von Nick Lüthi

Werbung für Geldspiele: Transparenz sieht anders aus

Nicht erst seit Corona sind Schweizer Online-Casinos mit ihrer Werbung stark präsent in den Medien. Das geschieht oft mit PR-Texten, die nicht klar als Werbung zu erkennen sind. Besonders auf blick.ch fallen derzeit solche grenzwertigen Formate auf. Casinos und Verlag sehen keinen Anlass, daran etwas zu ändern. Dabei wäre es ein Leichtes, Transparenz zu schaffen.

«Lockdown wird zur Suchtfalle» stand kürzlich gross auf der Titelseite des «Sonntagsblick». Auf den ersten sechs Seiten folgte ein Dossier über die Suchtgefahren während des behördlich angeordneten Rückzugs in die eigenen vier Wände. Den Geldspielen widmete die Zeitung einen eigenen Artikel. Problematisiert wird darin auch die Werbung der Schweizer Casinos für ihre Glücksspiele. «Die Werbeoffensive der Online-Casinos ist für Süchtige und Gefährdete eine zusätzliche Belastung», fasst der Autor die Erkenntnis eines Experten zusammen.

Dass der eigene Verlag die Werbeoffensive massiv vorantreibt, steht natürlich nirgends. Man beisst schliesslich nicht die Hand, die einen füttert. Aber heutzutage muss man es einem Medienunternehmen schon hoch anrechnen, wenn die Redaktion kritisch über wichtige Werbekunden berichten darf, wie das der Sonntagsblick getan hat.

Auf blick.ch ist die Werbung für die Online-Geldspiele kaum zu übersehen. Selbst wer die kritischen Artikel aus dem Sonntagsblick online lesen wollte, sah zuerst eine Casino-Werbung. Die prominentesten und aufwändigsten Werbeformate sind indes gar nicht so einfach als solche zu erkennen. Das beginnt bereits bei den Teaserbildern auf der Startseite von blick.ch. Ins Auge sticht zuerst der Hinweis «Blick-Tipp». Zwar steht da auch «Promotion», aber kaum sichtbar und vertikal an den Bildrand gestellt.

Die Aufmachung gleicht den redaktionellen Texten bis auf wenige Details: Identisches Layout, identische Schriften.

Auch wer den Teaser anklickt und den ganzen Artikel vor sich hat, erkennt den kommerziellen Charakter nur schwerlich. Im Gegenteil: Die Aufmachung gleicht den redaktionellen Texten bis auf wenige Details: Identisches Layout, identische Schriften. Anstelle der Autorenzeile steht zwar «powered by Starvegas» oder «powered by jackpots.ch», aber wer liest schon die Autorenzeile ausser die Kollegen von der Konkurrenz. Im Artikel werden dann die verschiedenen Spielangebote eines Online-Casinos vorgestellt. Das ist sauber getextet, aber inhaltlich komplett unkritisch und ganz im Sinn des Auftraggebers. Hinweise auf Risiken und Nebenwirkungen des Glücksspiels finden sich keine. Unter dem Zwischentitel «Spielerschutz» wird darauf hingewiesen, dass sich an den Kundendienst das Casinos oder an eine Fachstelle wenden könne, wer «das Gefühl habe einer Spielsucht zu verfallen».

Eine Textbox am Ende des Artikels verwirrt mehr, als dass sie Transparenz schaffen würde. Zuerst kommt zwar die Warnung: «Dieser Inhalt enthält bezahlte Elemente». Danach folgt aber gleich eine Art Exkulpation: «Die Artikel werden vom Team Content Promotion unabhängig von Kunden journalistisch aufbereitet. Wir schreiben objektiv über Produkte und Dienstleistungen, von denen wir überzeugt sind, dass sie dem Leser gefallen könnten.» Unabhängig, journalistisch und objektiv soll diese Werbung also sein. Man könnte das auch als Beleg für die Verschleierung lesen.

Diese gängige Werbeform sei «klar und konsequent gekennzeichnet», schreibt ein Ringier-Sprecher.

