von Miriam Suter

The Good, The Bad & The Ugly VI

Preise für Gleichstellung,
Aufstand im Newsroom,
zweite Welle ahoi

The Good – «Le Temps» räumt Preise für Gleichstellung ab

Den Preis «Femmes et médias» erhalten in der Westschweiz Medienschaffende, die sich mit ihrer Arbeit besonders für die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzen. Dieses Jahr ging die Auszeichnung an Célia Héron, Podcast-Verantwortliche bei «Le Temps» und an die freie Journalistin Pascaline Sordet. In ihrem Podcast «Raffut» gehen die beiden Klischees über Sportlerinnen nach.

Ebenfalls einen Preis erhielt die «Le Temps»-Journalistin Sylvia Revello für ihren Artikel über Gewalt bei der Geburtshilfe. Die gesamte «Le Temps»-Redaktion wurde zudem ausgezeichnet für die Qualität ihrer Artikel sowie das Arbeitsklima. Nur eine einzige Auszeichnung, welche die Konferenz der Westschweizer Gleichstellungsbüros vergibt, ging nicht an «Le Temps».

Was macht «Le Temps» anders? Seit 2018 finden regelmässig Schulungen zur Sensibilisierung auf Gleichstellung und spezifisch auf geschlechterspezifischer Gewalt statt. Trotz der Preisflut bleibt Chefredaktor Stéphane Benoit-Godet selbstkritisch: Die Chefetage von «Le Tamps» sei noch immer zu männlich besetzt.

The Bad – Es brodelt beim Schweizer Fernsehen

Die SRF-Inlandredaktion wandte sich mit einem «Appell» an Direktorin Nathalie Wappler, TV-Chefredaktor Tristan Brenn und weitere Leitungspersonen im Studio Leutschenbach. Man fühle sich zu oft von übergeordneten Entscheidungen als kritische Journalist*innen beschnitten, heisst es etwa darin. Engagierte Redaktor*innen würden übergangen und eingeschränkt, dies führe zu einem Gefühl von Fremdbestimmtheit und fehlendem Gestaltungsspielraum – und diese Stimmung führe zu Abgängen von talentierten Kolleg*innen.

Im «Blick» sprachen nicht namentlich genannte SRF-Mitarbeiter*innen von «undurchsichtigen Strukturen und erbitterten Grabenkämpfen zwischen der alten Garde und jüngeren, online-affineren Kolleg*innen» und davon, dass «dringend für das Kerngeschäft benötigte Ressourcen vermehrt in fragwürdige Social-Media-Aktivitäten abwandern». Daraufhin wurde auf Social Media Widerspruch laut. Auf Twitter schrieb Simon Hutmacher, SRF-Lokalkorrespondent für Zürich/Schaffhausen, die Aussagen im «Blick» entsprächen nicht dem Spirit, den er bei den meisten Kolleg*innen wahrnehme: «Wir sind uns nämlich bewusst, dass wir auch einen konzessionierten Auftrag haben, ALLE zu erreichen, gerade auch die jüngere Bevölkerung. Es muss doch unser Ansporn sein, unsere Inhalte und Recherchen auch auf den sozialen Medien zu verbreiten, wenn wir von deren Qualität überzeugt sind.» Das Argument ist nicht grundsätzlich falsch, dennoch ist das Protestschreiben ein gutes Zeichen: Wenn es Missstände zu benennen gilt, schliesst sich eine Redaktion zusammen und muckt gegen die Leitung auf.

The Ugly – Die zweite Welle ist schon da

Seit Beginn der Corona-Pandemie liefern sich zahlreiche Medien einen regelrechten Wettlauf um die erste Vermeldung (vermeintlich) neuer Fakten, um die krasseste Story. Dabei geht es um die grösste Reichweite, die meiste Aufmerksamkeit.

Am Montag verschickte die Nachrichtenagentur Keystone-SDA eine Meldung, mit der sie genau diese Wettlauf kritisieren wollte: Verschiedene Medien hätten «die Behauptung vom Risikoland Schweiz hinausposaunt». Die Medienkritik der Nachrichtenagentur ging schief. Zwar lag die Schweiz tatsächlich knapp unter der Schwelle für Risikoländer, aber «die Behauptung vom Risikoland» stammt aus einer Meldung von Keystone-SDA selbst, wie die Agentur immerhin schnell einräumte.

Am Dienstag folgte die Shitshow um das Naturheilmittel Echinaforce. Beim «Blick» half es erst («Naturheilmittel wirkt gegen Corona!»), tags darauf schwächte man ab: «Viel Hoffnung, aber auch viele Fragen.» Fachleute stellten die Wirksamkeit infrage. Wir erleben gerade die zweite Welle der sich überschlagenden und widersprechenden Pandemie-Newsmeldungen. Das hilft niemandem, den sowieso schon besorgten Leser*innen nicht und auch nicht dem Vertrauen in den Journalismus.