Medienethik vs. Medienrecht
In der Regel lässt der Presserat dem Gericht den Vortritt und verzichtet auf eine vorgängige Beurteilung, wenn ein Fall vor den Richter kommt. Bei den Beschwerden von Geri Müller und jüngst auch Jolanda Spiess-Hegglin machte der Presserat eine – reglementskonforme – Ausnahme. Wäre eine einheitliche Praxis wünschenswert? Wo verläuft die Trennlinie zwischen Medienethik und Medienrecht? Das sagen ein Medienethiker und ein Medienrechtler.
Bei Geri Müller hiess es zuerst Hüst und dann doch noch Hott: Auf eine Beschwerde gegen die Berichterstattung der «Schweiz am Sonntag» wollte der Presserat zuerst nicht eintreten. Und zwar ganz reglementskonform, weil noch mit einem Gerichtsverfahren in der gleichen Causa zu rechnen sei. Mit dem ablehnenden Entscheid wollte der Presserat verhindern, dass sein medienethisches Urteil vor Gericht instrumentalisiert werden könnte. Er kam dann allerdings auf seinen Entscheid zurück und vollzog «eine in seiner Geschichte wohl einmalige Kehrtwende», wie die NZZ schrieb. Druck gemacht hatten 18 Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Auch innerhalb des Presserats war die Zurückhaltung umstritten. Präsident Dominique von Burg wollte von Anfang an die Beschwerde behandeln, wurde aber überstimmt um sich dann später doch noch durchzusetzen.
Die gleiche Frage stellte sich nun auch im Zusammenhang mit der Beschwerde der Zuger Politikerin Johanna Spiess-Hegglin gegen die Berichterstattung des «Blick» im Zusammenhang mit einer sogenannten Sex-Affäre. Diesmal ging es ohne Extratouren. Der Presserat behandelte den Fall und hiess die Beschwerde gegen die Zeitung vorbehaltlos gut. Damit es so weit kommen konnte, musste sich die behandelnde Kammer dafür entscheiden, auf die Beschwerde einzutreten. Denn auch in diesem Fall gibt es Anzeichen, die sich dahingehend deuten lassen, dass es zu einer gerichtlichen Beurteilung der «Blick»-Berichterstattung im Fall der Zuger Sex-Affäre kommen könnte. In Artikel 11 Ziffer 1 des Geschäftsreglements des Presserats heisst es unter anderem: «Der Schweizer Presserat tritt auf Beschwerden nicht ein: wenn ein Parallelverfahren (insbesondere bei Gerichten oder bei der UBI) eingeleitet wurde oder vorgesehen ist.»
Nun gibt es aber eine gewichtige Ausnahme in der folgenden Ziffer: Eingetreten werde aber trotz anhängigem oder in Aussicht stehendem Gerichtsverfahren, «sofern sich berufsethische Grundsatzfragen stellen.» Eine solche Grundsatzfrage hat der Presserat jüngst beantwortet. Der Fall Spiess-Hegglin vs. «Blick» birgt für die Ethikhüter neue Dimensionen, die es zu beurteilen gilt, unbeachtet allfälliger juristischer Weiterungen. Die Forderung der Anwälte der «Blick»-Redaktion verhallte damit im Leeren. Sie führten ins Feld, medienethische Beurteilungen seien nicht dazu da, Stoff für Klägerplädoyers zu liefern.
Der Journalismusprofessor und Medienethiker Vinzenz Wyss hält das Vorgehen des Presserats für richtig und auch reglementskonform: «Dass sich im vorliegenden Fall Grundsatzfragen der berufskulturellen Verantwortungsethik stellen, scheint mir unbestritten.» Eine restriktive Auslegung, «würde die Position des Presserates schwächen.» Das ist das letzte, was das Gremium brauchen kann. Schon heute leidet der Presserat unter Nichtbeachtung in der Branche. Darum findet Vinzenz Wyss, könnte der Presserat vermehrt auch von sich aus Fälle aufgreifen auch wenn dazu keine Beschwerde eingegangen ist.
Eine einseitige Instrumentalisierung oder Beeinflussung eines späteren Gerichtsverfahrens durch einen vorgängigen Presseratsentscheid sieht der Medienrechtler und Professor Franz Zeller nicht als so heikel an. Wird eine Beschwerde nicht gutgeheissen und attestiert der Presserat dem Journalisten eine ethisch einwandfreie Arbeitsweise, so würdige dies die Justiz natürlich genauso. «Das Beachten der journalistischen Handwerksregeln ist in der Güterabwägung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein wichtiger – wenn auch bei weitem nicht der einzige – Aspekt», erklärt Franz Zeller.
Wenn sich also eine vorgängige Beurteilung durch den Presserat für alle Beteiligten positiv auswirken kann auf den Ausgang eines späteren Gerichtsverfahrens und nicht einseitig die Beschwerdeführenden begünstigt, dann könnte das Geschäftsreglement eigentlich geändert werden: Artikel 11, Ziffer 1 neu: «Der Presserat tritt grundsätzlich auch dann auf Beschwerden ein, wenn ein Parallelverfahren (insbesondere bei Gerichten oder bei der UBI) eingeleitet wurde oder vorgesehen ist.» Die höchste medienethische Instanz braucht diese Freiheit und darf sich nicht von verfahrenstaktischen Abwägungen der Beschwerdeparteien beeinflussen lassen.
Schätti Pius 24. September 2016, 20:07
Sehr geehrte Damen und Herren
Im Laufe der vergangenen Monate konnte ich einer Medienmitteilung entnehmen, dass Herr Peter Studer zu diversen Artikel in der Gratiszeitung OBERSEE-NACHRICHTEN, 8640 Rapperswil zu deren Ethik Stellung in Bezug auf die KESB Berichte Stellung genommen hatte.
Frage, ist es möglich dass ich zum erwähnten Thema einen Hinweis zu der besagten Stellungnahme bekommen könnte? Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Pius Schätti
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