Die Beteiligten sehen das freilich anders. Aus der Aufmachung des Textes gehe «sehr deutlich hervor, dass dieser einem Promotionszweck dient», schreibt Jens Sellgrad von Casino Interlaken auf Anfrage. Unter der Marke StarVegas betreibt das Unternehmen zahlreiche Online-Geldspiele, für die es derzeit auch auf blick.ch wirbt. Auch das Grand Casino Baden, das mit der Marke jackpots.ch auf blick.ch wirbt, hält die Kennzeichnung der Publireportagen für ausreichend, wie Marketingchef Beat Lehmann mitteilt. Die Meinung der Auftraggeber deckt sich mit jener des Verlags. Diese gängige Werbeform sei «klar und konsequent gekennzeichnet», schreibt ein Ringier-Sprecher.

Werbung für Online-Casinos ist in der Schweiz erst erlaubt seit Inkrafttreten des revidierten Geldspielgesetzes per Januar 2019. Den ausländischen Anbietern, die mittels Netzsperren aus dem heimischen Markt verbannt wurden, war es davor verboten für ihre Spiele zu werben. Das neue Gesetz setzt der Werbung allerdings gewisse Grenzen. So dürfen Anbieter «nicht in aufdringlicher oder irreführender Weise Werbung betreiben». Die Irreführung, wie sie im Gesetz steht, erstreckt sich allerdings nicht auf die Darstellungsform der Werbung, sondern beschränkt sich auf verpönte inhaltliche Aussagen, wie etwa jene, wonach «Geldspiele ein geeignetes Mittel sind, um finanzielle oder persönliche Probleme zu lösen». Das Geldspielgesetz bietet also keinen Hebel, um gegen Werbung vorzugehen, die sich als redaktionelle Berichterstattung tarnt.

In der aktuellen Werbung streichen die Casinos die Vorzüge des Spielens zu Hause hervor.

Für die Werbeoffensive gibt es zwei Gründe. Zum einen sind die Online-Geldspiele erst seit gut einem Jahr auf dem Markt. Entsprechend wollen die Schweizer Casinos auf die neuen Spielmöglichkeiten aufmerksam machen. Es geht hier immerhin um einen geschätzten Jahresumsatz von 250 Millionen Franken, den in der Vergangenheit ausländische Anbieter mit Spielern aus der Schweiz erzielten. Dank den Netzsperren, die den heimischen Markt schützen, erhoffen sich die Schweizer Casinos diesen Millionenbetrag zu «erben». Doch das geht nur, wenn das Zielpublikum von den neuen Angeboten erfährt.

Zum anderen schuf die Corona-Pandemie mit der «aussergewöhnlichen Lage» eine neue Situation. Die terrestrischen Casinos mussten schliessen, damit bleibt das Online-Spiel als einzige Einnahmequelle. In der aktuellen Werbung streichen die Casinos denn auch die Vorzüge des Spielens zu Hause hervor: «Trotz Lockdown! Im Online-Casino können Sie rund um die Uhr spielen», lautet der Titel eines Promo-Artikels. Welche Beträge Ringier für die Casino-Werbung kassiert, darüber gibt der Verlag keine Auskunft. Nur so viel: Die Kampagne in Zusammenarbeit mit dem Grand Casino Baden sei schon lange vor Corona angelaufen und finde auf blick.ch bereits seit letztem Herbst statt.

Das deckt sich auch mit den Beobachtungen von Media Focus. Die Firma dokumentiert die Werbung in der Schweiz. Seit längerem lasse sich eine Zunahme der Werbung für Online-Casinos feststellen. In den ersten zwei Monaten des laufenden Jahres habe sich der Werbedruck verglichen zum Vorjahr sogar mehr als verdoppelt, teilt Media Focus auf Anfrage mit. Ein besonders starkes Wachstum habe sich in den Online-Medien gezeigt. Die Werte seien aber bereits im Zeitraum Juli bis Dezember 2019 stetig angestiegen. Zahlen für die spezielle Marktsituation seit Mitte März kennt Media Focus noch nicht.

