von Benjamin von Wyl

The Good, The Bad & The Ugly LXIII

Konzernverantwortung, Wilhelm Tell, AfD-Inserat

The Good – Konzernverantwortung für Publizistik

Medienunternehmen sind verantwortlich für Kommentare, die Nutzer:innen auf deren Websites posten. Social-Media-Konzerne nicht. Das wollen Parlamentarier:innen nun ändern. Grünen-Nationalrätin Greta Gysin, SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher und SP-Nationalrat Jon Pult erklärten bei «20 Minuten», wie sie die Tech-Konzerne in die Pflicht nehmen wollen. SP-Nationalrat Jon Pult plant noch in dieser Session eine parlamentarische Initiative zum Thema einzureichen.

Facebook, Twitter und Co. sollen für Hate Speech, Persönlichkeitsverletzungen und weitere illegale Inhalte auf ihren Plattformen haften. «Es ist eine Art umgekehrte Konzernverantwortungsinitiative für Publizistik: Es geht darum, dass internationale Plattformkonzerne gleich haften und Sorgfaltspflichten beachten wie Schweizer Medienhäuser», sagt Pult der MEDIENWOCHE. Oft gehen Hassrede mit Falschinformationen einher – womöglich würde die vorgesehene Haftungsausweitung Fake News bereits eindämmen. Wie die «Sorgfaltspflicht» darüber hinaus genau aussehen soll, ist für Pult noch offen. Eine Ombudsstelle, bei der Fake News gemeldet werden können, sei denkbar.

The Bad – Wilhelm Tell wirbt für Wahrheit

Dass sich Journalist:innen mit keiner Sache gemein machen sollen, auch nicht mit einer guten, ist ein fragwürdig überliefertes Bonmot, das meist missbraucht wird, um engagierten Journalismus zu diffamieren. Die jämmerliche Kampagne des Verlegerverbands für das Massnahmenpaket zugunsten der Medien erweckt den Eindruck, Medienhäuser können sich nicht mit Journalismus gemein machen, auch nicht mit gutem.

Die Abstimmungskampagne trägt den Namen «Die Meinungsfreiheit», was eher nach einem verschwörungstheoretischen Blog als nach professionellem Journalismus klingt. Auf der Instagram-Seite (47 Follower) heisst es unter einem breit ignorierten Post (3 Likes), man habe diese Woche «endlich unser Plakatsujet für den Abstimmungskampf präsentiert». Warum «endlich»? Das Wörtchen tönt wie ein unnötiges Eingeständnis von Schwäche, wie es in der politischen Kommunikation selten ist.

Als Unterstützer:in der Vorlage wünscht man sich bei diesem Sujet ohnehin, es käme so spät wie möglich – oder grad gar nicht. Das Motiv, das die Agentur Farner verbrochen hat, ist kompliziert: Wilhelm Tell schlägt mit einer Zeitung auf eine Mauer ein. Auf der Mauer steht in Graffiti-Optik «Fake News». Ausgerechnet Wilhelm Tell – selbst Fake News, eine mythische Figur – soll für «Fakten statt Fake News» stehen. Wenn die Medienförderung durchkommen soll, muss sich der Verlegerverband in den Arsch kneifen. Die addierten Abonnent:innen von «Republik», «WOZ», «Das Lamm» und «Zentralplus» reichen für die Mehrheit nicht.

The Ugly – AfD-Inserat passt in die NZZ

Im «NZZ»-Nachruf auf August von Finck heisst es, der «Parteispender» von Finck habe den «Gerüchten» um seine mutmasslich widerrechtlichen Geldflüsse an die AfD nie widersprochen. Bei den sogenannten Gerüchten handelt es sich um Recherchen von «Spiegel» und «WOZ». Doch der Blickfang auf der Zeitungsseite ist ohnehin das textlastige AfD-Inserat unter dem Nachruf.

Das Inserat an dieser Stelle kann sowohl als hämischer Witz auf von Fincks AfD-Verstrickungen verstanden werden wie auch als letztes Geleit der rechtspopulistischen bis extrem rechten Partei an ihren Unterstützer. Die Frage, ob diese Anzeigenplatzierung Zufall ist, beantwortet NZZ-Sprecherin Karin Heim gegenüber der MEDIENWOCHE nicht. Statt auf die einzelnen Fragen einzugehen, antwortet sie summarisch, dass die NZZ «bei Inseraten eine liberale Haltung» vertrete: «Solange Inserate keine rechtswidrigen oder sonst offensichtlich anstössigen Inhalte beinhalten, werden sie in der Regel auch publiziert – unabhängig davon, ob man z.B. die politische Linie teilt oder nicht.» Während fast alle grossen Zeitungen in Deutschland keine Anzeigen der AfD abdrucken, ist es nicht das erste Mal, dass die NZZ Inserate dieser Partei, die in der Schweiz gar nicht aktiv ist, bringt.

In der NZZ muss sich die AfD die halbe Seite Text immerhin noch erkaufen; in der aktuellen «Weltwoche» darf Alice Weidel im redaktionellen Teil in die Tasten hauen. Das überrascht nicht: «Weltwoche» und AfD haben viele gemeinsame Freund:innen. Auch von Fincks Firma, Degussa Goldhandel, schaltet in Köppels Blatt regelmässig grosse Inserate.