von Miriam Suter

Schönere Stadt, missratene Kampagne, massiver Aderlass

The Good – Schöneres Genf ohne Werbung

Eine Stadt ohne den ständigen visuellen Anreiz, sich etwas Neues zu kaufen – klingt eigentlich ganz schön, oder? Für Genf könnte das bis 2025 Wirklichkeit werden: Das Stadtparlament hat die Initiative «Zéro Pub» – null Werbung – letzte Woche angenommen. Vom Verbot nicht betroffen wären Plakate, die auf kulturelle Veranstaltungen hinweisen oder Plakate der Polizei, die auf Gefahren im Strassenverkehr aufmerksam machen. Bis in drei Monaten will die Stadtregierung einen Plan für die Umsetzung vorlegen.

Gegen das Werbeverbot könnte allerdings noch das Referendum ergriffen werden. Die bürgerlichen Parteien und die Regierung waren gegen ein Werbeverbot, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen: Ohne die Plakatwerbung verliert die Stadt Genf zwar rund vier Millionen Franken pro Jahr. Aber es gibt schon heute einen Ausblick darauf, warum eine Stadt ohne Werbung eine schönere Stadt ist: Die ekelhaften «Zombie»-Plakate mit dem Spruch «Kinder mit einem Toten – Ehe für alle Nein» der Gegner*innen der Ehe für alle dürfen in Genf nicht aufgehängt werden. Die Stadt hat das Sujet zurückgewiesen.

The Bad – Missratene Kapo-Kampagne

Die Kantonspolizei Basel-Stadt startet zusammen mit der Schweizer Kriminalpräventation SKP die Kampagne «Hast du Eier, Freier?» Damit will sie Männer ansprechen, die die Dienste von Sexarbeiterinnen in Anspruch nehmen und sie für die Themen Menschenhandel und Zwangsprostitution sensibilisieren.

Die Kampagne ist sicherlich gut gemeint (aber das ist bekanntlich oft das Gegenteil von gut): Immerhin sind es die Freier, die oft wortwörtlich am nächsten an die Frauen herankommen, mit ihnen sprechen und sehen können, wie es ihnen geht. Jedoch: Die detaillierte Anleitung für die Beobachtung und Meldung von Missständen auf der Website der Kampagne lässt, gelinde gesagt, zu wünschen übrig. Mögliche Erkennungszeichen für Zwangsprostitution seien etwa, wenn die Sexarbeiterin nicht «normal» kommunizieren kann, «nicht einmal unsere Sprache spricht», «apathisch ist oder erkennbar unter Drogeneinfluss steht». Auch Blutergüsse oder andere Wunden seien ein Zeichen dafür, dass die Frau nicht freiwillig arbeite. Dass diese auch von einem anderen Freier stammen könnten, darauf wird nicht hingewiesen.

Man solle im Zweifelsfall die Polizei rufen oder sich bei der anonymen Meldestelle des Vereins ACT212 gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung melden. Abgesehen davon, dass die Sexarbeiterinnen je nach Kanton grosse Angst vor der Polizei haben, weil sie oft repressiv gegen die Frauen vorgeht: Das Geschmäckle von «gütiger Schweizer Mann rettet arme Frau aus dem Milieu» wird man beim Lesen der Kampagne nicht ganz los.

The Ugly – Massiver Aderlass bei Radio SRF

Vergangene Woche gab die Mediengewerkschaft SSM in einem Newsletter an seine Mitglieder bekannt, dass ein «einzigartiger Brain Drain in der Geschichte von Radio SRF» bevorstehe. Bald zwei Jahre ist es her, seit die SRF-Führung entschieden hatte, grosse Teile der Radioinformation von Bern nach Zürich zu verlegen. Der ursprüngliche Plan war es, das Radiostudio Bern ganz zu schliessen. Ein internes Dokument, das dem SSM zugespielt wurde, zeigt offenbar: Schon 2018 rechnete die Chefredaktion von Radio SRF damit, dass im schlimmsten Fall rund ein Viertel der Belegschaft den Umzug nicht mitmachen werde.

Der «Worst Case» ist nun tatsächlich eingetreten, allerdings noch schlimmer: Seit der Ankündigung des Umzugs hat deutlich mehr Personal die Redaktionen von «SRF 4 News» und den Radionachrichten verlassen als die Leitung erwartet hatte. Bei SRF-4-News haben 11 von 24 Mitarbeitenden gekündigt, die Redaktion gewechselt oder sich frühpensionieren lassen. Das Team der Nachrichtenredaktion ist um einen Drittel kleiner. Die Gründe seien grösstenteils Frustration darüber, in der Führungsetage keinerlei Gehör zu finden, Bedenken über schwindende Qualität aufgrund des Spardrucks und erhebliche Führungsdefizite, schreibt das SSM.

Auch wenn SRF in jüngster Zeit immer wieder mit Entlassungswellen und freiwilligen Abgängen aufgefallen ist: Ein derartiger Aderlass ist einmalig in der Geschichte von Radio SRF, schreibt das SSM. Lis Borner, Chefredaktorin Audio bei SRF, bestätigt die Zahlen und sagt dazu gegenüber der MEDIENWOCHE, es sei ganz normal, dass grössere Veränderungen auch eine grössere Fluktuation auslösen können. Man habe neben den Abgängen aber auch neues Personal eingestellt, um die Kündigungen zu kompensieren: «Jeder Abgang von erfahrenen Radioleuten schmerzt. Interne personelle Wechsel von einer Redaktion in eine andere sind bereichernd. Und Neueintritte freuen, weil andere Perspektiven und neues Fachwissen in eine Redaktion kommen.»

Leserbeiträge

Ueli Custer 11. September 2021, 15:35

Eine Stadt Genf ohne kommerzielle Aussenwerbung unter „The Good“? Ist euch das ernst? Soll Genf bald so aussehen wie früher die osteuropäischen Städte? Trist und langweilige? Und soll die Plakatwerbung, die in der Schweiz eine uralte Tradition mit berühmten Künstlern kennt, so langsam aber sicher kaputt gemacht werden. Wenn in einer der grössten Städte des Landes keine kommerzielle Plakatwerbung mehr erlaubt ist, stellt das Mediastrategien mit Plakatwerbung im ganzen Land in Frage. Und wenn dann noch das sowieso schon werbefeindliche, rot-grüne Zürich diese Idee kopiert, dann haben es die Wirtschaftsfeinde geschafft: Ein Heer von Arbeitslosen – nicht zuletzt die Plakatkleber mit ihren eh schon niedrigen Löhnen. Wer  solche Verbote begrüsst, arbeitet gegen die freie Marktwirtschaft. Ich verstand die Medienwoche bisher als nicht extrem links sondern als ausgewogen. Wenn das so weiter geht, ist sie es definitiv nicht mehr.