von Nick Lüthi

Er will SRF fit machen für das junge Publikum

Seit Anfang März ist Stefano Semeria verantwortlich für das Jugendangebot von Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Seither stehen die Zeichen auf Umbau. Die bisherigen Kanäle und Plattformen rücken zusammen. Damit sollen Ressourcen freigespielt werden, um schneller auf sich wandelnde Nutzungsformen reagieren zu können.

Im Oktober starten ARD und ZDF in Deutschland einen Jugendkanal mit einem Jahresbudget von 45 Millionen Euro. Im November will auch Schweizer Radio und Fernsehen mit einem neuen Jugendangebot loslegen. Von deutschen Verhältnissen kann man in der Schweiz nur träumen. Hier gibt es keine zusätzlichen Mittel für neue Vorhaben. Im Gegenteil: SRF hat eben eine Sparrunde hinter sich, Personal wurde abgebaut und das Programmangebot punktuell gestrafft. Davon ausgenommen blieben diesmal die Kinder- und Jugendprogramme, auch wenn das auf den ersten Blick anders aussieht. Insgesamt 800 Stellenprozent wurden unlängst gestrichen bei der Kinderplattform Zambo, dem Bildungsangebot SRF mySchool und dem Jugendsender Virus. Allein bei Zambo hat SRF sechs Mitarbeitenden gekündigt, die sich zusammen 3,8 Vollzeitstellen geteilt haben. Ausserdem werden befristete Stellen nicht neu besetzt.

«Das ist kein Abbau, sondern ein Umbau», betont Stefano Semereia im Gespräch mit der MEDIENWOCHE. Im Unterschied zu Deutschland müsse SRF aus dem Bestehenden Neues schaffen. Seit Anfang März zeichnet der frühere Programmleiter TV bei SRF für den neu geschaffenen Direktionsbereich «junge Zielgruppe» verantwortlich. Ziel des Umbaus sei es, die Redaktionen von Zambo, MySchool und Virus zusammenzulegen, in gestraffter Form weiterzuführen und mit den frei gespielten Ressourcen neue Angebote aufzubauen.

Als «junge Zielgruppe» definiert SRF das Publikum im Alter zwischen 12 und 35 Jahren und fasst die Gruppe damit wesentlich breiter als etwa die Werbung dies tut. Die Eckwerte macht SRF am Einsetzen autonomer Medienentscheidungen fest zu Beginn der Pubertät und dem Alter der Familiengründung von Mitte dreissig. «Natürlich müssen wir inhaltlich differenzieren und Teenager anders ansprechen als die 30-Jährigen», sagt Semeria. Der Zielgruppe ist indes gemeinsam, dass sie das Programmangebot von Radio und Fernsehen nicht mehr primär auf dessen eigenen Kanälen wahrnimmt, sondern überall dort, wo sie sich im Web bewegt.

Darum will SRF seine Inhalte stärker auf den Plattformen und Diensten des Social Web ausspielen, sei es auf Facebook und Twitter, aber auch Instagram oder Snapchat. Und dafür fehlt dem Unternehmen heute das erforderliche Fachwissen. «Der einzelne Redaktor, der eigentlich Radio oder Fernsehen macht, kann das nicht auch noch. Das würde dann qualitativ nicht stimmen. Dort müssen wir mehr Know-how aufbauen», nennt SRF-Programmdirektor Hansruedi Schoch einen zentralen Grund für den Umbau. Das grösste Defizit ortet Stefano Semeria im Bereich Bewegtbild für Online und Social Media. Auch beim transmedialen Storytelling, dem (Weiter)erzählen von Geschichten über verschieden Plattformen, sieht er noch Mängel. «Sonst sind wir eigentlich recht gut aufgestellt und können intern neue Kapazitäten aufbauen», sagt Semereia. Mit Kooperation und Auftragsproduktionen will SRF zudem externe Ressourcen beanspruchen – nicht zuletzt im Hinblick auf Talent-Scouting. «Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber», weiss Semereia, «und zwischen privater Produktion und öffentlichem Rundfunk gibt es seit jeher eine grosse Durchlässigkeit».

Dass SRF erst 2016 eine klare Zuständigkeit für die junge Zielgruppe schafft, sieht auf den ersten Blick nach einem groben Versäumnis aus. Erfolgt der jüngste Schritt also aus Not und Verzweiflung, weil man die Felle wegschwimmen sieht? SRF-Programmchef Hansruedi Schoch verneint: «Mit dem Fernsehen erreichen wir in der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen immer noch acht von zehn Personen. In einer ganz normalen Primetime erreichen wir bei diesem Segment sogar einen deutlichen höheren Anteil als etwa Pro7 oder auch schweizerische Konkurrenten.» Aber: Genauso gibt es die grösser werdende Gruppe, die SRF mit den linear ausgestrahlten Programmen nicht mehr erreicht. Und weil die auch Gebühren zahlt, soll sie spezifische Angebote für ihre Bedürfnisse erhalten, begründet SRF das nun forcierte Engagement für die junge Zielgruppe.

Leserbeiträge

Thomas Läubli 16. Mai 2016, 23:29

Das junge Publikum wird hier nur als Vorwand genommen, um den Service Public weiter zu infantilisieren. Der Missbrauch des Leistungsauftrags wurde schon beim Qualitätsabbau von SRF 2 Kultur ersichtlich. Es soll mir keiner sagen, dass Menschen im Alter von 12 bis 35 Jahren keine Lust auf kulturelle Bildung und keine höheren Ansprüche haben. Wer dennoch diese Meinung vertritt, muss sich zum einen fragen, warum sich ausgerechnet die staatlichen Medien den Privatsendern anpassen sollen, und zum anderen, warum er unsere Jugend nicht für voll nimmt und mit sinnlosem Konsum abfüllen will, der weder zur Aufklärung durch Bildungsinhalte noch zum Training einer differenzierten Wahrnehmung gereicht. Es scheint, dass der neoliberale Zeitgeist uns lieber zu Pawlowschen Hunden abrichten will, damit wir besser gehorchen. Wenn das tatsächlich die Absicht der Kulturfunktionäre ist, braucht es bald eine zweite Pro-Service-Public-Initiative, um die Staatssender wieder ihrer eigentlichen Aufgabe zuzuführen.