«Solche Werbung suggeriert, dass es sich beim Spiel um einen ganz normalen Zeitvertreib handelt.»
Jonas Wenger, Fachverband Sucht

Präventionsfachleute warnen vor dem Suchtpotential des Online-Spiels, das grösser ist als beim Gang ins Casino. «Die Sucht spielt sich im Versteckten ab, die soziale Kontrolle entfällt. Wenn jemand mit dem Handy schnell mal ein paar Tausend Franken spielt, braucht das niemandem aufzufallen», sagt Jonas Wenger vom Fachverband Sucht. In welcher Form die Casinos für ihre Geldspiele werben, könne das problematische Spielverhalten unterstützen. «Wenn es sich um einen vermeintlich neutralen Beitrag handelt oder sogar einen Tipp der Redaktion, macht dies das Geldspiel noch attraktiver. Solche Werbung suggeriert, dass es sich beim Spiel um einen ganz normalen Zeitvertreib handelt.» Die Werbebotschaft erhalte eine grössere Glaubwürdigkeit, wenn als Absender die Redaktion wahrgenommen werde und nicht das Casino, so Wenger weiter.

Dabei wüsste es Blick eigentlich selber besser, wie man Promo-Artikel für gesundheitsgefährdende Produkte transparent und in der Aufmachung trotzdem attraktiv darstellen kann. Im Juli 2018 veröffentlichte blick.ch einen Beitrag mit dem Titel «Ist IQOS weniger schädlich als eine Zigarette?» Sponsor war Philipp Morris. Die Ausgangslage lässt sich vergleichen mit jener der Casinos: Beide Kunden wünschen eine Werbepräsenz, die über eine normale Anzeige hinausgeht und sich an redaktionellen Formaten orientiert.

Doch der Unterschied im Ergebnis könnte nicht grösser sein. Der gesponserte Beitrag von IQOS unterscheidet sich klar und deutlich von redaktionellen Artikeln, indem er mit einem anderen Grundlayout und anderen Schriften daherkommt. Über dem Beitrag steht eine Gesundheitswarnung («IQOS ist nicht risikofrei»), die permanent sichtbar bleibt, wenn man sich durch den Text scrollt. Ausserdem ist der Sponsoringhinweis klar und unmissverständlich formuliert: «Dies ist ein bezahlter Beitrag. ‹In Kooperation mit …› bedeutet, dass Inhalte im Auftrag eines Kunden erstellt und von diesem bezahlt werden.»

Für diese Transparenz erhielt der IQOS-Artikel sogar das Gütesiegel vom Presserat. Der Beitrag sei «erkennbar als Werbung deklariert», hielten die Ethikhüter in ihrem Entscheid fest, als sie eine Beschwerde gegen diesen Promo-Artikel in den zentralen Punkten abgewiesen hatten. Bei Ringier sieht man keinen grundlegenden Unterschied zwischen der Werbung für Glücksspiele und jener für das Tabakprodukt, wie ein Unternehmenssprecher erklärt: «Die Werbung für Online-Casinos wird nach demselben Prinzip gehandhabt wie zum Beispiel die Kooperation mit IQOS, wobei die jeweilige Umsetzung unterschiedlich sein kann.»

Blick.ch könnte auch bei der Konkurrenz von 20min.ch abschauen, wie es transparenter geht. Ein Promo-Text für das Casino Luzern erscheint dort in einem eigenständigen Layout und mit dem überdeutlichen Hinweis, dass es sich um einen bezahlten Inhalt handelt, der nicht Teil des redaktionellen Angebots ist.

«Im Rahmen einer bezahlten Zusammenarbeit nehmen wir natürlich Rücksicht auf die Wünsche des Werbekunden.»
Sprecher Ringier

Angesichts der schwindenden Werbeerträge muss davon ausgegangen werden, dass Verlage vermehrt bereit sind, auch Formate anzubieten, die den Bedürfnissen der Kunden sehr weit entgegenkommen. «Im Rahmen einer bezahlten Zusammenarbeit nehmen wir natürlich Rücksicht auf die Wünsche des Werbekunden», sagt dazu ein Ringier-Sprecher. Dem kurzfristigen monetären Gewinn steht der mittelfristige Vertrauensverlust entgegen.

