DOSSIER mit 485 Beiträgen

Medienethik

Journalist erfindet Anschlag – erntet massive Kritik

Selbst als Aprilscherz hätte die erfundene Nachricht nicht getaugt, zu nah an einer möglichen Realität lag das erfundene Ereignis, zu gross war das Risiko, dass breite Kreise die Übertreibung nicht erkennen. So meldete das Rheinneckarblog gestern früh einen verheerenden Anschlag in der Stadt Mannheim mit über 100 Toten. Mit drastischen Formulierungen und blutrünstiger Illustration vermeldete der Journalist Hardy Prothmann die Schreckenstat – die er frei erfunden hatte. Er habe die Fake-News veröffentlicht «um eine Debatte zu erzwingen», zitiert ihn Malte Surmeier auf SWR Aktuell. Prothmann schrieb, es handle sich um «eine fiktionale Story im Gonzo-Stil». Nur: Gonzo bedeutet überhaupt nicht, Geschichten frei zu erfinden, sondern bezeichnet die hypersubjektive Schilderung realer Vorgänge, bei denen der Journalist als teilnehmender Beobachter zugegen war. Prothmanns eigenartiges Verständnis von Journalismus stiess weit herum auf irritierte bis empörte Reaktionen. Er selbst sieht sich missverstanden und nennt die Kritiker «Kleingeister».

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Journalismus muss nicht neutral sein – aber fair

Neutralität, Objektivität, Unparteilichkeit und Ausgewogenheit sind wichtige journalistische Ideale, die in der journalistischen Praxis aber kaum umsetzbar sind – und sogar schaden können. Als praxistaugliche Leitplanken eignen sich Werte wie Fairness, Aufrichtigkeit und Stringenz besser. Journalist*innen seien «Schiedsrichter der öffentlichen Debatte»; werden sie parteiisch, leide ihre Autorität, kritisiert der Journalist Jochen Bittner in einem Plädoyer Weiterlesen …

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«Wenn sich alle mit Grausen abwenden, erreicht die Berichterstattung nichts»

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«Lieber Schweizer Presserat, wir müssen reden»

Vor wenigen Wochen löste ein Entscheid des Schweizer Presserats, nicht nur bei jüdischen Organisationen Irritationen aus. Ein neues Urteil sorgt nun wiederum für Staunen. Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), hat dazu einen offenen Brief geschrieben, den wir hier veröffentlichen.