von Nick Lüthi

The Good, The Bad & The Ugly LXXXI

Bundesgericht, SRF DOK, Higgs.ch

The Good – Kritik ist keine Herabsetzung

Nach vier Jahren setzt das Bundesgericht einen Schlusspunkt: In einem diese Woche öffentlich gewordenen Urteil schützt das Gericht die Position des Basler SRF-Journalisten Matieu Klee (Bild). Der Redaktor des Regionaljournals Basel veröffentlichte im April 2018 einen Online-Artikel mit dem Titel «Streit um GAV – Millionenskandal oder formaljuristisches Problem?». Es ging dabei um den Verdacht, die Wirtschaftskammer Baselland habe ohne rechtliche Grundlage die Vollzugskosten für einen Gesamtarbeitsvertrag eingezogen.

Die Wirtschaftskammer klagte gegen den kritischen Bericht durch alle Instanzen – erfolglos, wie jetzt feststeht. Das Bundesgericht hält fest, es handle sich bei der Darstellung des Sachverhalts und den gewählten Formulierungen nicht um eine Herabsetzung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb UWG; Kritik müsse möglich sein. Die Lausanner Richter:innen zerpflücken die Beschwerdepunkte und lassen die Wirtschaftskammer mit ihrer Klagekaskade ziemlich alt aussehen.

Das Urteil bedeutet, dass auch im Lokaljournalismus harte, aber faire Recherchen möglich sind. Und Matieu Klee, gegen dessen Berichterstattung sich die Beschwerde gerichtet hatte, findet ganz grundsätzlich gegenüber der MEDIENWOCHE: «Kritischer und ausdrücklich auch unbequemer Wirtschaftsjournalismus segnet das oberste Gericht ab, wenn eine Geschichte sauber recherchiert ist.» Er sei erleichtert und froh, dass das Bundesgericht dies nun so bestätigt hat.

The Bad – SRG-Röstigraben

Vor zwei Jahren erhielt Mehdi Atmani den Swiss Press Award als «Journalist des Jahres» für seine Webserie «Die Schweiz in geheimer Mission». Nach neun Jahren Recherche dokumentierte der freie Videoreporter in fünf Folgen die Verstrickung der Schweiz in globale Überwachungs- und Abhöraktivitäten. Am vergangenen Montag legte Atmani nach und setzte seine Recherche in einer zweiten Staffel fort. Wiederum in kompakter Erzählweise und mit kompetenten Protagonist:innen folgt er den Spuren kritischer Cyber-Aktivitäten von Behörden und Privaten. Das Erkenntnisziel der fünf Folgen zu je zwölf Minuten: die heutigen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft verstehen.

Die Premiere der zweiten Staffel fand einzig in der Westschweiz statt auf RTS.ch und in der Tagesschau «19h30». In den nächsten Tagen soll die Serie auch bei RSI in der italienischen Schweiz und auf dem Streamingportal Play Suisse zu sehen sein. SRF hingegen hält sich zurück. Ein Sendestart ist nicht bekannt, obwohl die Serie in Zusammenarbeit mit SRF entstanden war: «Wir prüfen derzeit, wann wir diese spannenden Inhalte auch dem Deutschschweizer Publikum zugänglich machen können», lässt Nathalie Rufer, Leiterin DOK & Reportagen SRF, ausrichten.

Damit wiederholt sich die Geschichte. Bereits bei der ersten Staffel haperte es mit der Koordination über den Röstigraben und SRF zeigte die Serie erst drei Monate nach dem Start in der Romandie. Das wirft kein gutes Licht auf das Bemühen der SRG, vermehrt gesamtschweizerische Produktionen an den Start zu bringen. Und freie Produzent:innen motiviert es nicht unbedingt, unter diesen Vorzeichen nationale Projekte vorzuschlagen.

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The Ugly – Wer, wenn nicht er?

Beat Glogger schmeisst hin: Ende Juli stellt er den Betrieb seines Wissensmagazins «Higgs» ein. Das hat Glogger am Donnerstag bekanntgegeben. Grund für die Betriebseinstellung sei das fehlende Geld. Stiftungen und Sponsoren hätten sich aus der Finanzierung zurückgezogen. Auch die im letzten Herbst eingeführten Mitgliedschaftsbeiträge vermochten den Ausfall nicht zu kompensieren.

Wenn in den nächsten Monaten nicht noch ein Wunder geschieht, endet im Sommer nach viereinhalb Jahren der Versuch, ambitionierten und unabhängigen Wissenschaftsjournalismus einem breiten Publikum zugänglich zu machen. «Higgs» wirkte insbesondere in den beiden Pandemiejahren als wichtige Stimme, die verlässliche Informationen und Einschätzungen zu Corona bereitstellte. Doch der Zuspruch verflog mit dem Abflauen der Pandemie so schnell, wie er anfänglich hochgeschnellt war.

Das absehbare Ende von «Higgs» ist aus mehreren Gründen eine üble Botschaft:
• Wenn es einer der erfahrensten, gewieftesten und angesehensten Wissenschaftsvermittler nicht schafft, ein solches Projekt über Wasser zu halten, wird es niemand sonst so schnell wagen, in seine Fussstapfen zu treten.
• Der unabhängige Wissenschaftsjournalismus verliert eine Stimme, die gerade deshalb so wichtig war, weil Verlage in diesem Bereich Leistungen abbauen und gleichzeitig zweifelhafte Formate im Grenzbereich zur Wissenschafts-PR aufbauen.
• Der Verlust von neun journalistischen Arbeitsplätzen schwächt den sowieso schon schwachen Medienstandort Winterthur zusätzlich.