von Miriam Suter

The Good, The Bad & The Ugly LVIII

20 Minuten, Ringier, Nebelspalter

The Good – «20 Minuten» goes English

Ab sofort können auf «20min.ch» eingeloggte Nutzer:innen alle Artikel automatisiert übersetzt auf Englisch lesen. Das Promovideo gibt sich zwar wie der Trailer für eine Neuverfilmung des Watergate-Skandals, aber Journalismus einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist allemal ein löbliches Vorhaben. Weitere Sprachen wie Portugiesisch, Albanisch, Serbisch, Kroatisch und Spanisch sollen folgen. Für die englische Version nutzt «20 Minuten» den Übersetzungsdienst Deepl, der mit künstlicher Intelligenz arbeitet: «Für den Service entrichten wir die üblichen, öffentlich publizierten Lizenzgebühren», so Mediensprecherin Eliane Loum-Gräser. Für die Übersetzung der weiteren geplanten Sprachen werde derjenige Übersetzungsdienst zum Einsatz kommen, «der in der jeweiligen Sprache die beste Qualität bietet».

Die Neuen Medienmacher*innen begrüssen diese Entwicklung grundsätzlich. «Aus unserer Sicht reicht es allerdings sicherlich nicht aus, die eigenen Inhalte einfach in die gängigsten Sprachen der migrantischen Bevölkerung zu übersetzen, was technisch ja keine grosse Sache ist, um sich dann das Label ‹Diversität› auf die Fahne schreiben zu können», schreibt Co-Präsidentin Anna Jikhareva auf Anfrage der MEDIENWOCHE. Zwingend sei eine inhaltliche journalistische Auseinandersetzung mit der gelebten Realität in der Schweiz und eine antirassistische Berichterstattung.

The Bad – Ringier ignoriert Warhol

Am 12. November erscheint ein neues Printmagazin aus dem Hause Ringier. Darin interviewen mehrheitlich Promimänner andere Promimänner. In der Erstausgabe, die am Donnerstag in Zürich vorgestellt wurde, befragt Bundesrat Alain Berset den Sänger Stephan Eicher und Verleger Michael Ringier spricht mit Künstler Urs Fischer.

Diese Idee ist abgekupfert. Und zwar vom legendären «Interview»-Magazin, 1969 gegründet vom Pop-Art-Künstler Andy Warhol, das bis heute erscheint. Von 2012 bis 2020 (?) gab es eine deutschsprachige Lizenzausgabe.

«Interview by Ringier» heisst nun das Interview-Magazin von Ringier. Die Chefredaktion teilen Werner De Schepper und Susanne Walder, beide ex-«Schweizer Illustrierte». Walder ist die Ehefrau von Ringier-CEO Marc Walder. Für die Gestaltung zuständig ist Beda Achermann. Dieser zeichnete 2017 für das Redesign der deutschsprachigen Ausgabe des Warhol-«Interview» verantwortlich.

Konzept, Name und Grafik: Die Parallelen sind offensichtlich, aber Ringier erwähnt Andy Warhols «Interview» nirgends. Von Verleger und Kunstsammler Michael Ringier, für den das Magazin eine «Herzensangelegenheit» ist, würde man so viel Warhol-Kenntnis erwarten.

Auf Anfrage der MEDIENWOCHE sagt Ringier-Sprecherin Johanna Walser, das Magazin sei weder als Hommage und schon gar nicht als Kopie von Warhols Version zu verstehen, sondern als komplett eigenständiges Projekt – daher habe sich auch niemand zu den Parallelen geäussert.

The Ugly – Holocaust-Mahnmal beim Nebelspalter

«Nebelspalter»-Autor Stefan Millius bebilderte einen Artikel über Betonblöcke, anlässlich der Abriegelung des Restaurants «Walliserkanne» in Zermatt, mit einem Foto des Holocaust-Mahnmals in Berlin. Nach einem Shitstorm auf Twitter hat er das Foto auf der Webseite ausgewechselt.

Auf Anfrage der MEDIENWOCHE schreibt Millius, es handle sich hier nicht um eine Fehlleistung des Nebelspalters, sondern um seine persönliche. Eine Bildsuche nach Betonblöcken habe nur wenige brauchbare Treffer ergeben: «Ich habe unter Zeitdruck zu wenig auf Details geachtet und ohne Nachzudenken das Bild genommen, das fürs Auge am meisten hergab, ohne mir in dem Moment bewusst zu sein, was es zeigte». Natürlich kenne er das Mahnmal. Weil auf dem Foto aber nur ein Ausschnitt zu sehen ist, habe er den Zusammenhang nicht gemacht. Das Bild sei so nicht nur deplatziert, sondern habe von seiner Bedeutung her im Artikel auch nichts zu suchen – «und ich bedauere die Nachlässigkeit». Dass das Titelbild das Holocaust-Mahnmal zeigt, sei also vor den Hinweisen auf Twitter niemandem aufgefallen. Wer soll das glauben?