von Nick Lüthi

Podcasts zwischen Corona-Hype und Spotify-Monopol

Corona-Podcasts sind das Krisenmedium schlechthin. So schnell wie sie gekommen sind, so schnell werden sie aber wieder verschwinden. Nachhaltiger prägt den Podcast-Markt derzeit die fortschreitende Plattformisierung: Spotify entwickelt sich zu einem Gatekeeper wie Google und Facebook.

Wer will noch, wer hat noch nicht? Corona-Podcast zum ersten, zum zweiten, zum x-ten. Die globale Pandemie sorgt für einen Podcast-Boom. Reihum greifen Redaktionen und Privatpersonen zum Mikrofon und verbreiten in regelmässiger Folge mehr oder weniger Erhellendes und Erbauliches zur anhaltenden Krise.

Überflieger im deutschsprachigen Raum ist «Das Coronavirus-Update mit Christian Droste» vom Norddeutschen Rundfunk NDR. Tag für Tag kommentiert und erklärt der Virologe der Berliner Charité den Verlauf der Pandemie. Das Ende Februar lancierte Format schnellte innert Kürze in sämtlichen relevanten Rankings auf einen der ersten drei Plätze. In der Audiothek der ARD sei es «das bisher erfolgreichste Format», weiss das NDR-Medienmagazin ZAPP.

Einen Blitzstart legte in der Schweiz der Podcast «Corona kompakt» von Radio SRF hin. Die viertelstündige Tageszusammenfassung der wichtigsten Fakten und Vorkommnisse zur Covid-19-Pandemie fand innert Kürze sein Publikum. Wie das Pendant aus Deutschland rangiert auch der Schweizer Podcast in den einschlägigen Hitlisten auf Top-Plätzen. Auch Privatradios und Zeitungsredaktionen sind längst auf den Zug aufgesprungen. Und täglich kommen weitere Corona-Podcasts dazu.

Die Corona-Krise wird die längerfristige Podcast-Entwicklung weniger stark beeinflussen, als man auf den ersten Blick vielleicht vermuten würde.

Vor 15 Jahren wären in einer vergleichbaren Situation Blogs aus dem Netz geschossen. Wie damals mit Text im Netz in freierer Form experimentiert wurde, dient nun Audio als Spielwiese. Klar ist: Podcasts sind gekommen, um zu bleiben. Weniger klar ist hingegen, ob der Markt noch wächst, oder bereits stagniert. Die Corona-Krise mit einem vorübergehend veränderten Mediennutzungsverhalten vieler Menschen wird die längerfristige Entwicklung weniger stark beeinflussen, als man auf den ersten Blick vielleicht vermuten würde.

Trotz Corona-Boom bleibt die Gesamtnutzung der Podcasts stabil oder nimmt sogar ab. Es ist davon auszugehen, dass die Hördauer, die nun die neuen Corona-Podcasts absorbieren, auf Kosten anderer Formate geht. «Die meisten Podcasts verzeichnen einen Rückgang der Nutzung um etwa 20 Prozent», hielt der Branchenbeobachter James Cridland bereits Ende März fest nach einer Umfrage bei populären englischsprachigen Anbietern. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Typische Hörsituationen gibt es derzeit nicht: Wer im Homeoffice arbeitet, pendelt nicht zur Arbeit. Und die Fitness-Studios sind geschlossen. Podcasts sind also nicht nur «Medien-Gewinner der Coronakrise» (NDR ZAPP), sondern auch Verlierer. Für die Gattung an sich ergibt das ein Nullsummenspiel. Mit einer allmählichen Rückkehr zum gesellschaftlichen Normalbetrieb nach Corona dürfte sich das Nutzungsverhalten wieder dem Status quo ante annähern.

Wer das Monster füttert, muss sich nicht wundern, wenn es ihn irgendwann frisst.

Der gewichtigere Treiber als Corona für die Veränderung des Podcast-Markts ist ohnehin die voranschreitende Plattformisierung. Befürchtungen gehen dahin, dass sich Spotify zu einem Gatekeeper entwickelt, vergleichbar mit Google oder Facebook im Netz. Noch ist es nicht so weit, aber Spotify geht den Weg in diese Richtung ziemlich zielstrebig. Dabei profitiert das Unternehmen auch von jenen Produzenten, die ihre Podcasts dort zum Abruf einstellen. Und das sind so ziemlich alle.

