von Nick Lüthi

Auf Schlingerkurs mit BMW

Michael Fleischhacker, Chefredaktor des NZZ-Ablegers in Österreich, stand für BMW als Markenbotschafter im Einsatz und lobte in Blog und Video ein neues Elektrogefährt in den höchsten Tönen. Sein Arbeitgeber hat den Auftritt nicht genehmigt. Fleischhacker selbst nennt den Ausflug in die Werbung eine «Fehleinschätzung».

Er ist ein richtiger Fan. Wie er da durch Wien braust in einem vollelektrischen Kleinwagen und dabei das Produkt der Bayrischen Motoren Werke in den höchsten Tönen lobt; so klingt echte Begeisterung. Den Werbespot beschliesst der Fahrer mit dem knackigen Slogan: «Ich bin tendenziell gegen alles, ausser es ist gut. Und der ist gut.» Das sitzt. Nur das Beste ist ihm gut genug.

Der Clip ginge als ein weiteres von Zillionen Werbefilmchen durch, wenn da nicht dieser Fahrer wäre. Michael Fleischhacker, mit dem wir durch Österreichs Hauptstadt kurven, ist nicht irgendein unbekannter Werbehansel sondern Chefredaktor von NZZ.at. Das sieht man auch ganz gut. Der Zuschauer fährt mit ihm zur Redaktionssitzung, dann weiter ins Kaffeehaus zur professionellen Zeitungslektüre. Fleischhacker ist also nicht nur als Privatperson unterwegs, sondern deutlich erkennbar als Figur des öffentlichen Lebens.

Der Chefredaktor eines angesehenen und auf publizistische Unabhängigkeit bedachten Traditionstitels tritt als Markenbotschafter eines Automobilherstellers auf? Das geht natürlich gar nicht – finden auch die Verantwortlichen am Hauptsitz der NZZ in Zürich. Dieser Auftritt entspreche «nicht der offiziellen Policy», teilt Unternehmenssprecherin Myriam Käser auf Anfrage mit. Nur: Sie wussten nichts von den Spritztouren ihres Statthalters in Wien. «Es gab hierfür keine Genehmigung von offizieller Seite». Getan hat es Michael Fleischhacker trotzdem.

Doch jetzt, nach rund einem Monat, ist Schluss damit. Das Video und das dazugehörige Blog, wo der Journalist unter anderem seinen Sohn als grössten Fan des Elektrogefährts und perfekten Markenbotschafter vorstellt, wurden am Dienstag gelöscht. Auf Betreiben Fleischhackers hin, dem die Problematisierung seines Verhaltens nicht entgangen war. Für das Video habe er zudem die Freigabe noch gar erteilt gehabt, «also wurde es wieder vom Netz genommen.»

Sein Vorgehen sieht er inzwischen als eine «Fehleinschätzung»: «Heute weiss ich, dass ich das Angebot von Beginn an hätte ablehnen müssen.» Im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass ein kluger Kopf, dermassen daneben greift? Aus Fleischhackers Ausführungen wird das nicht ganz klar. Er habe als Privatperson gehandelt, ausserdem in keiner Form finanziell profitiert. Das bestätigt auch die zuständige Agentur auf Anfrage. Der Satiriker und Autor Gabriel Vetter kommentierte auf Facebook treffend: «Ich weiss gar nicht, was ich schlimmer finden soll. Dass ein Journalist sowas mitmacht, oder dass er nicht mal Geld dafür verlangt hat.»

Ob das fahrlässige und potenziell rufschädigende Verhalten eines ihrer Kadermitarbeiter arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen wird, dazu will die NZZ öffentlich keine Stellung nehmen. Ganz unabhängig vom vorliegenden Fall sieht man an der Falkenstrasse Handlungsbedarf zum Trennungsgebot von Werbung und Redaktion. «Die Chefreaktion ist gerade dabei, neue, detaillierte Guidelines zu erarbeiten», erklärt Sprecherin Käser. «Darin werden wir festhalten, welche Werbeformate für uns in Frage kommen und welche nicht. Auch Werbeauftritte von Mitarbeitenden werden wir in diesem Rahmen regeln.»

So lässt sich dem Ganzen doch noch etwas Positives abgewinnen: Für unerlaubte Grenzüberschreitungen der Redaktion in Richtung Werbung liefert der Fall Fleischhacker der NZZ sehr eindrückliches Anschauungsmaterial für ihr neues Regelwerk.

Leserbeiträge

twimc 29. April 2016, 12:05

den ‚Spielverderber‘ im Schatten des eigenen Hauses muss sich einer erst leisten wollen und leisten können