennoch bleibt die Aussagekraft der Infografik bestehen, denn es ging darum, Marktanteile der Medienhäuser und Unternehmen im Verhältnis zueinander darzustellen. Die Wahl fiel dabei auf Unique Clients, da hier ein Zugriff über ein Gerät nicht mehrere Male gezählt wird und sie so aus meiner Sicht ein realistischeres Abbild der Nutzung einer Website darstellen.
Ihren Hinweis zu Swisscom und den beiden Sites local und search verstehe ich nicht ganz. Sie sind in der Grafik wie auch im Text klar Tamedia und Swisscom zugeordnet. Können Sie das weiter ausführen?
Beste Grüsse
Isabelle Schwab
Benjamin Freuler 19. April 2016, 20:54
Weiterführend und zu Ihrer Rückfrage:
Wenn die Überschneidungen nicht berücksichtigt sind, dann stimmen auch die Konzern-„Summen“ nicht, Swisscom mit local.ch, search.ch etc. habe ich als Beispiel erwähnt, es gilt aber auch für die anderen Sites bzw. Konzerne. Da die UCs für einen Monatszeitraum erhoben sind, sind auch die Überschneidungen z.T. massiv, vor allem bei Newssites, die hochfrequent besucht werden und mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Überschneidungen aufweisen (Beispiel Tagi und 20min). Das heisst, die Clients können deshalb nicht summiert werden, sondern müssen um die Doppelnutzerschaft bereinigt werden. Die Netzwerk-Werte werden ansonsten viel zu hoch, die Reichweiten der Einzelsites im Vergleich zum Total entsprechend zu klein, da sie ja ins Verhältnis gesetzt werden zu den über 90 Mio. Clients. Das ist, als ob man alle Zuschauer der einzelnen Sender zusammenzählen würde, ohne zu berücksichtigen, dass das ja dieselben Menschen sind, die sich mehrere Sender anschauen.
Einzelne Konzerne publizieren bei NET-Metrix übrigens ihre Netto-Unique Clients, so z.B. Tamedia und Ringier: http://netreport.net-metrix.ch/audit/ (unterer Teil unter „Netzwerke“). Hier sehen Sie, dass diese Netzwerkwerte tiefer liegen, als die Bruttosummen. Das ist umso stärker der Fall, je grösser und je ähnlicher die Sites sind.
Ob man Unique Clients oder Visits nimmt, hängt letztlich davon ob, ob man die Nutzungsintensität berücksichtigen will oder nicht. Zentral ist jedoch, dass bei den Unique Clients beachtet wird, dass sie nicht summiert werden können, wegen der erwähnten Überschneidungen. Es entstehen sonst irreführende Werte. Sie haben sicher recht, dass die Rangreihenfolge in etwa erhalten bleibt, die prozentualen Reichweiten sind jedoch massiv unterschätzt, weil die Zahl der Gesamt-Unique-Clients mit über 90 Mio. viel zu hoch angesetzt ist. Der tatsächliche Wert wird von NET-Metrix meines Wissens auch nach wie vor gar nicht kommuniziert, weil es sich um eine rein technische Grösse handelt und für den Markt letztlich der Unique User relevant ist, das heisst: Wie viele Personen erreiche ich mit meinem Angebot bzw. meinen Angeboten.
Disclaimer: Ich habe 5 Jahre bei NET-Metrix gearbeitet und 1.5 Jahre bei local.ch, greife aber nur allgemein zugängliche Informationen auf. Für Rückfragen zu methodischen Details geben Ihnen die KollegInnen von NET-Metrix sicher gerne Auskunft.
Ich hoffe ich konnte mit meinen Aussagen mehr klären als verwirren. Ich finde Ihren Ansatz spannen. Aber bei Reichweiten-Daten ist es doch wichtig, Netto- und Bruttowerte auseinanderzuhalten.
Isabelle Schwab 20. April 2016, 19:48
Lieber Herr Freuler
Vielen Dank für Ihren kompetenten und aufschlussreichen Input. Sie haben wohl Recht, das Zusammenzählen der Unique Clients bezogen auf die Medienhäuser könnte als alleinstehende Zahl einen falschen Eindruck vermitteln. Da es mir aber in erster Linie um die Darstellung der einzelnen Websites in den Unternehmen ging, fand ich es nicht relevant, ob ein Unique Client nun auf local und search zugreift oder eben nicht. Wichtiger waren mir die Zugriffe auf die Sites im Verhältnis zueinander und natürlich auch in ihrer Verteilung auf die Medienhäuser darzustellen.
Die Grafik ist sicher ausbaubar. Ich bin jedoch nach wie vor überzeugt, dass die Grundaussage korrekt ist.
Beste Grüsse
Isabelle Schwab