von Nick Lüthi

SRG-Online-Angebot nach Pause wieder unter der Lupe

Wegen eines Rechtsstreits blieben die Online-Aktivitäten der SRG mehrere Jahre unbeaufsichtigt. Im Mai liefert die Forschung erstmals wieder aktuelle Zahlen. In Zukunft soll die Programmanalyse auch Verstösse gegen die Konzession eruieren und benennen. Bisher wurden sie nur summarisch erfasst.

Eine Mehrheit des Nationalrats befand unlängst, die SRG veröffentliche in ihrem Online-Angebot zu viele und zu lange Texte und konkurrenziere damit die privaten Medien. Darum hat der Rat Einschränkungen für das Textangebot der SRG beschlossen. Noch stehen die Beratungen dazu im Ständerat aus.

Ob die SRG im Netz tatsächlich über die Stränge schlägt, liesse sich auch daran ablesen, ob und wie sie die bereits geltenden Bestimmungen einhält. Sowohl die Konzession als auch selbst auferlegte Regeln schränken Textanteil und -umfang ein.

Um zu überprüfen, ob die SRG die Konzessionsbestimmungen einhält, analysierte ab 2009 eine Abteilung des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich im Auftrag des Bundesamts für Kommunikation im Jahrestakt ihr Online-Angebot. Die Ergebnisse dieser Analysen veröffentlichte das Bakom bis 2015. Dann war vorübergehend Schluss damit.

Das private Forschungsinstitut Publicom klagte 2015 gegen die widerrechtliche Vergabe des Auftrags an die Uni Zürich und erhielt vor Bundesverwaltungsgericht Recht. Weil das UVEK den Fall dann bis vor Bundesgericht weitergezogen hatte, blockierte das Departement damit die Vergabe des Forschungsauftrags. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die SRG das Online-Angebot massiv ausbaute. Ob sie sich dabei an die Regeln gehalten hat, bleibt im Dunkeln.

Schweizer Radio und Fernsehen SRF versichert auf Anfrage, die Redaktionen würden laufend die Einhaltung der vorgegebenen Textlängen überprüfen. Was sollten sie auch anderes sagen?

SRF-Direktorin Nathalie Wappler liess aber durchblicken, dass man es doch nicht immer so genau nimmt.

Kürzlich sagte sie der NZZ, die Selbstbeschränkung bei der Textlänge werde «in der Regel» eingehalten. Es scheint also auch Ausnahmen von der Regel zu geben.

Doch der Blindflug soll bald enden. «Für das Jahr 2020 lief nun wieder eine ordentliche Erhebung», teilt Bakom-Sprecherin Caroline Sauser auf Anfrage der MEDIENWOCHE mit. Ende Mai werde Publicom ihre erste wissenschaftliche Analyse des Online-Angebots der SRG dem Bakom abliefern. Anschliessend sei eine Veröffentlichung vorgesehen. Publicom erhielt nach dem Rechtsstreit den Zuschlag für den Forschungsauftrag.

Bereits 2018 führte Publicom einen Testlauf durch. Die Ergebnisse seien zwar mit der SRG diskutiert, aber «aufgrund des Pilotcharakters der Studie» nicht veröffentlich worden, so das Bakom. Die Werte hätten im Bereich der früheren Untersuchungen gelegen. Was heisst, «dass die Internet-Auftritte der SRG grossteils konzessionskonform gestaltet sind», wie die Uni Zürich bei ihrer letzten Untersuchung 2015 festgestellt hatte.

Bei den redaktionellen Textbeiträgen, die heute im Fokus der Politik stehen, war damals allerdings bei jedem zehnten nicht abschliessend festzustellen, ob er die Vorgaben der Konzession erfülle. Unklar blieb insbesondere die Frage, ob sich die Texte – wie in der Konzession gefordert – auf einen Radio- oder TV-Beitrag beziehen.

Eindeutige Verstösse festzustellen, gehörte bisher nicht zum Auftrag der wissenschaftlichen Programmanalysen.

Der Forschung reichte es, sogenannte «Grauzonen» zu identifizieren. Das soll sich nun ändern, wie Bakom-Sprecher Francis Meier auf Anfrage der MEDIENWOCHE erklärt: «In Zukunft soll neben der Kategorie ‹Grauzone› voraussichtlich eine Kategorie ‹nicht-konform› ausgewiesen werden.»

Mit Sanktionen muss die SRG aber nicht rechnen; auch nicht bei eindeutig festgestellten Verstössen. «Wir lassen uns von der SRG erklären, was sie unternehmen will, um die Wiederholung von festgestellten Regelverstössen zu vermeiden», heisst es beim Bakom. Dies sei das übliche Vorgehen bei formalisierten Aufsichtsverfahren.

Auf die medienpolitische Debatte wird die Wiederaufnahme der Online-Programmanalyse unter etwas verschärften Bedingungen kaum einen Einfluss haben. Der Politik geht es um Grundsätzliches und nicht um die Nuancen wissenschaftlicher Befunde. Doch die Vernachlässigung der Kontrolle während mehrerer Jahre dürfte das Vertrauen in die SRG und die Aufsichtsbehörde nicht eben stärken.


Update: In einer ersten Fassung stand fälschlicherweise, das private Forschungsinstitut Publicom habe bis vor Bundesgericht geklagt. Das stimmt nicht. Das Departement UVEK hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ans Bundesgericht weitergezogen und so die Vergabe des Forschungsauftrags vorübergehend blockiert.