Ausserdem handelt es sich bei Geldspielen nicht um eine x-beliebige Dienstleistung, sondern um eine, die nicht nur individuelles, sondern auch gesellschaftliches Schädigungspotenzial birgt. «Wir appellieren daher an die Verlage, gerade in der momentan kritischen Situation Verantwortung zu übernehmen», sagt Jonas Wenger vom Fachverband Sucht. «Am besten wäre es deshalb, auf Werbung für Online-Glücksspiel aus Solidarität zu verzichten oder zumindest Werbung für Online-Spiele klar und deutlich als solche zu benennen.»

Eine Selbstverpflichtung auf klare Erkennbarkeit der Werbung würde der liberalen Werbeordnung der Schweiz entsprechen. In anderen Ländern geht die Regierung härter vor. So hat Spanien kürzlich die Werbung für Online-Geldspiele während der Dauer der Corona-Ausgangssperre tagsüber in allen Medien verboten, um die Anbieter «daran zu hindern, Geschäfte mit den Sorgen und Ängsten der Menschen zu machen». Nur von ein bis fünf Uhr nachts ist noch Werbung erlaubt. Mit dem Verbot reagierte die Regierung auf eine Zunahme des problematischen Spielverhaltens. Solches gibt es auch in der Schweiz. Für Geldspiele geworben wird aber wie eh und je.

Leserbeiträge

Ueli Custer 08. April 2020, 11:50

Es gibt ja eigentlich nur einen einzigen Grund, warum das sog. „Native Advertisement“ so leicht mit dem redaktionellen Inhalt verwechselt werden kann. Die Leserinnen und Leser sollen nicht merken, dass das Werbung ist. Kritische Leute werden es irgendwann dennoch merken, sind verstimmt und verbreiten dann anschliessend das Vorurteil der Lügenpresse weiter. Damit schaufeln die Verlage langfristig fleissig an ihrem eigenen Grab. Warum das die Medienhäuser nicht einsehen wollen, wird wohl immer ihr Geheimnis bleiben.

Frank Burgheer 14. April 2020, 10:48

Am Ende ist doch jeder selber dafür verantwortlich, was er glaubt und was nicht. Selbstverständlich versuchen die Verlage möglichst hohe Klickraten zu erzielen. Das ist ja auch im Interesse des Kunden (des Werbers) und irgendwie muss man doch verstehen, dass auch da wirtschaftliches Interesse besteht. Jeder sollte wissen, dass man im Online Casino Geld verlieren kann – oder wahrscheinlich wird. Viel schlimmer sind doch Werbungen, die etwas versprechen, das nicht der Wahrheit entspricht. Zaubermittel zum Abnehmen, beispielsweise.

Laura S. 14. April 2020, 12:46

Ringier war vor zwei Wochen sogar so hintervo..ig dreißt und hat via Sonntagsblick versteckt Werbung, (sogar auf der Titelseite) für exakt die Onlinecasinos gemacht, die auf Blick.de beworben werden (und wo  Ringier kräftig mitverdient). Titel des SoBlick war „immer mehr Süchte wegen Corona“. Eine paid Content Kennzeichnung habe ich jedoch nirgendswo vernommen, dafür wurde die Casinowebseite vollständig und mehrfach genannt.

 

Ja so vverhütet man Spielsucht, nicht? Ironie off. Aber der typische Blick-Leser-Michel hirnt eben nicht, der frisst alles und hinterfragt nix. Das Ringier exakt und genau an und mit solchen Süchten verdient, diese auf Blick.de kräftig via Glücksspielwerbung (hab allein 12 Stück auf der Hauptseite ausmachen können) anfeuert, das will keiner sehen. Krankschizo ist das, ekelhaft und eigentlich ein klarer Fall für den Presseombud.

 

Exakt so geht er, der unseriöse Journalismus. Clickbait- und Werbemedien wie Blick und 20 Minuten zerstören immer mehr das Vertrauen in die Medien. Darunter leiden wird am Ende auch und vor allem der ehrliche Journalismus. Das ist zum heulen!