Wer das Monster füttert, muss sich nicht wundern, wenn es ihn irgendwann frisst. Mithilfe der Nutzerdaten kann Spotify attraktive Werbeplatzierungen anbieten. Wie Google und Facebook dank Daten und Werbung zu dem geworden sind, was sie sind, so wächst nun auch Spotify. Kommt dazu, dass Spotify vermehrt eigene Podcasts exklusiv anbietet und so Nutzer an sich bindet. Technisch gesehen unterminiert Spotify damit das offene System der allgemeinen Abonnierbarkeit der Audiodateien per RSS-Feed.

«Spotify wird schliesslich in der Lage sein, Podcaster dazu zu zwingen, in seinem Ökosystem zu leben», prognostiziert der Autor Matt Stoller. Er schreibt aber auch, dass es einen «wesentlichen Unterschied zwischen heute und Mitte der 2000er Jahre» gibt, als Facebook und Google ihr Geschäftsmodell auszurollen begannen. «Wir verstehen heute, dass Monopole gefährlich sind.» Apple, der andere Audio-Riese, agiere bislang noch «als wohlwollender Despot, der weitgehend keine Daten sammelt und seine eigenen Inhalte nicht privilegiert», beobachtet Stoller.

Öffentliche Radios schaffen mit eigenen Plattformen ein Gegengewicht und eine Alternative für die Nutzer.

Einen Bremshebel in der Hand halten die öffentlichen und öffentlich-rechtlichen Radios. Ihre Podcasts zählen seit eh und je zu den am meisten gehörten, wie nun auch ihre Corona-Projekte zeigen. Diese stellen sie zwar auch auf Spotify bereit, aber gleichzeitig unterhalten sie eigene Plattformen oder beteiligen sich an Aggregatoren. Damit schaffen sie ein Gegengewicht und eine Alternative für die Nutzer. So hat die britische BBC kürzlich bekannt gegeben, dass sie sich an Pocket Casts finanziell beteiligt. Dieser Podcast-Player befindet sich bereits in den Händen von öffentlichen US-Radiostationen wie NPR und weiteren.

In Deutschland unterhält die ARD eine attraktive Audiothek, um das eigene Medienangebot «barrierefrei und ohne Bevorzugung einzelner Plattformen an unser Publikum zu bringen» und die Unabhängigkeit zu wahren. Auch das kommerzielle RTL Radio betreibt mit «Audio Now» seit einem Jahr eine eigene Infrastruktur. «Gegen die Wettbewerber Spotify und Apple sind wir ein grosses Risiko eingegangen und werden dafür belohnt», sagte Stephan Schmitter, CEO von RTL Radio Deutschland, im vergangenen Januar.

Die SRG setzt derweil andere Prioritäten. Neben dem Aufbau einer Videoplattform bleiben kaum Kapazitäten, um auch im Audiobereich grössere Schritte zu tun. Zwar präsentiert das Schweizer Radio mit srf.ch/audio einen Bereich, wo Podcasts und andere Audioproduktionen thematisch gebündelt präsentiert werden. Er eignet sich aber eigentlich nur als Schaufenster, um sich einen Überblick über das Angebot zu verschaffen. Die Abspielmöglichkeit ist wenig funktional. Da wechselt man schnell zu Spotify, wo es die SRF-Produktionen auch zu hören gibt.

Leserbeiträge

Jens 16. April 2020, 11:00

Wo liegt das Problem statt Spotify einfach einen frei verfügbaren Podcatcher zu nutzen? Eigentlich jeder Podcast hat nen RSS Feed, den man abonnieren kann. Meist sind sie auch in der Suchfunktion des Podcatchers zu finden.

Wer Podcasts über Spotify hört ist selber schuld. Ich habs mal probiert, da ich einen exklusiven Podcast hören wollte und kann nur sagen: so ein Mist. Nehmt PocketCasts oder ähnliches und erfreut euch an all den Möglichkeiten und Funktionen die so eine App bietet.

jp 16. April 2020, 12:14

Zusätzlich sollte erwähnt werden, dass Spotify jedem erlaubt, einen Podcast über das RSS-Feed einzureichen. Der einreichende User erhält dadurch umfassenden Zugriff auf die Aufrufstatistiken. Der Autor des Podcasts ist dagegen quasi machtlos.